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Artikel Tagged ‘The Thick Of It’

In the News (2)

1. September 2009 Keine Kommentare

Jimmy Mulville hat sich auf dem Edingburgh television festival über ein „Klima der Angst“ bei der BBC beklagt: Seit dem „Sachsgate“ hätten gewagtere Scherze größte Schwierigkeiten, es ins Fernsehen zu schaffen, so Mulville, einer der Mitbegründer von Hat Trick Productions, die unter anderem „Father Ted“ produziert haben. Er befürchte, die Boulevardpresse setze nun die Maßstäbe; verantwortlich sei dafür aber niemand im Einzelnen außer dem BBC-Chef Mark Thompson: „Der Fisch stinkt vom Kopf.“

Als Sachsgate gilt ein Telefonscherz von Russel Brand und Jonathan Ross, bei dem die beiden Andrew Sachs (bekannt als der spanische Kellner Manuel in „Fawlty Towers“) u.a. die Mitteilung auf dem Anfrufbeantworter hinterlassen hatten, Brand habe mit Sachs‘ Enkelin Sex gehabt. Obwohl Sachs sich nicht beleidigt fühlte (und Brand tatsächlich eine Affäre mit Georgina Baillie gehabt hatte), wuchs sich der Vorfall infolge großer Presseempörung zu einem Skandal aus, in dessen Verlauf Brand und Ross von Thompson für eine Woche von ihren Fernsehsendungen suspendiert wurden.

Stephen Fry wiederum bedauert im selben Zusammenhang den überbordenden Zwang zur Korrektheit („culture of compliance“) beim britischen Fernsehen, der so weit ginge, daß Fernsehredakteure Szenen verböten, in denen Kriminelle beim Autofahren telefonierten.

Die lange „The Office“-Nacht auf BBC 2 in der britischen Presse: Das Guardian-TV&Radio-Blog glaubt, „The Office“ sei zeitlos und werde in 30 Jahren frischer wirken als alle anderen modernen Britcoms, der Telegraph freut sich zwar, daß die Serie andere zeitgenössische Mockumentarys wie „Getting On“ und „The Thick of It“ inspiriert hat, warnt aber davor, sie schon vor dem 10. Geburtstag bis zum Überdruß zu feiern.

Rob Brydon wird schließlich von der Liverpool Daily Post interviewt und sagt aber leider nichts interessantes, außer daß er gerade die dritte Staffel „Gavin & Stacey“ abgefilmt hat, in der er eine größere Rolle als bisher spielen wird. Hoffentlich passiert auch insgesamt mal ein bißchen mehr als in der letzten Staffel und dem Weihnachts-Special, das allzu versöhnlich-harmlos war und zusammen mit Horne und Cordens letzten Fernseh- und Filmabenteuern die Luft aus der bis dahin eigentlich immerhin sympathischen Serie etwas rausgelassen hat.

In the Loop

29. August 2009 Keine Kommentare

Internationale Diplomatie ist ein Geschäft, in dem es auf jedes einzelne Wort ankommt, das öffentlich geäußert wird. Briten wiederum sind die Großmeister internationaler Diplomatie und verstehen sich darum bestens auf Wortklauberei. Mit einer Ausnahme vielleicht: der des unbedarften Minister for International Development Simon Foster (Tom Hollander). Der äußert sich, in einem harmlosen Radiointerview überrumpelt, zur britischen Haltung zu einem möglichen Krieg im Mittleren Osten: „War is unforeseeable“ — Krieg ist nicht vorhersehbar. Harmlos, sollte man meinen — doch diese drei Worte werden dem eigentlich eher bedeutungslosen britischen Minister zum Verhängnis, denn die britische Politik zu den Kriegsplänen der Amerikaner ist die, daß Krieg weder vorhersehbar noch unvorhersehbar ist.

