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Die Weihnachts-Specials 2011

29. Dezember 2011 Keine Kommentare

Es soll ja „The Office“-Gucker geben, die sich ausgerechnet den letzten zwei Specials, den Weihnachts-Folgen der Show, verweigern. Eine fatale Fehlentscheidung, weil es natürlich genau diese zwei Folgen sind, die die Serie abschließen, sie zu einem unerwarteten Happy End bringen und den Figuren mehr Tiefe geben, indem sie sie außerhalb ihres gewohnten Kosmos, ihrer comfort zone zeigen. Das ist die quasi magische Kraft der Weihnachts-Folgen, und darum werden diese Folgen von den fernsehsüchtigen Briten auch so sehnlich erwartet.

Dieses Jahr waren es Specials von „Absolutely Fabulous“, „How Not to Live Your Life“ und „Outnumbered“, jedenfalls was das Comedy-Genre anging; „Dr Who“ verfolge ich nicht, und über das „Downton Abbey“-Special will ich nur verraten, daß die Frau schon seit Wochen nur beim Gedanken daran heller strahlte als jeder Weihnachtsbaum — und auch tatsächlich nicht enttäuscht wurde: 90 Minuten Historienschinken vom Feinsten, mit großem Drama, mehreren kleinen und einem großen Happy End, das… aber psst.

https://www.youtube.com/watch?v=I3lLLRtnFEo?version=3&hl=de_DE

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Das „Absolutely Fabulous“-Special „Identity“ (BBC1) dagegen war weniger ein One-Off als der Auftakt zu insgesamt drei Specials: Das nächste wird Neujahr zu sehen sein, das dritte irgendwann, vermutlich im Rahmen der Olympischen Spiele. Kaum zu glauben, daß die erste Folge „Ab Fab“ zwanzig Jahre her ist: Weder Jennifer „Edina“ Saunders noch Joanna „Patsy“ Lumley scheinen ernsthaft gealtert zu sein (Julia Sawallha als Tochter Saffron und Jane Horrocks als Assistentin Bubble dagegen schon); und selbst wenn, hätte es dem „Ab Fab“-Grundgedanken nicht geschadet, denn der besteht ja gerade darin, daß die Mutter-Tochter-Rollen quasi vertauscht sind, die Älteren nicht erwachsen werden können und wollen und die Jüngere nie jung war, sondern immer spießig. Und so ist es um so komischer, wenn Patsy Joint um Joint aus ihrer toupierten Frisur herausklaubt und vorher Edina sich im Bentley durch Brixton („meine alte Hood!“) zum Gefängnis chauffieren läßt, das Fenster runterkurbelt und ihren Chauffeur anweist, etwas Dubstep zu spielen.

Entlassen wird dort aber nicht, wie man aufgrund ihrer Drogenaffinität erwarten könnte, Patsy, sondern Saffron, die offenbar Personalausweise für illegale Immigranten gefälscht hat und zwei Jahre einsaß: Ein guter Vorwand, um die Ereignisse der letzten Jahre (das letzte „Ab Fab“-Special ist über fünf Jahre her) Revue passieren lassen zu können, die Saffron im Knast verpaßt hat. Und ein ebenso lustiger Aufhänger, Patsys Luxusdrogenkonsum thematisieren zu können, denn Saffrons beste Knast-Freundin Baron (Lucy Montgomery, „The Armstrong and Miller Show“) erkennt ihre ehemalige Kundin Patsy wieder, von der sie noch 50 000 Pfund zu kriegen hat…

https://www.youtube.com/watch?v=lq0FxwAlP_c?version=3&hl=de_DE

„Ab Fab“ lebt also und ließe sich problemlos fortsetzen, die Show ist immer noch genauso frisch und unverbraucht wie eh und je — verblüffend!

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„How Not to Live Your Life“ (BBC3) dagegen ist nach drei Staffeln vorbei, und wie bei den „Office“-Specials war hier das Weihnachts-Special „It’s a Don-derful Life“ die Gelegenheit, der Serie einen narrativen Abschluß zu geben: Don (Dan Clark) erhält die Genehmigung, das Haus zu verkaufen und tut das auch, Mrs. Treacher kommt ins Heim, Don und Samantha kommen endlich zusammen und Don veröffentlicht seine Memoiren „How Not to Live Your Life“, die später mit James Corden in der Hauptrolle von der BBC verfilmt werden.

https://www.youtube.com/watch?v=ZNvPq46Ko48?version=3&hl=de_DE

Ich hatte die Show, zumindest die letzte Staffel, ein bißchen aus den Augen verloren: Zu sehr wiederholten sich zwischendurch die allzu erwartbaren Scherze, was als nächstes gleich passieren würde („5 Things That Happened Next“), zu grob war mir zwischendurch der Holzhammer, mit dem da Scherze geklopft wurden. Aber dieses Finale war herzerwärmend genug, daß ich mir die letzte Staffel doch noch reinziehen werde.

