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Artikel Tagged ‘Kelsey Grammer’

ABComedy (1)

3. Oktober 2009 1 Kommentar

Das Wochenende in diesem gemütlichen kleinen Familienblog gehört René Reinholz, der so freundlich war, vier neue US-Sitcoms zu sichten, allesamt angelaufen am 30. September auf ABC. Heute geht es mit den ersten beiden los, morgen folgen die restlichen zwei. Also Bühne frei und einen freundlichen Willkommensapplaus für Gastautor René!

Der Sender ABC hat sich für die Herbstsaison offenbar Großes vorgenommen: Gleich vier neue Sitcoms bilden den kürzlich mit allerlei Trara eingeführten Comedy-Mittwochblock von acht bis zehn Uhr. Der Optimismus dürfte sich jedoch als verfrüht erweisen, denn mindestens zwei der vier werden die Weihnachtspause hoffentlich nicht überdauern. Doch ein Verlust wäre das beileibe nicht.

Eingeleitet wird der Abend ausgerechnet mit der schwächsten Show, „Hank“, vielleicht weil man glaubte, mit Kelsey Grammer einen zugkräftigen Namen zu haben. Warum Grammer, der immerhin in zwei der großartigsten amerikanischen Sitcoms der letzten dreißig Jahre mitgewirkt hat, sich aber für diesen stumpfen, armseligen, müden, vorhersagbaren Schmarrn hergegeben hat, soll sein Biograph klären. Hank, der Titelheld, wurde soeben von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender einer von ihm selbst gegründeten Sportartikelfirma gefeuert und zieht daraufhin, mangels Geldreserven, mit seiner Frau Tilly und seinen beiden halbwüchsigen Kindern von Manhattan zurück in seine Heimatstadt River Bend, Virginia, wo seine Karriere einst begann. Hier, so hat er sich vorgenommen, will er noch einmal von vorn anfangen und, gähn, mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Natürlich wird man es hier, auf dem Land, mit kauzigen, aber, würg, liebenswerten Landeiern zu tun haben. Tillys Bruder Grady, der zur Einweihung des Hauses ein, haha, Fivepack Bier mitbringt, ist so einer. — Grammer spielt wieder die Rolle des zugeknöpften Spießers, die Szenen mit den Kindern hat jemand geschrieben, der noch nie ein Kind hat reden hören, und je flacher die Gags zum Ende hin werden, desto lauter kreischt der Laughtrack. Kurz, es ist nicht zum Aushalten.

„The Middle“, im Anschluß, ist nicht viel besser, aber auch nicht richtig schlecht. Wir sehen eine ganz normale Mittelstandsfamilie im ländlichen Virginia ( das so ländlich ist, daß sogar der Handyempfang eingeschränkt ist) mit — meine Güte! — ganz normalen Alltagsproblemen.

Der abgeklärte, aber liebenswerte Vater Mike, Manager in einer Mine, ersetzt nach einer Explosion die — wer denkt sich sowas nur aus? — 1 vom „[ ] Tage ohne Unfall“-Schild durch eine 0. Die Mutter, Frankie, eine überarbeitete, glücklose Autoverkäuferin, erschrickt über das menschliche Wrack auf ihrem Führerscheinfoto und fragt sich bang, wie es dazu nur hat kommen können: „Somehow the life had been sucked right out of me. But who, or what, had sucked it?“ Fokus auf — hätten Sie’s gedacht? — die sich streitenden Kinder: Axl, der älteste der drei, der gern in Unterhosen durchs Haus läuft, die 13jährige Zahnspangenträgerin Sue, die — ja, so sind sie, nicht? — gerade eine schwierige Phase durchlebt und in all ihren bisherigen schulischen Aktivitäten kläglich gescheitert ist, sich aber trotzdem für den Showchor eingeschrieben hat (o mei, da wird doch nicht etwa am Ende etwas schiefgehen?), sowie der siebenjährige, dem kleinen Dewey wie aus dem Gesicht geschnittene, schwerst grimassierende Jüngste, Brick (?!), dessen Macke darin besteht, zur Selbstberuhigung bestimmte Wörter laut vor sich hin flüsternd zu wiederholen, und dessen bester Freund sein Rucksack ist.