Zunächst fällt in Armando Iannuccis brillanter Polit-Satire „In the Loop“ (BBC Films, 2009, seit letzter Woche auf DVD erhältlich) daraufhin die nationale Großpolitik in Gestalt des Spin-Doctors Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der für den Prime Minister den Einpeitscher spielt, über den armen Foster her. Tucker versucht sich in Schadensbegrenzung („You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact“) und befleißigt sich im Übrigen im Umgang mit seinen Schäfchen einer Sprache, die das genaue Gegenteil von diplomatischem Understatement ist. Sie ist sogar so grenzenlos obszön, beleidigend und beißend vulgär, daß es die reine Freude ist, ihm bei seinen Schimpftiraden zuzuhören:

„Get me fucking Brian. If you don’t get  me Brian, I’m gonna come over there, I’m gonna lock you into a fucking flotation tank and pump it full of sewage until you fucking drown!!!“

Leider ist Foster auf eine David Brent-artige Weise einfältig genug, sich bei der nächsten Gelegenheit abermals öffentlich zu einem möglichen Krieg zu äußern („To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict“), und so setzt er eine Kettenreaktion in Gang, bei der ihn sowohl amerikanische Befürworter als auch Gegner eines Kriegs für ihre Zwecke einspannen möchten — so daß Tucker kaum noch nachkommt mit seinen Versuchen, zu retten was zu retten ist.

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In the News (1)

21. August 2009 5 Kommentare

„Getting On“, Jo Brands finstere Krankenhaus-Sitcom, soll fortgesetzt werden: Innerhalb des nächsten Jahres sollen sechs weitere Folgen auf BBC4 laufen. Das berichtet The Stage. Freut mich, weil mir schon die erste (aus nur drei Folgen bestehende) Staffel gut gefallen hat: etwa der trockene Doku-Stil Peter Capaldis, den er aus Iannuccis „The Thick of It“ mitgenommen hat. Die erste Series erscheint in guten zwei Wochen auf DVD.

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Eine etwas andere, nämlich kritische Sicht auf die Abtreibungs-Folge von „Family Guy“, die FOX nicht gezeigt hat, bringt Hadley Freeman heute im Guardian zu Papier: Er Sie hält „Familiy Guy“ für zunehmend konservativ, womöglich um, in Reaktion auf Barack Obamas Präsidentschaft, weiterhin „kontrovers“ zu bleiben („This would explain why conservative wingdings Rush Limbaugh and Karl Rove are to appear on the show“), und Seth MacFarlane für unlustig:

Although it is currently impossible to see the actual episode, there is a video of the actors doing a read-through of the script and then the outrage becomes understandable. My goodness, Seth MacFarlane put some nasty words in Peter Griffin’s mouth. And they’re not even funny.

Schlimmer aber: Er Sie hält den „Family Guy“-Macher für weitgehend frei von politischen Überzeugungen. Wozu aber, fragt Freeman, via Comedy einen kritischen Standpunkt vertreten, wenn man gar keinen hat?

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Und zuletzt fragt ebenfalls der Guardian seine Leser, was sie wohl auf keinen Fall mit 496 000 in der Lotterie gewonnenen britischen Pfund Sterling anfingen, und hofft auf die Antwort: sie Charlie Sheen in die Hand drücken, damit der in einer weiteren Folge „Two And a Half Men“ auftritt. Welchen Grund könnte es tatsächlich für den Erfolg dieser unfassbar langweiligen Sitcom geben? Mir fällt keiner ein, außer: Die Leute stehen halt auf altmodischen Scheiß, der ihnen sagt, wann und wo sie lachen müssen. Das ist in etwa auch die Erkenntnis des Guardian-Texts.

In the thick of ward B4*

15. Juli 2009 2 Kommentare

Das könnte mein persönlicher Überraschungserfolg des Sommers werden: „Getting On“ (BBC4, mittwochs), das leider erstmal auf nur drei Teile angelegte ComedyDrama über den Alltag in der geriatrischen Abteilung eines Krankenhauses und das Leben zweier Krankenschwestern nebst ihrer Vorgesetzten. In blassen Farben und quasidokumentarischem Stil mit Ellipsen und Handkamera gefilmt, changiert „Getting On“ zwischen leisem Humor und Abgründen, die sich hin und wieder ganz unerwartet auftun, ähnlich wie sie es „The Thick of It“ auch tun — bestimmt kein Zufall, denn Regie führt hier erstmals Peter Capaldi, der in Armando Iannuccis brillanter Serie den schottische Spin Doctor gibt.

Schlüsselszene in der ersten Folge: Krankenschwester Wilde (Jo Brand) tätschelt einer Greisin abwesend die Hand, während sie gleichzeitig auf ihrem Handy eine eingehende SMS checkt. Die Kamera schwenkt auf das Nachttischchen, wo ein Geburtstagskuchen („Happy Birthday Lily 87“) steht, aber nach einem kurzen Blick auf Lily weiß man: Sie wird diesen Kuchen nicht mehr essen… Solche bitterkomischen Momente dominieren, und im weiteren Verlauf der ersten Episode wird noch diskutiert werden, ob man den Kuchen nebst anderem Naschkram zum Rest der weltlichen Hinterlassenschaften Lilys tun soll, die von ihrer ebenso betagten Schwester abgeholt werden, oder ob man sie selbst essen darf — mit dem Ausgang, daß Schwester Wilde später Lilys Schwester durch die offene Tür bemitleidet, während sie in sorgsam darauf achtet, daß diese das Stück Geburtstagskuchen in ihrer Hand nicht sehen kann.

