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Archiv für Januar, 2009

Stein, Schere, Velociraptor

29. Januar 2009 3 Kommentare

Eine Sitcom über das alltäglich-chaotische Leben einer Londoner Mittelklassefamilie mit drei Kindern mag für die Zielgruppe der 14- bis 25jährigen nicht die Neuerfindung des Comedy-Rads sein – für mich war die zweite Staffel von »Outnumbered« (BBC 1), die im Januar zu Ende ging, die beste Britcom des vergangenen Jahres. Das mag zum einen daran liegen, daß »Outnumbered« formal auf der Höhe der Zeit ist und sich den quasidokumentarischen Wackelkamerastil von »Curb Your Enthusiasm« ebenso angeeignet hat wie das improvisierte Spiel; zum anderen aber an einem wunderbaren Cast, denn die drei Kinder der Familie Brockman sind hervorragend besetzt: allen voran Ramona Marquez als fünfjährige (!) und permanent Fragen stellende Karen, die schon mal wütende Briefe an den Premierminister schreibt und, als sie Kopfläuse aus der Schule nach Hause bringt, am liebsten eine davon als Haustier behalten würde. Nicht weniger brillant auch Daniel Roche als Ben (7), dessen permanente Lügen seine Eltern regelmäßig in Verlegenheit bringen (»Das ist nicht mein Vater! Der hat mich entführt!«) und der gerne »Stein, Schere, Velociraptor« spielt, sowie Tyger Drew-Honey als Jake (11), in der Schule gehänselt und von Ängsten geplagt.

Den dreien, die ihren Eltern nicht nur an Zahl überlegen sind (worauf der Titel anspielt), gelingt etwas Paradoxes: Sie bestätigen sowohl Kinderlose, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als auch Eltern in ihrer Ansicht, ein Leben ohne Nachwuchs müsse eine traurige Angelegenheit sein. So oder so aber leidet man mit Pete und Sue (ebenfalls prima: Hugh Dennis und Claire Skinner), die bemüht sind, ihre Erziehung so aufgeklärt wie möglich zu gestalten, dabei aber regelmäßig auf schwere Proben gestellt werden – und am Ende Ben beinahe seinen Willen lassen, mit der Bohrmaschine in der Hand zur Schule zu gehen.

»Outnumbered« bleibt immer realistisch, was die Identifikation leicht macht, und so haben zumindest mich die großen Probleme (mit dem zusehends dementen Großvater) und kleinen Unfälle (»Ich wirble meinen Sohn oft an den Beinen im Kreis herum, und entweder hatte diesmal jemand den Tisch verrückt oder er ist gewachsen!«) gleich gefangengenommen – und zum Schluß sogar für die Idee Karens begeistert, zukünftig Geld zu sparen, indem man einfach keinen Brokkoli mehr kauft. Und dafür aber die DVD der ersten Staffel.

(Zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 2/2009)

Amazon.co.uk FTW!

29. Januar 2009 3 Kommentare

Sollte dieses Blog in den nächsten, äh, Monaten verwaisen, dann weil heute die ersten Amazon.co.uk-Lieferungen eingetroffen sind, die ich am 24. resp. 25. aufgegeben habe — recht zügig also. Nun warten hier 930 Minuten „Peep Show“, 2500 Minuten „Shameless“, 720 Minuten „Some Mothers Do ‚Ave ‚Em“, 400 Minuten Python-Filme — und noch ca. 4,3 Zilliarden Minuten „Frasier“; also ziemlich genau das doppelte der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Mitteleuropäers. Vielleicht sollte ich jemanden einstellen, der den Kram für mich wegguckt. Tim? Murmel? Ich rufe gleich mal durch!

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Well THAT ain’t funny…!

29. Januar 2009 Keine Kommentare

Auf was man alles stößt, wenn man täglich nach „Titanic“ googelt: Engländer zu höflich zum Überleben! Behauptet jetzt ein australischer Wissenschaftler, demzufolge sich die Engländer — anders als sagenwir die Amerikaner — beim Untergang der Titanic bei den Rettungsbooten immer schön hinten angestellt und daher zu einem größeren Teil die Arschkarte gezogen haben… Britische Höflichkeit! I say!