Das alles kennt man so oder so ähnlich aus „Malcolm in the Middle“, mit dem Unterschied, daß dem bemüht verschrobenen „The Middle“ — herrje, auch wenn es sich auf den mittleren Westen bezieht, selbst am Titel mußten sie sich vergreifen! — jeglicher Charme und Witz des Vorbilds abgehen: Während Lois schon mal wochenlang einen Auflauf streckte, wirft Frankie mit den Worten „I made dinner“ eine Tüte mit Burgern aus der Fastfoodschmiede auf den Tisch, die — „let’s eat together“ — auf dem Sofa vor dem Fernseher gegessen werden. Wenn das so weiter geht, werden Augen rollen, aber heftig!

Morgen wird die kleine ABC-Comedy-Rundschau fortgesetzt, dann geht’s um „Modern Family“ und „Cougar Town“.

Frasier doesn’t live here anymore

10. Januar 2009 Keine Kommentare

Vier Jahre nachdem ich mir im nachstehenden Text gewünscht hatte, es möge doch eine „Frasier“-Komplett-DVD-Box geben, ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen — genügt das als Anlaß, eben diesen Uralt-Text hier zu posten? Schon, oder?


Abschied von Frasier

Ohne großes Tamtam wird Sat.1 am 9. und 13. Oktober [2004] mit der allerletzten Doppelfolge die deutsche Karriere des amerikanischen Radiopsychologen Dr. Frasier Crane beenden — wie üblich gut versteckt auf dem Sendeplatz um 0.40 Uhr. Dabei hätte Frasier, der dienstälteste Comedy-Serienheld der TV-Geschichte, besseres verdient.

Es waren nicht nur die brillanten Wortgefechte zwischen Frasier und seinem jüngeren Bruder Niles, ebenfalls Psychologe, die Reibung zwischen den snobbistischen Brüdern und ihrem bodenständigen Vater Martin und die hochkomischen Telefongespräche mit Anrufern in Frasiers Radiosendung, die „Frasier“ über zehn Jahre lang lebendig erhielten (Frasier: „Tut mir leid, Blake. Als ich Ihnen sagte, schließen Sie Ihre Augen und stellen Sie sich vor, Sie wären auf einer Südseeinsel, wußte ich nicht, daß Sie von Ihrem Autotelefon aus anrufen.“ Anrufer: „Schon ok, Doc. Jetzt weiß ich wenigstens, daß meine Airbags funktionieren“). Es war vor allem die erstaunliche Kunst der Produzenten, stets aufs Neue Funken zu schlagen aus den immergleichen Konflikten: Frasier und Niles tragen ihre Konkurrenz aus, Frasier verliebt sich in eine unerreichbare Frau und ruiniert die Romanze unverzüglich, Frasier und/oder Niles drohen über irgendeiner Obsession den Verstand zu verlieren. „Diese Show kennt ungefähr sechs oder acht Storys, und sie endet nach mehr als 260 Episoden. Ein beeindruckender Recycling-Rekord.“ (Linda Holmes auf MSNBC.com) Und dabei war es natürlich ganz egal, ob man die Witze schon kannte – so lange sie gut erzählt waren.

1984 taucht Kelsey Grammer erstmals als Dr. Frasier Crane auf, damals eine kleine Randfigur in der Kellerbar-Sitcom „Cheers“. Vier Folgen lang sollte er die „Cheers“-Hauptfigur Sam Malone (Ted Danson) ärgern, blieb dann aber gleich acht Jahre und erhielt hinterher seine eigene Spin-Off-Serie, die ihrerseits elf Jahre lang ausgestrahlt und mit ingesamt 31 Emmys dekoriert wurde – zuletzt erhielt Grammer pro Folge kolportierte zwei Millionen Dollar Gage. Und wollte sich trotz sinkender Quoten nicht vom Haussender NBC herunterhandeln lassen; das führte dann schließlich auch zum Ende der Serie.