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Ganz ähnlich ging es mir mit „Outnumbered“ (BBC1) : Die letzte, vierte Staffel hatte ich nur mit gemischten Gefühlen sehen können. Zu alt waren die Kinder inzwischen geworden, um weiter in die Rollen zu passen, die Andy Hamilton und Guy Jenkin ihnen auf den Leib geschrieben haben. Aber für das Weihnachts-Special „The Broken Santa“ paßte genau das plötzlich wieder: Wie Kinder eben zu alt für (diese eine spezielle Form von) Weihnachten werden, waren es die Brockman-Kinder hier auch, und so beschließt die Familie, lieber über Weihnachten in den Urlaub zu fahren. Bzw. zu fliegen. Was selbstverständlich im Chaos endet.

https://www.youtube.com/watch?v=YvgMgHzNOxk?version=3&hl=de_DE

Vier schöne Weihnachts-Specials also dieses Jahr, das „Top Gear“-Special ziehe ich mir jetzt als nächstes rein, und von der schrecklichen ersten Folge von „The Royal Bodyguard“ (BBC1) schweige ich jetzt lieber, um nicht unweihnachtlich werden zu müssen. Bzw.: Daß Mark Bussell und Justin Sbresni, die ja immerhin mal „The Worst Week of My Life“ gemacht haben, jetzt so einen schlimmen Slapstick-Scheiß mit dem britischen Sitcom-Liebling David Jason verbrechen, den man als Del-Boy aus „Only Fools And Horses“ in bester Erinnerung hat und der jetzt mit 71 Jahren wie ein geriatrischer Inspektor Clouseau herumtrotteln muß, das ist… das ist… ach was, ich bin mal still.

Man spricht Deutsch

18. Februar 2010 15 Kommentare
ZDFneo will die Generation Internet zurück vor die Glotze locken — mit jungen britischen Sitcoms. Donnerstags zeigt der Digitalkanal „How Not to Live Your Life – Volle Peilung“.

Die schlechte Nachricht ist: Sie werden Don Danbury vermutlich nicht mögen. Zu Recht, denn der Endzwanziger ist furchtbar unsympathisch: präpotent, ich-fixiert, Schnösel durch und durch. In der ersten Folge „How Not to Live Your Life – Volle Peilung“ zieht er in ein schmuckes Häuschen, das ihm seine Oma vererbt hat, lässt sich anschließend von ihrem Pfleger den Arsch nachtragen und seine Jugendflamme Abby als Untermieterin einziehen, um ihr besser nachstellen zu können. Manchmal in den Kleidern seiner Oma.

Es stört die Macher der Show nicht, dass dabei sehr viele Fragen offen bleiben: Warum nur findet Abby Don charmant? Weshalb bleibt der Pfleger im Haus wohnen und lässt Don seine Dienste in Anspruch nehmen? Und wovon lebt der frisch gekündigte Don überhaupt? Und wie viel ist von diesem dezidiert britischen Humor, der von der einen oder anderen hierzulande eher unbekannten Verklemmtheit lebt, überhaupt lustig? Wer länger als zwei Folgen an „How Not to…“ dranbleiben will, der muss schon ein bisschen in die Serie investieren.

Die gute Nachricht ist: Sowohl die BBC, die „How Not to…“ gemacht hat, als auch ZDFneo haben Geduld mit Don. Und mit Dan Clark, der den Don spielt, die Serie geschrieben und sogar produziert hat. Clark war ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, die BBC hat ihn dennoch eine ganze Serie entwickeln lassen — und sie trotz Quoteneinbruchs nicht etwa mittendrin abgesetzt. Das hat sich ausgezahlt, denn „How Not to…“ hat sich als Slow Burner entpuppt, als Serie also, die erst nach etlichen Folgen zu ihrer Form findet. In Großbritannien ist schon die dritte Staffel in Arbeit.

