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Artikel Tagged ‘Ash Atalla’

Great Piss!

24. März 2013 2 Kommentare

Seit sie in „Lead Balloon“ (BBC4/BBC2, 2005 – 2011) die osteuropäische Haushaltshilfe Magda spielte, ist ihr Name ein Begriff, obwohl sie ansonsten gar nicht so häufig im Fernsehen war. Jetzt hat Anna Crilly zusammen mit Katy Wix („Not Going Out“, BBC1 seit 2006) eine eigene Sketch-Show: „Anna & Katy“ (Channel 4, seit 6. März). Die besticht vor allem durch liebevoll gemachte TV-Pastiches und einen ganz eigenen, schön albernen Tonfall.

Es sind keine Parodien auf konrete Fernsehshows, die Crilly und Wix abfeuern, sondern ihre höchst eigenwilligen Interpretationen gängiger Formate: von der Kochshow, in der ausschließlich Reis gekocht wird („Rice Britania“), über Chartshows („World’s Worst Words“), in denen X- und Y-Prominenz Statements abgeben dürfen, bis hin zu Soaps, die von Schleichwerbung gezeichnet sind („The Lane“). Authentisch inszeniert (von „The Office“-Produzenten Ash Atalla und seiner Produktionsfirma Roughcut TV) und mit einem hervorragenden Cast (in dem unter anderem „Not Going Out“-Star Lee Mack mitspielt) und etlichen Promi-Cameos macht „Anna & Katy“ einen prima Eindruck — auch wenn einige Sketche zu lang geraten und hin und wieder etwas zu absurd werden.

Das machen die gelungenen Sketche aber mehr als wett: Etwa die „Ignition“-Reihe, in der die drei Betreiber einer kleinen Autowaschanlage nicht dazu kommen, Autos zu waschen, weil sie permanente Mitarbeiter-Meetings haben, in denen sie sich in schönster „Apprentice“-Nullsprache Wirtschafts- und Motivationsgeschwätz um die Ohren hauen („There is no ‚U‘ in ‚Grop'“). Oder die Dokusoap über Beamtinnen im Polizeialltag, die unerklärter-, aber sehr lustigerweise überlange Arme haben.

Höhepunkt jeder Folge aber (für mich) ist die immer neue Parodie englischer als „deutsche“ Shows („mit Hosten Gretel Hubschrauberlandeplatz“). Man stelle sich ungefähr die „Channel 9“-Sketche der „Fast Show“ vor, ohne die „Fast Show“-typischen, immer wiederkehrenden Catchphrases, aber mit einer sehr lustigen Pigeon-Fäkalsprache („Great Piss!“), die… ach was soll ich das hier lange beschreiben, es gibt ja eine Folge bei YouTube: „Küntworts“, angelehnt an die britische Show „Countdown“. Und auch „World’s Worst Words“ ist online. Hier im Blog einbetten lässt Channel 4 mich aber nur den Trailer:

Wenn Anna Crilly und Katy Wix auf diesem Niveau weitermachen, könnten sie in absehbarer Zeit zu einem neuen weiblichen Double Act werden, auf den man zählen kann; ohne sie jetzt mit dem schlimmen Label der „neuen French & Saunders“ bekleben zu wollen. Einziger Wunsch meinerseits: Crilly könnte die „lustigen Akzente“ noch ein bisschen runterschrauben, mit denen viele Sketche gepimpt werden. Auch wenn sie mit einem solchen lustigen Akzent bei „Lead Balloon“ erst zu der lustigsten Nebenfigur der Show geworden ist, und obwohl Anna und Katy tatsächlich eine heimliche Vorliebe für Deutschland zu haben scheinen. Die Titelmelodie ist jedenfalls von der Berliner Band Stereo Total.