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Piloten-Check 1: Hilfe, mein Kind ist Franzose!

26. Januar 2009 Keine Kommentare

Wenn LifeSpam: My Child Is French (BBC3, 23.1.) schon sonst keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht hat, dann hat es wenigstens die alte Erkenntnis aktualisiert: daß es immer lustig ist, über Franzosen herzuziehen. So wie Alice Lowe (mir vornehmlich aus den schönen Promi-Biopic-Parodien von „Star Stories“ bekannt, wo sie Madonna spielte — „No one leaves Madonna!“) in ihrem Piloten „LifeSpam“, einem Docu-Spoof, in dem u.a. ein Mann porträtiert wird, der sich zu einem Dinosaurier umoperieren lassen möchte, eine Frau, die in ihrer Wohnung in ihren Haaren eingewachsen ist („I was so angry on the inside and had so much hair on the outside!“), sowie eben eine junge Mutter, die vor der schrecklichen Erkenntnis steht, daß ihr Kind nicht etwa unter Dyslexie leidet, sondern französisch ist. Und so sieht man einen vielleicht Fünfjährigen mit Baskenmütze, blau-weiß geringeltem Shirt und der obligatorischen Halskette mit Speisezwiebeln, der mit „Eat the Brie!“ ermahnt werden muß und einen Eiffelturm aus Lego baut, bevor seine Mutter mit ihm über den Kanal fährt, um ihn am Strand von Calais auszusetzen — es ist schließlich sein natürlicher Lebensraum. Sehr lustig, das; so lustig, daß es für die schwächeren Momente entschädigt und die Hoffnung weckt, die BBC möge doch eine ganze Serie in Auftrag geben.

Kleine Einkaufsliste (1)

25. Januar 2009 15 Kommentare

Weil mich die, um es vorsichtig zu formulieren, erstaunlichen Preise von amazon.co.uk gerade nicht ruhen lassen, hier mal eine gaaanz kleine Auswahl von Box-Sets, die mir ins Auge gesprungen sind — natürlich auch, weil ich sie noch nicht habe, von Klassikern wie „Extras“ (zwei Staffeln, ein Special = £20.88), „Green Wing“ (zwei Staffeln, ein Special = £23.98), „The IT Crowd“ (drei Staffeln = £17.98), „Blackadder“ (vier Staffeln, drei Specials = £29.98), „The Fast Show“ (drei Staffeln, dreiteiliges Special = £15.98) und „Spaced“ (zwei Staffeln = £9.98 – WTF?!) soll hier also gar nicht die Rede sein. Sondern von

Shameless (fünf (!) Staffeln = £25.97) Ein Comedy-Drama aus dem armen Norden Englands: Die Familie Gallagher als dysfunktional zu bezeichnen hieße schamlos untertreiben. Alkoholismus, Homosexualität, Berufskriminalität, Armut, Gewalt, Psychodefekte und Sex, Sex, Sex – alle Garanten für leichte Fernsehunterhaltung, wie sie in Deutschland von Privaten wie Öffentlich-Rechtlichen gleichermaßen gefürchtet werden, kommen in so ziemlich jeder Folge vor. Ziemlich erbarmungslos gefilmt, meist mit sehr subjektiver Wackelkamera, immer auf der Seite der Familie, bietet „Shameless“ Einblick in die Welt der Manchesteraner Arbeiterklasse. Wie sie in britischen Comedy-Dramas vorkommt jedenfalls. Paul Abbott, der Creator hinter „Shameless“, behauptet, für die Serie aus seinen Jugenderlebnissen geschöpft zu haben.

