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Artikel Tagged ‘Hamlet 2’

Flying AIDS

28. Juni 2012 11 Kommentare

Es ist aus mindestens zwei Gründen schön, Steve Coogan abermals als Alan Partridge in „Alan Partridge: Welcome to the Places of My Life“ (Sky Atlantic) zu sehen. Zum einen, weil sich Sky durch immer mehr Comedy profiliert und so die Missgeschicke der BBC wenigstens ein wenig aufwiegt. Zum anderen, weil man über die letzten zehn Jahre befürchten musste, Steve Coogan sei seine Paraderolle als gleichermaßen narzisstischer wie unsicherer Fernseh- und Radiomoderator leid — die letzte ganze TV-Serie mit Alan in der Hauptrolle lief immerhin schon 2002 (die zweite Staffel „I’m Alan Partridge“, BBC2). In den Jahren danach sah es so aus, als würde Coogan vor seinem immensen Erfolg in Großbritannien, der hauptsächlich auf Alan Partridge beruhte, geradezu weglaufen. Der Durchbruch in den USA blieb ihm, der schon als Nachfolger Peter Sellers‘ gehandelt wurde, allerdings verwehrt; über ein paar Nebenrollen in großen Filmen (etwa in „Around the World in 80 Days“, 2004, neben Jackie Chan, und den beiden „Night at the Museum“-Filmen 2006 und 2009) und Hauptrollen in kleineren Filmen („Hamlet 2“, 2008) ging seine US-Karriere nicht hinaus.

Doch nun scheinen Coogan und Alan zurück zu sein: seine jüngste Miniserie „Mid Morning Matters With Alan Partridge“ (2010), ursprünglich von einem Hersteller entfernt bierähnlicher Flüssigkeit fürs Internet gedreht und schließlich vom Fernsehsender Sky übernommen, war vielversprechend, allerdings in erkennbar kleinem Rahmen produziert. Das einstündige One-Off „Welcome to the Places of My Life“ aber zeigt: Alan ist zurück. Und wie!

Netto gute vierzig Minuten lang begleiten wir Alan hier durch die Stadt, wo er, der frühere BBC-Fernsehmoderator, nun bei einem InternetDigitalradiosender ganz unten angekommen ist: in Norwich, tief in der ostenglischen Provinz („the Wales of the east“). Klar, die Wege sind viel kürzer dort als in London, und so kann Alan nach seiner Arbeit (also am frühen Nachmittag) schnell mal ins Leisure Center, um ein paar Bahnen zu schwimmen — ein herrliches Leben will Alan uns da vorgaukeln; in Wirklichkeit aber ist alles erbärmlich und mitleiderregend. Wo nicht peinlich, etwa wenn Alan uns die City Hall zeigt mit den zwei „Nazi-Hunden“ davor und davon berichtet, wie Hitler angeblich Norwich schon ausgesucht hatte als Ort für seine erste Ansprache an die Briten nach dem Sieg der Deutschen über England. Wenn Alan uns auf dem Markt erklärt, was diese Pest war, unter der die Stadt zu leiden hatte: eine tödliche Seuche, aber nicht wie HIV durch Küssen übertragbar, sondern durch die Luft: „Flying Aids!“ Oder wenn Alan ausführlich einen Landrover „probefährt“, um ihn möglichst prominent in die Dokumentation einzubauen — schließlich spekuliert er ganz offen, dass Prominenten ja hin und wieder Fahrzeuge geschenkt würden, nachdem sie sie probegefahren haben. Dumm nur, dass der Boss des Autohändlers keine Ahnung hat, wer Alan Partridge überhaupt ist.

Dabei produziert Alan, so die Fiktion, sogar seine Dokumentation selbst, die von Anfang an als „Pear Tree Production“, „written by Alan Partridge“, „starring Alan Partridge“ firmiert. Und in der, ganz der ungeschickten Eitelkeit ihres Protagonisten entsprechend, sich etliche komische Produktionsfehler finden. Etwa wenn ein alter Priester, der den örtlichen Friedhof vorstellt, so langsam spricht, dass Alan ihn erst anfährt, schneller zu sprechen, und dann im Schnitt erkennbar alle Pausen herausschneidet, oder wenn Alan bei einem Interview im Schwimmbecken beim Wassertreten die Luft ausgeht und man schnell bemerkt, dass er seine Fragen offenbar nachgedreht hat, diesmal sicher stehend und souverän, und nicht gurgelnd und plantschend, wie man ihn bei den Antworten seiner Interviewpartnerin im Hintergrund hört.

