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Artikel Tagged ‘Adrian Edmondson’

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12. Juni 2014 1 Kommentar

Dass dieses Blog gerade in einer Art Sommerschlaf ist, wird der eine oder andere Leser schon gemerkt haben. Das hat im Wesentlichen drei Gründe: zum einen bin ich seit Wochen jobmäßig ziemlich ausgelastet — viele, fast zu viele Projekte, die mich noch bis Mitte Juli in Atem halten werden. Zweiter Grund: ich habe das Gefühl, über Fernsehserien zu schreiben, ist nicht mehr der heiße Scheiß, der es vor ein paar Jahren noch war. Mittlerweile hat ja jeder seine drei Lieblingsserien aus den USA, die hierzulande keiner kennt, der sich nur aufs alte Fernsehen verlässt.

Und zum Dritten: tatsächlich gucke auch ich momentan fast ausschließlich US-Serien (na ja, was noch so nachzuholen ist, seit fast alles in die Sommerpause gegangen ist), und zwar nicht exklusiv Comedy. Eher weniger Comedy sogar. Britische Serien sind derzeit kaum auf meiner Liste; meine Vermutung wäre, es gibt derzeit auch nicht so viele neue, heiße Sachen von der Insel. Ich komme aber auch gar nicht dazu, danach zu suchen.

Darum in aller Kürze dies:

„Louie“ (FX, seit 2010) macht sich nicht mehr die Mühe, Comedy auch nur vorzutäuschen. Nachdem die neue Staffel, auf die man zwei Jahre warten musste, noch mit einigen guten Folgen begonnen hatte (in der dritten Folge sehr schön, wenn auch nicht brüllend komisch, sondern eher melancholisch: der lange Monolog von Sarah Baker als Kellnerin im Comedy-Club über die Demütigungen, denen übergewichtige Frauen beim Daten ausgesetzt sind), nach ein paar komischen Folgen also ist zwischenzeitlich die Luft doch sehr raus. Über vier, fünf Folgen erstrecken sich mittlerweile Handlungsbögen, die nicht mal zwei Folgen tragen — wie etwa Louies Romanze mit einer Ungarin, die kein Wort Englisch spricht. Oder, wie gerade in den letzten beiden Folgen, Kindheitserinnerungen Louies, die sich um seine kleinkriminelle Phase als dreizehnjähriger Kiffer drehen. Ich akzeptiere zwar, dass diese Folgen auch gut erzählt sind, aber, wie Stefan Gärtner gerne sagt: I mechat hoid lacha. Gerade wenn ich Sitcoms gucke. Drama alleine ist mir von Louis C.K. zu wenig. Den Verantwortlichen von FX offenbar auch, sonst hätten sie diese Staffel nicht in Doppelfolgen programmiert.

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Der überraschende Tod von Rik Mayall („The Young Ones“, „Bottom“) mit 56 Jahren ist traurig. Allerdings habe ich die Brachialcomedy ein bisschen zu spät entdeckt, die Mayall zusammen mit Ade Edmondson betrieben hat: die Slapstick-Gewalt der beiden ist zwar ein befreiend kindisches Vergnügen, und wer sieht zwei erwachsenen Männern nicht gerne dabei zu, wie sie sich gegenseitig Pfannen über die Köpfe schlagen, ins Auge pieken oder in die Eier treten. Aber die ganze anarchische Wucht, mit der diese Vorreiter der alternative comedy frischen Wind in den patriarchalen, tendenziell frauen- und schwulenfeindlichen Comedy Circus der späten Siebziger und frühen Achtziger gebracht haben, hat sich wohl am meisten denen erschlossen, die auch dabei waren. Wäre ich schon als Zehnjähriger vor dem Fernseher gesessen, als Mayall, Edmondson und die restliche Bande auf die Comedybühne stolperten: ich wäre wohl noch einiges bestürzter über das Ableben Mayalls.