„Ideal“ abgesetzt, Golden Globes ohne Gervais, neue Sky-Sitcoms

4. August 2011 5 Kommentare

Nach sieben Jahren und ebensovielen Staffeln setzt BBC3 die Kiffer-Sitcom „Ideal“ mit Johnny Vegas als Kleindealer ab. Obwohl die Einschaltquoten höher sind denn je, hat der neue BBC3-Controller Zai Bennett, wie neue Chefs das halt so machen, fast alle Comedies abgesetzt, die seine Vorgänger installiert hatten. Nur „Mongrels“ und „Russell Howard’s Good News“ werden weiterlaufen. Autor Graham Duff, selbst in der Show als Graham Brian zu sehen, dankt den Fans weltweit — „Ideal“ wird mittlerweile in den USA und selbst in Finnland ausgestrahlt — und ist gleichermaßen stolz und frustriert, daß seine Show zu einem Zeitpunkt abgesetzt wird, an dem sie die besten Kritiken, die profiliertesten Gaststars und die meisten Zuschauer hat. „Ideal“ stammt aus der Produktionsfirma Baby Cow von Steve Coogan und Henry Normal.

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Ricky Gervais will nicht noch einmal die Golden Globes moderieren, berichtet die Sun. Er habe es jetzt zweimal getan und werde es wahrscheinlich dabei belassen. Außerdem verteidigt er sich abermals gegen Kritiker, die ihm seine Scherze während der letzten Globes-Zeremonie immer noch nachtragen: „I didn’t do anything wrong. I was poking fun at a room full of people who pretend to be someone else all day. It wasn’t a room which was full of wounded soldiers. These are Hollywood actors!“

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Sky1 hat einige neue Sitcoms auf dem Zettel: „The Cafe“ mit Ralf Little („Royle Family“) wird, Überraschung, in einem Café in Weston-Super-Mare (Somerset) spielen; „Mount Pleasant“ aus der Produktionsschmiede Tiger Aspect („Benidorm“) soll ein ComedyDrama mit etlichen semiprominenten Schauspielern aus „Shameless“, „Skins“, „Teachers“ und „Peep Show“ werden. „Trollied“ schließlich (Premiere heute abend) stammt aus der Feder von Julie Rutterford („Shameless“, „Life on Mars“) und ist evtl. als Vehikel für Jane Horrocks gedacht, die dem einen oder anderen noch als nervtötend dämliche Persönliche Assistentin Bubble aus „Absolutely Fabulous“ bekannt sein könnte. Mit von der Partie sein wird Jason Watkins („Being Human“), produziert hat das ganze Ash Atalla, der schon „The Office“ und einige Folgen „The IT Crowd“ in seinem Lebenslauf stehen hat. Hier ein Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=NWF0jJc2DOM?version=3&hl=de_DE

Behinderte Witze

„Are You Having a Laugh?“ fragt die BBC heute abend in einer Dokumentation mit dem Untertitel „Disability and TV“, und ich freue mich schon auf die Antwort. Mit Witzen über Behinderte ist es ja so eine Sache: Zuerst brauchte man noch eine moralische Begründung, um über Behinderte Witze machen zu dürfen — etwa über Goebbels Klumpfuß die, daß Goebbels selbst Anhänger und v.a. -führer einer Idiotengemeinschaft war, die sich für auch genetisch überlegen hielt. Dann durfte in erster Linie Behinderte selbst Witze über Behinderte machen — in TITANIC beispielsweise der amerikanische Cartoonist John Callahan, der oft als behindertenfeindlich beschimpft wurde und sich diebisch darüber freute, als Erwiderung seine eigene Behinderung ins Feld führen zu können. (Er hat eine schöne Biographie darüber geschrieben, wie er zum Alkoholiker wurde und im Suff einen Laternenpfosten mit einer Autobahnausfahrt verwechselte.) Mittlerweile hat sich (unter Humorprofis) weitgehend die Auffassung durchgesetzt, daß auch Behinderte ein Recht darauf haben, verarscht zu werden. Und darauf wird ja auch die neue Serie von Ricky Gervais hinauslaufen: „Life’s Too Short“ mit Warwick Davis.

Hier schon mal ein Ausschnitt mit Stephen Merchant aus der Dokumentation; mit von der Partie sein wird auch Ash Atalla, der u.a. „The Office“ und „The IT Crowd“ produziert (hat) und selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Die wichtigsten Britcom-DVDs 2007

1. Dezember 2007 3 Kommentare

Schon eine Weile her, daß dieser Text erschienen ist: Nämlich ein gutes Jahr. An der Relevanz hat sich aber nichts geändert, darum hier nur leicht aktualisiert: Vier Mini-Rezensionen vier exzellenter Britcoms.

