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Party in der Vorhölle

7. Dezember 2018 3 Kommentare

Den Fans britischer Sitcoms ist er vor allem aus „Black Books“ (Channel 4, 2000 – 2004) in Erinnerung, der gar nicht so schwarzen, sondern eher albern-surrealen Sitcom: Bill Bailey. Dort gab er den Gegenpart zum düster-misanthrophen Bernard Black (Dylan Moran), nämlich den stets heiter-ausgeglichenen Manny Bianco, dem das Helle, Strahlende, Erleuchtete schon im Namen eingeschrieben war.

Vornehmlich aber macht Bill Bailey Stand Up, und auf der Bühne ist seine Persona der des Manny Bianco sehr ähnlich: die des heiteren, unmittelbar sympathischen, mit verblüffender Phantasie gesegneten Entertainers. Nicht ganz unähnlich einem Ardal O’Hanlon, der in der ebenfalls großartigen Vorgängerserie von Graham Linehan und Arthur Matthews, „Father Ted“, dessen Sidekick des Father Dougal gab. (Leider ist O’Hanlons Karriere als Stand Up nie so recht aus dem Quark gekommen.)

Nicht zuletzt war und ist Bailey aber auch Multiinstrumentalist und Musiker, und so waren seine Stand Ups nicht nur oft mit gloriosen Improvisationen und Parodien angereichert, sondern es gab sogar eine ganze Show, die sich nur mit Musik, genauer: mit den Instrumenten eines (Philharmonie-)Orchesters beschäftigte und die sensationell — und sensationell komisch — war.

Mittlerweile kocht Bill Bailey auf etwas kleinerer Flamme. Und so gibt es in seinem gerade auf DVD und als Download erschienenen (vor-)letzten Programm „Limboland“ keine übergroßen Licht- und Feuereffekte und kein ganzes Orchester mehr, und die Show selbst ist kürzer, als ich es mir gewünscht hätte: gerade mal 75 Minuten lang.

Das ist schade, weil Bailey immer noch das Talent hat, mit seinem charmanten Nonsens Lachstürme zu entfachen. Wenn er etwa „Happy Birthday“ in Moll spielt, um über ein, zwei Umwege schließlich ein depressives Geburtstagslied im Stile Kurt Weills aus dem Berliner Kabarett der 30er-Jahre zu machen.

Oder wenn er über british happiness extemporiert, die sich von der der Dänen unterscheidet, die angeblich das glücklichste Volk der Welt sind, wegen hoher Sozialstandards und so: „What the Danes have, is something else. That is contentment (Zufriedenheit). Contentment is knowing that you’re right. Happiness is knowing that someone else is wrong.“

Allerdings mischen sich in „Limboland“ Töne in Baileys Monolog, die ich früher so nicht wahrgenommen habe: Nämlich die Wirklichkeit, und wie wenig gelassen er in Wahrheit ist, wenn es um Politik oder Social Media geht, die er offenbar aus ganzem Herzen verabscheut.

Und so wirkt „Limboland“, das auch noch mit deutlich weniger musikalischen Einlagen als früher angereichert ist, insgesamt leider ein wenig halbgar. Es geht ein bisschen um Politik, mit der er sogar einsteigt („Limboland“ selbst steht für das England der Gegenwart, das für ihn also offenbar eine Art Vorhölle ist), um die Grünen und darum, dass sein nächstgelegenes Krankenhaus geschlossen und durch eine App ersetzt worden ist, die anzeigt, wo man die nächsten Heilkräuter selbst pflücken kann.

Er erzählt von seinem gehackten Emailaccount, der ihn um ein kleines Vermögen gebracht hat, weil seine Buchhalterin, von gefälschten Emails in die Irre geführt, Geld in die Türkei überwiesen hat (eine wahre Geschichte).

Und er verliert sich ein wenig im Anekdotischen, wenn er die (zugegeben sehr komische) Geschichte einer Arktisreise mit den eigenen und den Schwiegereltern beschreibt und seine Begegnung mit Paul McCartney, bei der er vor Aufregung nur Unsinn herausgebracht hätte.

Gut und schön und nicht unkomisch, wie gesagt — aber Anekdoten erzählen, das ist nicht der Höhepunkt der Kunstform Stand Up. Das erwarte ich von Leuten wie Kevin „Silent Bob“ Smith, der in seinem Showtime-Special „Silent But Deadly“ nichts anderes tut und damit durchkommt, weil sein Publikum ihn halt für die Figur liebt, nicht für seinen Stand Up.

Aber bei Bill Bailey bleibt das Gefühl, dass da jemand hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben ist. Schade eigentlich, denn die 75 Minuten „Limboland“ sind ja nicht schlecht, sondern wie gesagt sehr komisch.

Aber es bleibt das Gefühl, dass Bill Bailey eigentlich noch mehr kann.