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Artikel Tagged ‘Seinfeld’

The state of comedy

5. Juli 2009 9 Kommentare

Ricky Gervais, berichtet der Guardian, habe sich kürzlich mockiert, Großbritannien falle in puncto Comedy mittlerweile hinter die USA zurück:

„We’ve got some poor copies of ‚Curb Your Enthusiasm‘, some poor copies of ‚Entourage‘ and some poor copies of ‚Seinfeld‘. With a few exceptions the Americans seem to be ahead of the game.“

Er, Gervais, sehe in der Folge gar keine britische Comedy mehr.

Hat Ricky Gervais recht? fragt der Guardian und gibt keine rechte Antwort, verweist aber darauf, daß a) Gervais stets zu Polemik neigt und b) gerade seinen neuen (US-produzierten) Film The Invention of Lying bewirbt, man außerdem seiner Ansicht sein könnte, wenn man gute US- mit schlechten GB-Produktionen vergliche, ihm aber widersprechen, wenn man gute GB- neben schlechte US-Comedys stellte.

(Hier übrigens der Trailer zu „The Invention of Lying“, der tatsächlich ganz vielversprechend aussieht:)

https://www.youtube.com/watch?v=VSGt673XsIg&hl=de&fs=1&

Das sind natürlich Binsenweisheiten. In der Tat aber hat das amerikanische Fernsehen in den letzten Jahren immer bessere, ja bisweilen fantastische Serien produziert, auch komische, während große britische Sitcoms-Hits wie „The Office“ rar geworden sind. Aber während es ziemlich einfach ist, den Erfolg von US-Sitcoms zu erklären (alle von Gervais aufgezählten Beispiele etwa sind mit Budgets gesegnet (gewesen), von denen die BBC und ihre heimischen Konkurrenten nur träumen können; die USA sind so groß, daß selbst die Minderheiten, die an intelligentem, schwarzen Humor interessiert sind, groß genug sind, daß speziell für sie Comedy produziert wird), während also die Vorteile leicht zu erkennen sind, die ein so großer Markt wie der amerikanische für Nischen bietet, aus denen heraus durchschlagende Mainstream-Erfolge kommen können, ist es nicht so leicht zu erkennen, warum das britische Fernsehen gerade keine Comedy-Smash-Hits hervorbringt.

Eine Erklärung, die ich für möglich und sehr bedauerlich halte, ist: Globalisierung. Ich vermeine einen ganz allgemeinen Trend zu erkennen, keineswegs nur auf Comedy bezogen, der die Vorteile der Insellage, die splendid isolation Großbritanniens Stück für Stück wegbrechen läßt, die Briten immer mehr ans Festland der restlichen Welt schmiedet und ihnen so den speziell englischen Charakter, nun ja, nicht gerade wegnimmt, aber doch in seiner Ausprägung reduziert. Das ist insbesondere für den spezifisch englischen Humor bedauerlich, der von Charaktereigenschaften lebt, wie sie in den USA so nicht zu finden sind, oder besser: nicht zu finden waren, denn mittlerweile gibt es eben auch genügend US-Beispiele für britischen Humor, der u.a. von Exzentrik, Grausamkeit („schwarzem Humor“), Nonsens, starkem Individualismus und Respektlosigkeit vor Autoritäten, Understatement und Bathos geprägt ist. Zusammen mit dem schleichenden Abschied von anderen englischen Eigenheiten (wie etwa dem Gentleman-Ideal) treten auch diese Eigenschaften zurück, während das US-Fernsehen gleichzeitig immer mehr Comedy auf Grundlage des englischen Humors produziert — und das natürlich in jeder Hinsicht megalomanisch: mit mehr Autoren, mehr Gags pro Folge, mehr Folgen pro Staffel und mehr Staffeln pro Serie.

Daß aber die Briten nun bei den Amerikanern Ideen und Formate klauten, wie Gervais das unterstellt, halte ich für reine Polemik, denn jeder Comedian, der etwas Neues zu machen versucht, hat Vorbilder, an denen er sich orientiert, und jede Serie baut auf das auf, was vor ihr da war. Es kommt, wie immer, nicht darauf an, etwas völlig Neues zu erfinden (das dürfte im Drama mehr noch als in der Komödie ausgeschlossen sein), sondern das Alte so zu erzählen, daß es die Zuhörer mitnimmt. Über einen Witz, den man schon kennt, lacht man schließlich auch ein zweites Mal, wenn er nur gut erzählt ist.

Das ist natürlich nun sehr allgemein dahingesagt, aber genauer weiß ich es auch nicht. Thoughts, anyone?

Woody & L.D.? Whatever!

21. Juni 2009 2 Kommentare

Bitte dämpfen Sie Ihre Begeisterung: Ja, Larry David, Co-Creator von „Seinfeld“ und großartiger Autor/Regisseur/Hauptdarsteller von „Curb Your Enthusiasm“, spielt die Hauptrolle im neuen Woody-Allen-Film „Whatever Works“. Ja, er spielt wohl im Wesentlichen sich selbst, was er am Besten kann. Ja, L.D. und Woody Allen scheinen auf den ersten Blick kongenial. Aber: Nein, der Film ist wohl trotzdem nicht gut.