Gavin & Stacey

Absolut weihnachtskompatibel: Die Boy-meets-Girl-Sitcom um zwei Mittzwanzigjährige, die sich nach vielen jobbedingten Telefonaten ineinander verlieben, ohne den anderen je gesehen zu haben. Er lebt in Essex, sie im provinziellen Wales, wohin er ihr nach einem turbulenten gemeinsamen Wochenende in London folgt; am Ende wird geheiratet. Natürlich nicht ohne einige Konflikte zwischen Freunden und Familien.

Nicht übermäßig dicht an Lachern, dafür atmosphärisch warm ist diese Produktion aus Steve Coogans Comedyschmiede Baby Cow, in der neben der Comedy-Neuentdeckung Mathew Horne Altstars wie Rob Brydon („Human Remains“) und Alison Steadman („The Worst Week Of My Life“) mitspielen. Ein feiner Soundtrack rundet das ganze zur Feelgood-Britcom des Jahres ab, von der 2008 eine zweite, ebenso gute Staffel auf DVD erschienen ist.

The IT Crowd – Version 1.0 & Version 2.0

Was für Nerds: Die ersten beiden Staffeln der Abenteuer von Roy und Moss, zwei typischen Systemadministratoren, und ihrer neuen Vorgesetzten Jen, die von Computern keine Ahnung hat. Alle drei fristen ein Leben am unteren Ende der sozialen Leiter im Rumpelkeller von Reynholm Industries, wo jeder Anruf mit der Frage „Have you tried turn it off and on again?“ beginnt – und nicht selten auch schon endet.

Die geteilten Meinungen, auf die „The IT Crowd“ in England stieß, dürften nicht zuletzt Folge der hohen Erwartungen an die Serie gewesen sein, schließlich mißt man dort Autor und Regisseur Graham Linehan ebenso an seinem sagenhaften Erfolg mit „Father Ted“ wie den Produzenten Ash Atalla an seinem mit „The Office“. Da ist schwer heranzukommen, aber diese Old-School-Sitcom mit Publikum und klassischer Drei-Kamera-Bühnensituation gibt sich alle Mühe. Eine US-Adaption ist in Vorbereitung, in England läuft nächstes Jahr die dritte Staffel – die ersten beiden sind zumindest für ITler hierzulande schon beinahe Pflicht.

Father Ted – The Definitive Collection

Apropos „Father Ted“: Die gerade erschienene „Definitive Collection“ ist zumindst für alle, die noch nichts von „Father Ted“ besitzen, ein absolutes must have. Gar nicht mal wegen der überwältigenden Fülle von neuem Bonusmaterial, sondern einfach weil „Father Ted“ eine der besten englischen Sitcoms der Neunziger ist. Punktum. Kleiner Tip für Liebhaber, die gar nicht genug bekommen können: Neu auf dem Markt ist ebenfalls gerade die Aufzeichnung eines Stand-Up-Auftritts von Ardal „Father Dougal“ O’Hanlon: „Live in Dublin.“

Lead Balloon

Es dauert ein, zwei Folgen, bis man sich mit der Figur des lebensüberdrüssigen Stand-Up-Comedians Rick Spleen anfreundet, dann aber schließt man den meist sauertöpfischen Komiker ins Herz, der in dieser düsteren Sitcom mit seinem besten Freund und Co-Autor über Gott und die Welt palavert und regelmäßig in Schwierigkeiten kommt, wenn er etwa erklären muß, wie sämtliche Teelöffel seines Stammcafés bei ihm zuhause gelandet sind.

Wer sich angesichts dieses Settings entfernt an „Curb Your Enthusiasm“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch; Jack Dee, der „Lead Balloon“ als Autor und Hauptdarsteller zwar ebenfalls recht autobiographisch angelegt hat, ist aber weit davon entfernt, Larry David kopieren zu wollen. Von dessen Erfolgen kann er, der regelmäßig fremde Witze als seine eigenen ausgibt, ohnehin nur träumen. Die Serie aber ist mit dem gebührenden Erfolg gesegnet und mittlerweile in die dritte Runde gegangen – auch die zweite Staffel ist mitterweile auf DVD zu besichtigen.

(zuerst erschienen in einem Humorkritik Extra in TITANIC 12/2007)