Peep Show (fünf (!!) Staffel für £16.98 (!!!)) Die zwei Flatmates Mark und Jeremy (David Mitchell, Robert Webb) könnten unterschiedlicher nicht sein: Der eine ein finanziell erfolgreicher, aber pessimistischer und konservativer Twentysomething, der andere ein erfolgloser, aber optimistischer Altersgenosse, der sich für einen noch zu entdeckenden Rockstar hält, dabei aber ein bißchen zu sehr von sich überzeugt ist. Der Clou dieser Serie ist ihre Form: Erzählt wird immer abwechselnd aus der Ich-Perspektive Marks und Jeremys, so daß der je andere direkt in die Kamera guckt und der Zuschauer die meist entlarvenden Gedanken des aktuellen Ich als Offside-Kommentar hört. Sehr lustig, sehr erfolgreich — Mitchell und Webb haben noch etliche andere Eisen im Feuer, von denen noch zu berichten sein wird.

Some Mother Do ‚Ave ‚Em (drei Staffeln, drei Specials = £17.98) Bei uns völlig unbekannt, in England prägend für die Generation, die Mitte der 70er vor dem Fernseher groß wurde: Frank Spencer (Michael Crawford) und seine irren Abenteuer. Diese extrem physische Comedy besticht vor allem durch ihre spektakulären (und spektakulär komischen) Stunts: Da wird am laufenden Band aus dem Fenster gesprungen und über Klippen gefahren, versagt Frank bei neuen Jobs und führen kleine Reparaturen im Haus zu riesigem Chaos und Nervenzusammenbrüchen bei allen, die mit Frank auch nur entfernt in Berührung kommen. Ein Spaß für die ganze Familie. Oooh, Betty!

The Mighty Boosh (drei Staffeln für £25.98) habe ich erst kürzlich vorgestellt. Wer’s immer noch nicht hat: Grüner wird’s nicht.

Globalisierung doch ganz gut!

24. Januar 2009 17 Kommentare

Dank der Kreditkarte meiner Frau und diesem Eintrag bei Nerdcore bin ich (bzw. meine Frau, ha!) eben einen nicht ganz dreistelligen Betrag bei Amazon.co.uk losgeworden; aber von vorne:

Monty Python haben, TITANIC berichtete schon seinerzeit, sehr viele ihrer Filmclips in guter Qualität selbst bei YouTube hochgeladen — verbunden mit dem Hinweis, man könne und solle die Sachen auch auf DVD kaufen, wenn sie denn gefielen. Das wiederum haben sich offenbar viele Pythonfans zu Herzen genommen: Seitdem wurden nämlich bei Amazon über 200 mal so viele DVDs verkauft wie vorher. Möglicherweise auch deshalb, weil die DVDs derzeit so günstig sind wie noch nie — einmal schon von Amazon.co.uk günstig angeboten,  zum anderen, weil das Pfund derzeit recht niedrig steht (für Eurobesitzer jedenfalls; als ich zuletzt geguckt habe, waren es 1,10 Euro pro Pfund). Und natürlich ist das ein starkes Argument dafür, daß sich im Netz verschenkter Content bezahlt macht und Netz-Nutzer keineswegs nur klauen wie die Raben, sondern auch bereit sind, für etwas Geld auszugeben, was sie online kennengelernt oder wiedergesehen haben. Nun, und bestimmte DVDs, die es bei Amazon.de leider nicht gibt, kamen da bei meinem Spontankauf gerade eben dazu — ich erwähne stellvertretend hier nur mal die zweite Staffel „Look Around You„, die hierzulande ziemlich überteuert verkauft wird, und „Time Trumpet„, die CGI-verstärkte SciFi-Nostalgie-Show-Parodie des grenzgenialen Armando Iannucci; ist noch gar nicht raus, kann aber schon vorbestellt werden… Globalisierung rules ok für mich!

Und noch einen kleinen Fernsehtip für heute abend: Nach dem Dschungelcampfinale kommt „TV-Helden“ von und mit Jan Böhmermann, für den die Kollegen Gärtner, Rürup, Tietze und ich vor Ewigkeiten auch schon mal Witze geschrieben haben. Ich habe es noch nicht gesehen, aber es ist bestimmt gut! Gucken!