Die letzte Staffel aber geriet dank der Reaktivierung alter Autoren wieder etwas erfolgreicher, war doch, auch das soll nicht verschwiegen werden, über die letzten Jahre die Luft etwas raus: Ein zentraler Konflikt, die heimliche Liebe Niles‘ zu Frasiers Hausmädchen Daphne, fehlte, nachdem die beiden sich schließlich bekommen hatten, und auch der Tod des „Frasier“-Creators David Angell am 11.9.2001 schwächte die Serie. Doch dafür entschädigen die letzten Folgen, in denen turbulent geheiratet, umgezogen, geboren und sogar gemordet wird — das allerdings off scene und von einem Charakter, der zwar ständig präsent, aber nie zu sehen war, nämlich Niles‘ Exfrau Maris.

Das Finale von „Frasier“ lief in den USA parallel zu dem der viel erfolgreicheren „Friends“, und der Abschied wäre vermutlich auch ohne diese Koinzidenz eher leise ausgefallen — dennoch ist es höchst ärgerlich, daß dieser wunderbaren Serie hierzulande sogar ein würdiger Abschluß verweigert und die Staffeln in falscher Reihenfolge gezeigt werden: Sat.1 zeigte nach der Wiederholung der neunten die elfte Season „Frasier“, die zehnte wird vermutlich irgendwann nachgereicht.

Sehr zu hoffen ist, daß beizeiten mal eine umfassende DVD-Box auf den Markt kommt, in der auch dieser wunderbare Dialog aus Frasiers Call-in-Sendung drin wäre:

Frasier: „Hallo Ethan! Was kann ich für dich tun?“

Ethan: „Ich habe eine Menge Probleme mit den andern Kindern in der Schule. Die verprügeln mich andauernd.“

Frasier: „Und woran könnte das liegen?“

Ethan: „Wahrscheinlich weil ich so intelligent bin. Ich habe einen IQ von 160.  Ich bin im Club der Mathematiker. Und ich hasse Sport.“

Frasier: „Tja nun, weißt du, Ethan, die anderen Kinder verhalten sich nur so, weil sie neidisch und auch unreif sind. Im Moment hilft dir das nicht viel. Der Tag wird kommen, das verspreche ich dir, an dem du derjenige bist, der zuletzt lacht.“

Ethan: „Ist das alles?“

Frasier: „Ja.“

Ethan: „Ehrlich gesagt, Dr. Crane, find ich ihren Rat gönnerhaft, arrogant, simplifiziert und einfallslos. Das eigentlich Überraschende ist, daß Sie auch noch dafür bezahlt werden, solche Sprechblasen von sich zu geben.“

Frasier: „Ethan, von wo rufst du mich an?“

Ethan: „Von zuhause.“

Frasier: „Falls einige von Ethans Klassenkameraden zuhören: Ihr wißt jetzt, wo er ist, und er kann sich nicht ewig dort verkriechen… Danke für deinen Anruf.“

(zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau am ca. 4.10. 2004)

„Back to you“ & „30 Rock“

14. Oktober 2007 Keine Kommentare

Zwei (mehr oder weniger) neue Sitcoms aus den USA spielen in einem Milieu, das ihre Produzenten in- und auswendig kennen: dem der Fernsehstationen. »Back To You« läuft seit September auf Fox, in der Hauptrolle: Kelsey »Frasier« Grammer als Chuck Darling. Darling ist ein News-Anchorman, dessen steile Karriere jäh von einem Wutausbruch vor laufender Kamera beendet wird, was ihn dazu zwingt, ein Angebot seines früheren Heimatsenders (»WURG 9«) anzunehmen. Zurück in der Provinz erwarten ihn ein überambitionierter Reporter, eine südamerikanische Wetterfee mit Hang zum Flittchentum, ein sehr junger und sehr dicker News Director sowie die nun zur Co-Moderatorin heruntergestufte Kelly Carr, mit der Darling vor Jahr und Tag nicht nur eine kurze Affäre hatte, sondern, wie sich in der ersten Episode herausstellt, infolgedesse auch eine gemeinsame Tochter hat – was aber in der Redaktion keiner wissen darf.