„Wir müssen eine Serie nicht gleich absetzen oder auf einen unattraktiven Platz verschieben, wenn die Quote nicht auf Anhieb stimmt“, sagt Sebastian Lückel, der zuständige ZDF-Redakteur — schließlich liegen die Quoten von ZDFneo eh noch im kaum messbaren Bereich. „How Not to…“ ist bereits die dritte Britcom auf demselben Sendeplatz. „Wir wollten zeitgemäße und interessante Sitcoms im Programm haben“, sagt Lückel, „und oberstes Kriterium war ein spezieller Witz. Wenn man diese Richtung verfolgt, landet man fast zwangsläufig bei britischen Serien.“ Denn Britcoms sind, um das Mindeste zu sagen, gerne exzentrisch: böse, albern, vulgär, psychedelisch — und oft innovativ. Auf anderen Sendern, die mit Mainstream à la „Two and a Half Men“ Quote machen müssen, kann man sie sich kaum vorstellen: Das ist echtes Minderheitenprogramm. Für Minderheiten, die längst nicht mehr sehen wollen, was die Sender ihnen vorsetzen (und die allmählich zur Mehrheit werden), sondern massenhaft DVDs via Import bestellen oder sich gleich illegal im Internet versorgen. Mit „30 Rock“ etwa, der preisgekrönten US-Comedy von und mit Tina Fey, die als Sarah-Palin-Double auch hierzulande bekannt geworden ist. Auch „30 Rock“ hat einen Platz bei ZDFneo gefunden, sogar solide synchronisiert.

Die Synchronisation bleibt allerdings der Pferdefuß aller Bemühungen, britische Comedy in Deutschland zu etablieren. Sie zerstört zwangsläufig viel Sprachkomik und irritiert, weil sie versuchen muss, kulturelle Unterschiede einzuebnen, die es sowohl in der Fluch- und Schimpfkultur als auch in sexuellen Tabus gibt. Unterschiede, die zwischen Deutschen und Briten größer sind als zwischen Deutschen und Amerikanern. Früher konnten Öffentlich-Rechtliche, die sich auch damals schon um die Zielgruppe gebildeter und medienaffiner junger Menschen sorgten, britische Comedy im Zweikanalton oder mit Untertiteln ausstrahlen. Das lassen heute die TV-Lizenzen nicht mehr zu: Zu groß ist die Sorge, die Serien mit Originalton könnten mitgeschnitten werden und auf noch mehr Internetplattformen auftauchen.

Zuerst erschienen in der taz von heute; die Überschrift habe ich mal der gedruckten Ausgabe angepaßt.

Sind Fernsehserien unsere Freunde?

9. Februar 2010 6 Kommentare
Trifft man jemanden zum ersten Mal, weiß man in vielen Fällen ziemlich schnell, ob man ihn mögen wird oder nicht. Später wird man genauer sagen können, warum oder warum nicht, aber für gewöhnlich kommt zuerst das Urteil und dann die Begründung. Urteil aus dem Bauch, Begründung aus dem Kopf. Ähnlich verhält es sich (zumindest bei mir) mit Serien: Ich mag sie oder mag sie nicht, und wenn ich erstmal eine Haltung einer Serie gegenüber eingenommen habe, werden auch gute Gründe für eine andere Haltung nichts mehr ausrichten.
Solche Haltungen gegenüber Menschen ändern sich allenfalls, wenn man aus dem einen oder anderen Grund mehr Zeit mit ihnen verbringt, sei es im Büro oder weil sie zum gemeinsamen Freundeskreis gehören, und gegenüber Serien, wenn man mehr Folgen sieht, weil man vielleicht zufällig wieder eingeschaltet hat.
Wäre „How Not to Live Your Life“ eine Person, dann wäre sie laut, penetrant und durch und durch ironisch. Ungefähr wie Oliver Pocher. Anders als mit Oliver Pocher habe ich allerdings mit „HNtLYL“ einige Zeit verbracht. Und nach einer sehr anstrengenden ersten Folge, in der die Hauptfigur Don (gespielt vom Autor und Produzent der Show Dan Clark) vollkommen unlikeable ist, und einer ebenso anstrengenden zweiten Folge — fing ich plötzlich an, ihn, Don, und die Serie zu mögen. Nicht so sehr, daß ich mich verliebt hätte in sie. Aber so sehr, daß ich sie zuende gesehen habe. Und den Witz kapiert habe.
Mehr zur Serie später, hier nur soviel: Sie beruht auf einem Kurzformat, das Clark zusammen mit Gary Reich für Paramount Comedy 1 entwickelt hat: „Dan Clark’s Guide to Dating“, in dem in Minutenlänge zehn Pointen erzählt wurden — was man zum ersten Date nicht anziehen sollte, was man nicht sagen sollte, welche Drogen man nicht nehmen sollte usw. Aus diesen „How not to…“-Gags entstand „HNtLYL“ (das etliche solcher Listen-Gags enthält); das ist auch das größte Handicap der Serie, die ansonsten nämlich kaum eine (sinnvolle) Geschichte erzählt. Leider sind die wenigsten der frühen Clips online, immerhin drei habe ich gefunden. Hier sind sie.