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Artikel Tagged ‘Alison Steadman’

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 9

14. Oktober 2009 8 Kommentare

Eines meiner Hauptkriterien dieser Britcom-Top 10 des ausgehenden Jahrzehnts ist, das erwähnte ich schon bei Platz 10 („Black Books“), die leichte Zugänglichkeit von Serien. Das bedeutet: Das Verhältnis von Dialogwitz und visual gags muß stimmen, die Geschichte muß ein gewisses Tempo haben und sollte in einem Setting stattfinden, das uns Kontinentbewohnern auch ohne intime Kenntnisse der britischen Kultur zugänglich ist.

Platz 9 meiner Charts entspricht allen diesen Kriterien auf das Hervorragendste und erschien deshalb offenbar auch hiesigen Fernsehschaffenden so anschlußfähig, daß sie eine deutsche Version davon drehten. Die war nicht wirklich gut, hielt sich aber immerhin weitgehend an die Vorlage und war deshalb auch nicht ganz schlecht. Die Rede ist von

Platz 9: „The Worst Week of My Life“ (2004 – 06, BBC1)topten09

Die letzten sieben Tage vor der Hochzeit von Mel (Sarah Alexander) und Howard (Ben Miller) entwickeln sich zur reinen Katastrophe: Was schiefgehen kann, geht schief. Das beginnt bei kleineren Mißgeschicken — dem Ehering, der ins Waschbecken fällt — und endet damit, daß der Hund der Schwiegereltern tot ist, ihr Auto kaputt, die Oma im Krankenhaus und das Haus mit Haßparolen beschmiert. Howard, Sohn eines Klempners, hat von Anfang an bei den snobistischen Eltern seiner Zukünftigen keinen leichten Stand. Aber dadurch, daß er immer verzweifelter versucht, doch noch alles ins Lot zu bringen, indem er lügt, hinhält, vertuscht, was nur geht, macht er Zug um Zug alles immer noch schlimmer: Mit jeder Folge, die je einen Tag der Woche erzählt und meist mit einem hübschen Cliffhanger endet, wird das Chaos größer, liegen die Nerven blanker. Howards einziges und großes Glück ist, daß seine Frau ihn wirklich liebt und zu ihm hält. Doch auch ihre Leidensfähigkeit hat Grenzen.

„The Worst Week of My Life“ hat alle Zutaten einer klassischen Farce: Unwahrscheinliche Zufälle, sprachlichen Witz und ein rasantes Tempo, das sich immer noch steigert. Die Slapstickmomente sind erfrischen gewalttätig, werden aber durch den betont klassischen Sitcom-Rahmen (eine Kamera, kein laugh track) aufgehoben. Infolgedessen gibt es zwar höchst peinliche cringe comedy-Momente, sie sind aber nie so schmerzhaft, so schneidend böse sind wie etwa bei „The Office“, sondern immer burlesk-komisch. „The Worst Week“ ist also familienkompatibel, einerseits, schafft es aber andererseits, innerhalb dieser Harmlosigkeit erschütternd komische Übertreibungen einzubauen, die mich hin und wieder zum Japsen gebracht haben vor Vergnügen.

Auch diese Britcom, wie schon „Black Books“, ist für britische Verhältnisse eher warm, weil zumindest die unverbrüchliche Liebe zwischen Mel und Howard für emotionale Akzente sorgt, die in schwärzeren Britcoms generell fehlen. Unter anderem deswegen dürfte es auch für den amerikanischen Markt adaptiert worden sein. Der bevorzugt ja, ähnlich wie der deutsche, Sitcoms, die unter aller Komik einen Boden der Freundschaft/Familie einziehen, der Sicherheit gibt und gewährleistet, daß niemand alleine bleibt — friends will be there for you. So verlogen ich das finde, und so sehr ich die kalten Britcoms bevorzuge, in denen die Figuren wissen, daß alles Arsch ist und keine Familienbande stark genug sind, einen in einer kalten Welt voller Arschlöcher zu trösten: Für „The Worst Week of My Life“ mache ich eine Ausnahme.

Auf zwei Staffeln hat es „Worst Week“ gebracht, in der zweiten geht es um die letzte Woche vor Mels Niederkunft, plus ein mehrteiliges Weihnachts-Special („The Worst Christmas…“); da das Rezept aber je das gleiche war, ist die erste Staffel die bessere, weil überraschendere, ohne daß die Fortsetzungen aber wirklich schlechter wären. Dafür sorgt neben den Drehbüchern von Mark Bussell und Justin Sbresni in erster Linie der hochkarätige Cast, neben Miller („Moving Wallpaper“) und Alexander („Coupling“, „Green Wing“) vor allem die liebenswürdige Alison Steadman („Gavin & Stacey“) und Geoffrey Whitehead als Howards Schwiegereltern.