Die Geschichte eines exzentrischen, reichen New Yorkers (gespielt von einem exzentrischen reichen Einwohner von L.A.), der sich in eine sehr schlichte und ca. 100 Jahre jüngere Frau aus den Südstaaten verliebt, ist eine Arbeit Allens, die er seit den frühen Siebzigern in der Schublade hatte; da wäre sie offenbar besser auch geblieben. Denn wer „Curb“ kennt, weiß: Larry David ist kein Schauspieler. Er ist sehr gut in den peinlichen Miniaturen, aus denen „Curb“ gestrickt ist, und hat im Fernsehen auch Präsenz. Allerdings werden er und seine Art nach einer guten halben Stunde auch sehr anstrengend, und 90 Minuten davon auf einer großen Leinwand stelle ich mir sehr, sehr lange vor. (Tatsächlich war Larry Davids erster Ausflug ins Kino, „Sour Grapes“ (1998) dito sehr, sehr lange und mühselig — die Gesetze des Fernsehens, die David offenkundig aus dem FF beherrscht, gelten für Spielfilme eben nicht.)

Aber gesehen habe ich, anders als der Rezensent der N.Y.Times und MTVs Kurt Loader, den Film natürlich noch nicht.

Der schwere Rucksack der Bedeutung

17. Januar 2009 4 Kommentare

Manchmal, wenn ich Spielfilme gucke, insbesondere britische, die leider viel zu selten wirklich gut sind, bemerke ich erst, wie sehr ich Fernsehen liebe und Fernsehserien. Gestern: „Son of Rambow“ (gedreht von Hammer & Tongs alias Garth Jennings und Nick Goldsmith, „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“), gesehen wegen Jessica Hynes, geb. Stevenson („Spaced“).  „Son of Rambow“ ist die Geschichte zweier Zehnjähriger, die auf den ersten Blick kaum etwas gemein haben: Der eine ist ein schüchterner, schmächtiger Pennäler aus einer religiösen Spinnerfamilie, der andere ein Bully, wie er im Klassenbuch steht; die beiden freunden sich against all odds an und drehen gemeinsam einen an „Rambo“ angelehnten Akschnfuim; einer hinter der Kamera, einer als Stuntman/Hauptdarsteller davor. Der ganze Film spielt in einer durch und durch künstlichen Frühe-80er-Jahre-Setting, das deutlich von den Fantasy-Welten des überschätzten Terry Gilliam inspiriert ist und in dem Zehnjährige halsbrecherische Actionspektakel zwischen den Kühltürmen eines stillgelegten Kraftwerks drehen und Teenager zu diesem Zweck Kübelwagen kaputtfahren können, ohne daß sie hinterher alle vor dem Jugendgericht landen, sondern mit ihrem Film ins Kino kommen, als Vorfilm von „Yentl“. Die fabelhafte Welt der Präpubertären sozusagen.

Dabei benehmen sich die Blagen aber nie wie Kinder, sondern immer so, wie Erwachsene sich das zurechtphantasieren und in ihrer Erinnerung an eigene Kindheitstage verklären: Die Schule mit ihren drakonischen Strafen! Die geheimnisvolle Erwachsenenwelt, durch Kinderaugen gesehen! Und natürlich die bffs (best friends forever) inklusive Blutsbrüderschaft und einer für alle, alle für einen! Aber da muß natürlich jeder durch, Stichwort coming of age und so, Charakterbildung, selbständig werden, klar, klar. Richtig aufregen könnte ich mich, je länger ich darüber nachdenke.

Möglicherweise rege ich mich auch deshalb so über diese Phantasiekinder auf, die in „Son of Rambow“ mit der Autorenfilmschablone gezeichnet worden sind, weil ich bis vor Wochenfrist noch die zweite Staffel „Outnumbered“ gesehen habe, die eindrucksvoll beweist, wie es eben auch gehen kann: Mit Kindern, die sich wie Kinder benehmen, ohne dabei in Reality TV-Verdacht zu geraten. Nein, „Outnumbered“ zeigt das Leben einer Mittelschichtsfamilie am Rande Londons in einem realistischen Stil, den es so bis dahin noch nicht gegeben hat, denn die Kinder improvisieren einen Gutteil der Szenen. Dabei ist zwar, ähnlich wie bei „Curb Your Enthusiasm“, Ausgangs- und Endpunkt jeder Szene klar, dazwischen aber und vor allem nach dem Endpunkt sind die drei fünf, sieben und elf Jahre alten Nachwuchsschauspieler frei zu improvisieren, und sie sind ganz offenbar Naturtalente.