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Von allen Kinofilmen, die gerade als Fernsehserien reanimiert werden, gefiel mir bislang „Fargo“ (FX, 2014) am Besten. Zu Beginn hatte ich zwar meine Zweifel, dass ausgerechnet der äußerst englische Martin Freeman („The Office“) in der Hauptrolle als Hillbilly in Minnesota funktionieren würde, aber die haben sich schnell verflüchtigt. Zu dicht ist die Atmosphäre, zu gut das Zusammenspiel mit Billy Bob Thornton und Allison Tolman, zu schön die Geschichte, die zum Glück nicht die gleiche wie im gleichnamigen Film der Coen-Brüder von 1996 ist, sondern nur in ihrem Geiste dem Film nachempfunden. „Fargo“ schlägt mittlerweile „From Dusk Till Dawn“ (Netflix, 2014) um Längen, das ich zu Beginn beider Serien als stärker empfunden habe. Aber Robert Rodriguez macht sich nicht die Mühe, eine andere Geschichte als die seiner Coproduktion mit Quentin Tarantino zu erzählen, und leider geht darum im letzten Drittel nicht mehr so recht viel voran.

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Nach zwei Folgen „Last Week Tonight With John Oliver“ (HBO, 2014) bin ich von dem neuen news satire-Format noch nicht ganz überzeugt, das die Macher dem vorübergehenden Jon-Stewart-Ersatz Oliver auf den Leib geschrieben haben. Zu sehr erscheint es mir als Rückfall hinter die „Daily Show“ und den „Colbert Report“ (beide Comedy Central), und zu bemüht in den Abweichungen von diesen beiden Vorbildern. Bei „Last Week Tonight“ (wie der Name schon sagt nur einmal die Woche auf dem Sender) ist es ausschließlich Oliver, der eine knappe halbe Stunde Monolog tragen muss, was schon eine ziemliche Strecke ist; Gäste schienen (von Right Said Fred als Musikact mal abgesehen) in den beiden Folgen, die ich gesehen habe, nicht stattzufinden. Dafür sind die Macher von „Last Week Tonight“ ambitionierter; einen viertelstündigen Monolog über Netzneutralität etwa (bei dem sich Visualisierungen, im Fernsehen manchmal ja nötig, nicht direkt aufdrängen) fand ich herausragend. Hier ist er:

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Zuguterletzt war ich angenehm überrascht von Tom Cruise‘ „Edge of Tomorrow“, der (vielleicht weil ich nichts erwartet hatte) nicht nur besser war als vermutet, sondern zwischendurch sogar richtig komisch: wie da die Comedy aus „Groundhog Day“ in ein Actionspektakel mit Aliens transportiert wurde, war schon sehr schön, und dass die ganze D-Day-Anmutung kein Kommentar zur jüngst allgegenwärtigen Fernsehberichterstattung zum Jahrestag der US-Landung in der Normandie gewesen sein soll, kann ich mir fast nicht vorstellen. Und so habe ich sehr darüber gelacht, wie Cruise immer und immer wieder von England aus an der französischen Küste zu landen versuchte, gegen unmenschliche Monster technisch absolut unterlegen — es war, als hätte ich in ein bizarres N24-Programm aus der Zukunft gezappt …

Peng! Ptaff! Dong! Zack! Patschpatschpatsch! Klonk!

29. September 2011 2 Kommentare

Über die letzten Abende habe ich, im Anschluß an ein paar Benny Hill-Shows, die alten „Bottom“-DVDs rausgeholt, weil mir Ade Edmondson und Rik Mayall die legitimen Enkel des Slapstick-Großmeisters Hill schienen. „Bottom“ (BBC2, 1991 – ’95) war die Fortsetzung der „Young Ones“ (BBC2, 1982 – ’84) mit anderen Mitteln — nämlich mit noch gewalttätigeren, noch alberneren, noch pubertäreren. Schon bei Benny Hill waren stets die lustigsten Szenen die, in denen auf Henry McGees Glatze herumgepatscht wurde, aber Edmondson und Mayall haben die fein durchchoreographierten Kämpfchen unter Freunden auf eine neue Stufe gebracht.