Eine solide Figurenkonstellation also für eine traditionelle Sitcom, und genau das haben die Produzenten daraus auch gemacht. Beinahe ein wenig zu altmodisch, kommen einem doch Rezept und Zutaten altvertraut vor: Genau aus dieser Mischung burlesker Situationen, die aus dem Zwang entstehen, amouröse Verbandelungen geheim halten zu müssen, und echter Konflikte, die die Figuren zu liebenswürdigen Charakteren werden lassen, haben die Produzenten Christopher Lloyd und Steven Levitan schon »Frasier« gebacken. Die erste Folge »Back To You«, in der die Auseinandersetzung zwischen Darling und Carr jäh ernst gerät, weil er seine Rechte als Vater wahrnehmen möchte, sie aber ihre Tochter nicht der Unsicherheit aussetzen möchte, genauso schnell wieder ohne Vater dazustehen, erinnert dann auch sehr an den Piloten von »Frasier«, in dem ein ebenso ernster Vater-Sohn-Konflikt das der Serie zugrundeliegende Dilemma etablierte, ohne daß die daraus resultierende Spannung unmittelbar durch Gags wieder zurückgenommen wurde. Eine gehäufter Löffel Emotion also, um für Tiefe zu sorgen – das kennt der aufmerksame Betrachter schon.

»30 Rock« ist da in jeder Hinsicht jünger. Der Titel »30 Rock« bezieht sich auf die Adresse 30 Rockefeller Plaza, die Adresse der New Yorker Studios von NBC, wo unter anderem »Saturday Night Live« produziert wird. Eben dort hat »30 Rock«-Autorin und Hauptdarstellerin Tina Fey, Jahrgang 1970, tatsächlich jahrelange Erfahrungen als Headwriter gesammelt, die sie nun in »30 Rock« anbringt. Da spielt sie Liz Lemon, die Chefautorin der »Girlie Show«, einer Sketchshow für ein weibliches Publikum, die stark an »Saturday Night Live« erinnert, und ist hauptsächlich damit beschäftigt, die Show gegen alle Fährnisse am Laufen zu halten. Das wird ihr von ihrem chaotischen Autorenteam, der zickigen Hauptdarstellerin und vor allem von ihrem neuen senderseitig Vorgesetzten Jack Donaghy (Alec Baldwin) schwergemacht. Donaghy ist ein ebenso kapitaler wie kapitalistischer Drecksack, der sich in alles einmischt und der Show zuallererst als neuen Star einen chaotischen Schwarzen a lá Chris Rock aufs Auge drückt, der dort hinpaßt wie die sprichwörtliche Spinne auf die Sahnetorte.

»30 Rock« ist dabei schnell und direkt, sowohl grellkomisch als auch satirisch, wenn es wahrhaft böse Kritik am durch und durch korrupten Fernsehbetrieb durchblitzen läßt, den es aber auch immer wieder feiert: »This is not HBO«, weist Liz einen Mitarbeiter zurecht, »it’s television.« Letzteres ist natürlich auch an den Zuschauer gerichtet, der ab und zu durch kleine komische Brüche auf den fiktionalen Charakter der Serie (wie allen Fernsehens) aufmerksam gemacht wird: Etwa wenn Donaghy verlangt, in der Sendung müsse Schleichwerbung zu sehen sein, Lemon und ihr Team das wütend ablehnen, im selben Moment aber begeistert über die Softdrinks reden, die sie in der Hand halten. Oder wenn jemand ermahnt wird, während eines Sketches nicht in die Kamera zu sehen, und der daraufhin in die Kamera sieht – aber nicht in die fiktionale Sketchkamera. Diese Brüche werden zum Glück aber so sparsam eingesetzt, daß sie immer eher eine komische als eine didaktische Absicht ahnen lassen.

Die zweite Staffel »30 Rock« hat in den USA gerade begonnen, und neben ihrer neuen Qualität generieren auch die zahlreichen Gaststars (von Conan O’Brien bis Jerry Seinfeld) der Show gerade die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Nach schwachen ersten Einschaltquoten scheint »30 Rock« sich nun, nachdem die Show bereits einen Emmy eingefahren hat, am Mittwochabend auf NBC neben »Scrubs«, »My Name Is Earl« und »The Office« zu etablieren; die erste Staffel erscheint wohl irgendwann auf DVD und sollte anschließend in keiner Sitcom-DVD-Sammlung fehlen.