Die wichtigsten Britcom-DVDs 2007

1. Dezember 2007 3 Kommentare

Schon eine Weile her, daß dieser Text erschienen ist: Nämlich ein gutes Jahr. An der Relevanz hat sich aber nichts geändert, darum hier nur leicht aktualisiert: Vier Mini-Rezensionen vier exzellenter Britcoms.

Gavin & Stacey

Absolut weihnachtskompatibel: Die Boy-meets-Girl-Sitcom um zwei Mittzwanzigjährige, die sich nach vielen jobbedingten Telefonaten ineinander verlieben, ohne den anderen je gesehen zu haben. Er lebt in Essex, sie im provinziellen Wales, wohin er ihr nach einem turbulenten gemeinsamen Wochenende in London folgt; am Ende wird geheiratet. Natürlich nicht ohne einige Konflikte zwischen Freunden und Familien.

Nicht übermäßig dicht an Lachern, dafür atmosphärisch warm ist diese Produktion aus Steve Coogans Comedyschmiede Baby Cow, in der neben der Comedy-Neuentdeckung Mathew Horne Altstars wie Rob Brydon („Human Remains“) und Alison Steadman („The Worst Week Of My Life“) mitspielen. Ein feiner Soundtrack rundet das ganze zur Feelgood-Britcom des Jahres ab, von der 2008 eine zweite, ebenso gute Staffel auf DVD erschienen ist.

The IT Crowd – Version 1.0 & Version 2.0

Was für Nerds: Die ersten beiden Staffeln der Abenteuer von Roy und Moss, zwei typischen Systemadministratoren, und ihrer neuen Vorgesetzten Jen, die von Computern keine Ahnung hat. Alle drei fristen ein Leben am unteren Ende der sozialen Leiter im Rumpelkeller von Reynholm Industries, wo jeder Anruf mit der Frage „Have you tried turn it off and on again?“ beginnt – und nicht selten auch schon endet.

Die geteilten Meinungen, auf die „The IT Crowd“ in England stieß, dürften nicht zuletzt Folge der hohen Erwartungen an die Serie gewesen sein, schließlich mißt man dort Autor und Regisseur Graham Linehan ebenso an seinem sagenhaften Erfolg mit „Father Ted“ wie den Produzenten Ash Atalla an seinem mit „The Office“. Da ist schwer heranzukommen, aber diese Old-School-Sitcom mit Publikum und klassischer Drei-Kamera-Bühnensituation gibt sich alle Mühe. Eine US-Adaption ist in Vorbereitung, in England läuft nächstes Jahr die dritte Staffel – die ersten beiden sind zumindest für ITler hierzulande schon beinahe Pflicht.

Father Ted – The Definitive Collection

Apropos „Father Ted“: Die gerade erschienene „Definitive Collection“ ist zumindst für alle, die noch nichts von „Father Ted“ besitzen, ein absolutes must have. Gar nicht mal wegen der überwältigenden Fülle von neuem Bonusmaterial, sondern einfach weil „Father Ted“ eine der besten englischen Sitcoms der Neunziger ist. Punktum. Kleiner Tip für Liebhaber, die gar nicht genug bekommen können: Neu auf dem Markt ist ebenfalls gerade die Aufzeichnung eines Stand-Up-Auftritts von Ardal „Father Dougal“ O’Hanlon: „Live in Dublin.“

Lead Balloon

Es dauert ein, zwei Folgen, bis man sich mit der Figur des lebensüberdrüssigen Stand-Up-Comedians Rick Spleen anfreundet, dann aber schließt man den meist sauertöpfischen Komiker ins Herz, der in dieser düsteren Sitcom mit seinem besten Freund und Co-Autor über Gott und die Welt palavert und regelmäßig in Schwierigkeiten kommt, wenn er etwa erklären muß, wie sämtliche Teelöffel seines Stammcafés bei ihm zuhause gelandet sind.

Wer sich angesichts dieses Settings entfernt an „Curb Your Enthusiasm“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch; Jack Dee, der „Lead Balloon“ als Autor und Hauptdarsteller zwar ebenfalls recht autobiographisch angelegt hat, ist aber weit davon entfernt, Larry David kopieren zu wollen. Von dessen Erfolgen kann er, der regelmäßig fremde Witze als seine eigenen ausgibt, ohnehin nur träumen. Die Serie aber ist mit dem gebührenden Erfolg gesegnet und mittlerweile in die dritte Runde gegangen – auch die zweite Staffel ist mitterweile auf DVD zu besichtigen.

(zuerst erschienen in einem Humorkritik Extra in TITANIC 12/2007)