Es ist glaube ich ein sehr alter Teil unseres Gehirns, der Gewalttätigkeit dieser Sorte lustig findet (und es ist sehr leicht, den jüngeren Teilen unseres  Gehirns den Vortritt zu lassen und zu sagen: Oh, DAS findest DU also lustig?). Soziologisch betrachtet stammt die Bereitschaft, über den Schaden Dritter zu lachen (weil man selbst heil davongekommen ist?), vermutlich aus bäurisch geprägten Zeiten und Gesellschaften: So wie man im Mittelalter während des Karnevals ungestraft mit Scheiße werfen und sich über die Getroffenen kaputtlachen konnte, so lacht z.B. der Chinese heute noch gerne mal, wenn er jemanden vom Fahrrad fallen sieht oder eine Langnase; am meisten vermutlich, wenn eine Langnase vom Fahrrad fällt. Dann bleibt er stehen, der Chines, gafft ganz ungeniert — und lacht und lacht und lacht.

Wir eher städtisch geprägten Mitteleuropäer tun das nicht, in der Regel jedenfalls nicht. Wir sehen eher diskret zur Seite und gehen vorbei oder fragen gar, ob wir helfen können. (Ich z.B. lache nur über behelmte und sonnenbebrillte Alphamännchen, die den Isaruferweg für einen Wald halten und mit ihrem Mountainbike so rücksichtslos rumrasen, daß es sie irgendwann auf die Fresse legt. Da lache ich allerdings. Und wie!) Aber sobald Gewalttätigkeit nicht wirklich ist, sondern gespielt, gefilmt und im TV zu sehen, oder auch nur im Kasperletheater, gehört sie zu den ältesten Vergnügen der Welt. (Nebenbei: Selbst wenn sich Menschen wirklich oder zumindest potentiell wehtun, lacht man sich ja auf eine beinah beängstigende Weise kaputt, siehe „America’s Funniest Home Videos“.)

Vielleicht haben die ewigen Nachrichten von Kriegen, Bürgerkriegen, blutig niedergeschlagenen Aufständen, Hungersnöten und was nicht alles ja den Spaß an der reinen Gewalt für alle ein bißchen ruiniert. Möglicherweise ist zeitgenössische Comedy deswegen so blutleer, weil heute die Gewalt (plus Sex und Drogen) hinter den Kulissen stattfindet und vor den Kulissen die familienfreundliche gequirlte Kacke (naming no names, Charlie Sheen!). Andererseits war Slapstick vermutlich schon immer (und insbesondere für Kinder) eine Möglichkeit, mit realer Gewalt in der Welt zurechtzukommen, indem man sie sich aneignet und ihr so die Bedrohlichkeit nimmt, wie Kinder eben auch gerne mit Spielzeugwaffen spielen.

Keine Ahnung. Ich jedenfalls will gerne mehr Gewalt im Fernsehen sehen. Gewalt gegen Omas, Kinder und flauschige Tiere! Es muß viel mehr geprügelt, geschlägert, verdroschen, mit Pfannen auf den Kopf gehauen werden! Jetzt sofort!!

Comedy Landmarks (4): Staverton Station

10. August 2010 5 Kommentare

1982 änderten sich die Zeichen, unter denen bis dahin Comedy im britischen Fernsehen stattgefunden hatte. Ein neuer, „alternativer“ Fernsehkanal, Channel 4, machte den drei alteingesessenen, BBC1, BBC2 und ITV, ab November Konkurrenz, und eine junge Gruppe von Comedians fand sich zusammen, um gegen das Comedy-Establishment anzutreten, das sie für konservativ, tendenziell rassistisch und minderheitenfeindlich hielten. „The Young Ones“ (BBC2, 1982) von Ben Elton steht heute stellvertretend für die alternative Comedy — und war, so anarchisch-grell, wie die „Young Ones“ daherkamen, vermutlich auch das komischste, was die alternative Comedy-Bewegung hervorgebracht hat; ansonsten litt die Komik ja doch ein bißchen an der selbstverordneten politischen Korrektheit ihrer Macher.