Wenige Figuren altern so gut wie Alan (Edina und Patsy aus „Ab Fab“ wären ein Beispiel für zwei andere Figuren, denen ihr Älterwerden gut steht), und so ausgelutscht das Genre der Mockumentary insgesamt ist, so brillant funktioniert es immer noch für Coogan und Armando Iannucci, der auch hier wieder mit im Team war. Und kaum eine Figur zeigt so fantastisch wie Alan Partridge, was britische von us-amerikanischer Comedy unterscheidet: nämlich die Charakterzeichnung, aus der hier Komik entsteht; viel mehr als aus einzelnen nacherzählbaren Gags. Das ist es, was englischen Sitcoms ihre Tiefe verleiht: dass man Figuren wie Alan Partridge so gut kennt, dass ihr unangemessenes Verhalten im Umgang mit ihren Mitmenschen einen tatsächlich berührt. Sei es, dass Alan aus dem Auto heraus einen anderen Verkehrsteilnehmer anschreit, von dem sich erst später herausstellt, dass er eine Oma auf dem Fahrrad war, sei es, dass Alan einen Gemüsehändler beleidigt ob seines schlichten Jobs, um dann in eben diesem Job vor der Kamera sofort zu scheitern. Charakter-Comedy und der kalte, ja böse Umgang mit ihren Protagonisten, das ist das britische Rezept für Komik, das süchtig machen kann.

„Welcome to the Places of My Life“ macht vor allem eines: Lust auf den Spielfilm mit Alan, um den es schon seit Ewigkeiten Gerüchte gibt und der jetzt endlich auch offiziell angekündigt worden ist. Für August 2013.

Hamlet it be

17. Mai 2009 2 Kommentare

Endlich mal eine Komödie, die Steve Coogan auf den Leib geschrieben ist! dachte ich, als ich mich die ersten beiden Akte von „Hamlet 2“ (2008) prima amüsierte. Die Rolle des Dana Marschz paßt dem Alan-Partridge-Erfinder auch wirklich wie angegossen: Marschz ist, das verrät uns eine sehr lustige Montage zu Beginn, zwar immer der Überzeugung gewesen, ein großer Schauspieler zu sein, und er kennt sich auch aus im Business — seine eigene Karriere bestand aber im Wesentlichen aus einem kleineren Auftritt in „Xena“ und etlichen schlimmen Werbespots. Seitdem schlägt er, mittlerweile trockener Alkoholiker, sich so durch als High School-Schauspiellehrer in Tucson, Arizona, wo die von ihm inszenierten Schülertheaterstücke regelmäßig durchfallen — vielleicht auch, weil er regelmäßig Hollywood-Filme zu inszenieren versucht (zuletzt „Erin Brockovich“). Eines Tages muß er vor mehr als den üblichen zwei Streber-Schülern unterrichten, weil alle anderen Kunst-Wahlfächer weggestrichen worden sind, und hält den völlig desinteressierten Jugendlichen erstmal einen Stegreif-Vortrag über „Dead Poets Society“ und „Mr Holland’s Opus“ („these are all Inspirational Teacher Movies!“). Leider wird wenig später auch sein Kurs gestrichen, und so bleibt ihm nichts übrig, als endlich mal ein Theaterstück zu inszenieren, das erfolgreich ist — und zwar am Besten so erfolgreich, daß er weiterunterrichten darf.

Und damit beginnt der schwierige dritte Akt. Während Komödien in den ersten beiden Akten es ja oft eher einfach haben, weil sie Schwierigkeiten um Schwierigkeiten vor dem Helden auftürmen können, die für Komik sorgen, muß der dritte Akt eine befriedigende Auflösung haben: Der Held muß scheitern (was hier schlecht geht, weil Marschz die Fallhöhe fehlt — er ist ja von Anfang an schon gescheitert) oder triumphieren. Dieser Triumpf ist hier so schlicht, wie man es vielleicht schon befürchtet hat: Die schwierigen Schüler stellen sich als recht gute Musical-Schauspieler heraus und inszenieren den Riesenquatsch recht solide, den Marschz ihnen schreibt: nämlich eine Fortsetzung von Hamlet, in der qua Zeitmaschine alles gut ausgeht („diese Idee ist so beschissen, daß sie schon wieder gut sein könnte“) und die darüberhinaus so blasphemisch und obszön ist, daß niemand sie ignorieren kann. Eine „Hamlet“-Version mit Happy End ist komisch, weil sie lächerlich ist; leider ist es aber bei dem Film ebenso: Das Happy End, der furiose Erfolg des Theaterstücks, ist sehr platt und ruiniert den bis dahin recht ansehnlichen Film (na ja, jedenfalls fast). Man hat diesen Plot einfach schon zu oft gesehen, kann das Ende schon von weitem kommen sehen und hofft, es möge wenigstens noch (wie etwa bei den „Blues Brothers“) eine persönliche Niederlage für den Helden bereithalten, um die pappigste Süße wieder herauszunehmen, aber nein, es endet alles im Totalerfolg.

Die ersten beiden Akte aber sind gut.

Andrew Fleming, hier Regisseur und Coautor, hatte bereits bei einigen Folgen „Arrested Development“ Regie geführt, Coautorin Pam Brady mit den „Southpark“-Machern Trey Parker und Matt Stone „South Park: Bigger, Longer & Uncut“ sowie das ebenfalls nur leidlich gute „Team America: World Police“ geschrieben.