Das Angenehmste bei „Outnumbered“ ist jedoch, wie unbekümmert hier mit der Story umgegangen wird: Es gibt nämlich kaum eine. Zwar gibt es eine gewisse Rahmenhandlung: Der Elfjährige geht auf eine neue Schule, die Eltern müssen sich zunehmend um den vergeßlichen Großvater kümmern, Konflikte mit nahen Familienmitgliedern wollen gelöst werden usw. Doch die einzelnen Folgen sind annähernd about nothing, viel mehr sogar als „Seinfeld“, das als „Show about nothing“ gehandelt wurde, es in Wirklichkeit aber nie war, denn „Seinfeld“-Folgen lassen sich ja problemlos nacherzählen, was bei z.B. „The Royle Family“ oder eben „Outnumbered“ deutlich schwerer fällt.

Es scheint eine der Freiheiten des Fernsehens zu sein, solche plotlosen Geschichten erzählen zu können und ohne Subtext auszukommen, den Spielfilme wie „Son of Rambow“ Gott weiß warum immer wie einen Rucksack voller Bedeutung mit sich herumschleppen müssen, vielleicht damit die Zuschauer etwas zum Nachdenken und Diskutieren haben, wenn sie aus dem Kino herauskommen. Statt einfach mal gut und kurzweilig unterhalten worden zu sein. Schade eigentlich.

Mehr zu „Outnumbered“ (erste Staffel auf DVD erhältlich) in der nächsten Humorkritik in TITANIC 2/2009!

Pastewka ist nicht Larry David

1. Oktober 2005 2 Kommentare

Gleich zwei deutsche Sitcoms aus dem Hause Sat.1-Pro7 bedienen sich dieser Tage wieder einmal bei großen amerikanischen und britischen Vorbildern: „Pastewka“ (Sat.1) bei „Curb Your Enthusiasm“ (HBO), “Stromberg” (Pro7) in der zweiten Staffel bei “The Office” (BBC). Beide wurden vom deutschen Feuilleton mit Lobeshymnen bedacht – obwohl sie kaum auf weniger wackligen Beinen stehen als andere deutsche Comedyserien auch.

Grundlage einer guten Sitcom sind glaubwürdige Figuren. Eine Sitcom, die so tut, als dokumentiere ein Fernsehteam den Alltag in einem deutschen Büro, darf schlicht und ergreifend keinen gesichtsbekannten Schauspieler besetzen, weil damit der erste und grundlegende Trick verraten ist: Daß man nämlich eben keine Dokumentation des Lebens in einem deutschen Büro sieht, sondern eine Sitcom mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.

Bastian Pastewka hat es da auf den ersten Blick leichter: Er spielt sich selbst, einen Comedian namens Bastian Pastewka, der den Fährnissen des Alltags auf mißgelaunte bis menschenfeindliche Weise begegnet. “Pastewka” soll dabei “noch nicht Comedy und nicht mehr Dokumentation” (Pastewka) sein – und das stimmt leider auch. Vor allem Comedy ist kaum auszumachen.

Denn an namens Bastian Pastewka, der den Fährso wenig Christoph Maria Herbst je Vorstand eines Versicherungsbüros war, so wenig ist Bastian Pastewka Larry David. Der war im richtigen Leben Coproduzent von “Seinfeld” und hat mit diesem, seinem einzigen beruflichen Erfolg, unanständig viel Geld verdient. In “Curb Your Enthusiasm” spielt er Larry David, der mit “Seinfeld” unanständig viel Geld verdient hat und nun über genügend Tagesfreizeit verfügt, vielen Menschen auf die Nerven zu gehen. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er aus nichtigen Anlässen mit reichen und/oder einflußreichen Menschen Streit vom Zaun bricht, sich in sophistischen Argumentationen verheddert, obwohl er oft im Grunde recht hat, und überhaupt ein Stinkstiefel erster Kategorie ist, der für seine Misanthropie regelmäßig bezahlen muß, es sich aber qua Bankkonto auch leisten kann. Er, ein reicher, jüdischer Fernsehproduzent in Hollywood, verfügt von Anfang an über eine natürliche Fallhöhe.

Eine solche Fallhöhe fehlt dem durch und durch bürgerlich dargestellten Pastewka völlig. Der klaut in der ersten Folge seiner Wohnungsnachbarin die Zeitung, woraufhin sie ihm die elektrischen Sicherungen rausdreht. Ganz schön gewagt. Was wird wohl als nächstes passieren?

Wo bei “Curb” Erzählstränge von unterschiedlicher Peinlichkeit am Schluß in Katastrophen ersten Ranges kulminieren, gibt es bei “Pastewka” nicht zu Ende erzählte Gags, in kleinen Portionen einzeln abgepackt. Wo bei “Curb” mehr oder weniger improvisiert wird, um einen authentisch dokumentarischen Look zu erzeugen, wird bei “Pastewka” streng nach handgeschnitztem Drehbuch vorgetragen. Kommen dann noch Plots a lá “nach einem Fahrradunfall ergeben sich chaotische Verwicklungen”, hölzerne Darsteller und die übliche komisch gemeinte Hysterie des “Fun Freitag” auf Sat.1 dazu (allein dieses Wort, “Fun Freitag”!), dann ergibt sich eine Sitcom von der Leichtigkeit eines verregneten Winternachmittags in Berlin Marzahn. Der mir u.U. sogar noch lieber wäre als weitere Folgen “Pastewka”.

 

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2005)