Diesmal gleich zu Beginn: Icke vor historischer Kulisse

Sieben Tage jedoch, bevor „The Young Ones“ debütierten, lief am ersten Sende-Abend von Channel 4 die erste Folge einer anderen Comedy-Reihe, die den eigentlichen Startschuß für die alternative Comedy lieferte: „The Comic Strip Presents: Five Go Mad in Dorset“. In dieser halbstündigen „Fünf Freunde“-Parodie trafen erstmals etliche spätere Stars der Bewegung aufeinander: Dawn French und Jennifer Saunders hatten ihren allerersten Fernsehauftritt, mit von der Partie waren Adrian Edmondson und Robbie Coltrane, letzterer ebenfalls in seinem ersten TV-Auftritt. The Comic Strip begriff sich als Comedy-Kollektiv, dazu gehörten Rik Mayall, Nigel Planner und Peter Richardson; „The Comic Strip Presents…“ lief in fünf Staffeln bis 1993, etliche Specials nicht mitgezählt.

Staverton Station in der Nähe von Totnes, Devon

Die erste Szene der ersten Folge „The Comic Strip Presents…“, die am ersten Abend von Channel 4 lief, und jetzt komme ich langsam mal zum Punkt: wurde gedreht in Staverton Station. Hier kommen die Freunde in der Provinz an, um mit einer ziemlich elitären, um nicht zu sagen: schwer konservativen Attitüde vermeintlich sinistren Gestalten nachzuspüren, die sich später als zwar homosexuell (Onkel Quentin!), aber nicht kriminell herausstellen. Was die fünf Freundchen nicht davon abhält, sie der Polizei zu übergeben.

Wenn man diese Folge heute sieht, wundert man sich schon ziemlich — nicht nur darüber, daß sie damals zu einem kleinen Aufschrei unter den Fans der „Fünf Freunde“ führte (obwohl die Enid-Blyton-Gesellschaft sie vorher abgesegnet hatte), sondern auch, daß sie als der Beginn einer Comedy-Revolution gilt. Denn für heutige Sehgewohnheiten ist das natürlich alles sehr langsam, beinah zäh, und über weite Strecken auch nicht besonders komisch. Manche Gags sieht man überhaupt nur, wenn man um ihre Existenz weiß: In einer Szene etwa, die am Teetisch der Tante spielt, wo die fünf Freunde untergekommen sind, sieht man in jeder einzelnen Einstellung eine blaue Ginflasche. Das heißt: man sieht sie — aber nur, wenn man schon weiß, daß sie da ist, sonst geht dieser visuelle Scherz leider völlig unter.

Wirkt ein bißchen wie eine zu groß geratene Modelleisenbahnanlage...

Daß die einspurige und nicht elektrifizierte Eisenbahnstation noch immer genau so aussieht wie vor 28 Jahren, nämlich bilderbuchhaft schön, hat einen einfachen Grund: Sie gehört nicht zum regulären Eisenbahnnetz, sondern ist quasi museal. Am Wochenende, bevor wir dort hin kamen, hatte ein 40er-Jahre-Event stattgefunden, mit Loks und Waggons dieser Zeit, Uniformen und allem, was dazugehört. Täglich kann man an Fahrten mit historischen Zügen teilnehmen. Ein gerahmter Aushang vermerkt alle Film- und Fernseh-Dreharbeiten, die auf Staverton Station bislang stattgefunden haben: Eine ganze Menge. Angefangen von Peter Cushing und „The Hound of the Baskervilles“ über Michael Palins „Ripping Yarns“ bis hin zu den „Tripods“, einer Sci-Fi-Kinderserie, die ich mit 14 als sehr verstörend empfunden habe, beim Wiedersehen neulich allerdings eher als billig und sensationell schlecht gespielt.

Auf einem Abstellgleis stehen einige historische Waggons

Das bemerkenswerteste an Staverton Station aber: der Bahnhofsvorsteher, der mit imposantem Bart und Taschenuhr in der Hand alle fünf Minuten den Bahnsteig auf und ab geschritten ist, als käme gleich königlicher (oder zumindst hochadeliger) Besuch. Wie mir überhaupt noch mehrmals aufgefallen ist, wie viele erwachsene Männer in England einen Eisenbahnfetisch haben und sich mit größter Ernsthaftigkeit damit beschäftigen können, den ganzen Tag extra gebaute Schmalspur-Dampfloks zu fahren, Gleisanlagen zu pflegen, alte Dieselaggregate am Laufen zu halten — oder eben Bahnhofsvorstand zu spielen. Toll.