Dabei ist Schwester Wilde durchaus nicht herzlos, sondern wie die anderen Krankenhausmitarbeiter auch ein bißchen überfordert, stoisch, aber guten Willens. Wenn die Vorschriften es vorsehen, daß Kotspuren auf Krankenhausstühlen erst in Formularen erfaßt werden, bevor man sie beseitigen darf („What type is it?“ — „‚I’d say type four: snake.“), dann wird das ebenso gemacht wie später die Anweisung von zweiter Seite befolgt wird, die gleichen Scheißspuren unverzüglich zu beseitigen.

Ebenso gleichmütig: Der Umgang mit Patienten, deren Sprache niemand im Krankenhaus verstehen kann:

Von dieser Serie hätte ich gerne mehr Folgen, please. Put it in my notes.

* Die bessere Überschrift hatte der Independent: Right in the sick of it.

Armando the great adult

21. Februar 2009 6 Kommentare

Armando Iannuccis Werk ist auch in England immer noch ein Geheimtip. Zu wenig zieht es ihn vor die Kamera, lieber schreibt und produziert er, von seinen Anfängen bei „The Day Today“ an immer wieder mit Steve Coogan und Chris Morris, und oft seziert er dabei die Mechanismen von Fernsehen und Komik, was ihn mehr zu einem Comedian’s Comedian macht als zum Publikumsliebling. Lange kokettierte er damit, daß alle seine erfolgreichen Formate kennen, aber niemand seinen Namen richtig schreiben kann. Das dürfte sich spätestens mit der bösen Polit-Satire-Serie „The Thick Of It“ geändert haben, aber mir gefallen seine versponnen-philosophischen Armando Iannucci Shows besser, deren Sketche häufig mit Oberservational Comedy beginnen, indem Iannucci etwa darüber reflektiert, daß Kinder sich immer mehr wie Erwachsene benehmen, dann aber schön regelmäßig ins Surreale abgleiten, wie hier, wo er einige Schüler auf kindgerechte Weise davon abbringen möchte, erwachsen sein zu wollen:

Iannucci ist immer dann gut, wenn er leise, aber irritierende Töne anschlägt und dabei traditionelle Komikmuster dekonstruiert, ja transzendiert — aber was rede ich da, wenn man sich es ebensogut ansehen kann! Hier etwa ein schön zerstörter Stand Up mit Powerpoint-Unterstützung, ebenfalls aus den „Armando Iannucci Shows“:

Schon bei den „Iannucci Shows“, die bereits auf DVD erschienen sind (£4.98!) und definitiv in jede Britcom-Bibliothek gehören, hatte Iannucci Unterstützung von den Computer-Animatoren, die auch die Dinosaurier der BBC-Dino-Dokus zum Leben erweckt haben, die Pro7 hin und wieder ausstrahlt. Eben diese Animations-Götter haben auch Iannuccis bis dato letzter eigener Serie „Time Trumpet“ zugeliefert, einer Parodie auf Nostalgie-Shows, die aus dem Jahr 2031 auf die ersten dreißig Jahre des Jahrtausends zurückblickt – und darin z.B. auf TV-Shows wie „Rape An Ape“:
https://www.youtube.com/watch?v=UpjQx2xjy-Y&hl=de&fs=1

„Time Trumpet“ erscheint Ende April auf DVD, und es funktioniert prima als Gegengift etwa zu den grauenhaften Retro-Shows, wie ich sie vorhin aus Versehen beim Frühstück auf RTL eingeschaltet habe, wo Oliver Geißen die lustigsten Lieder von Fips Asmussen und Bernd Stelter–, ach, ich darf gar nicht darüber nachdenken. — Mit von der Partie ist bei „Time Trumpet“, man hat es im Ausschnitt gesehen, u.a. Richard Ayoade („The IT Crowd“, „The Mighty Boosh“).

Who killed the british sitcom?

1. Februar 2009 Keine Kommentare

Alle paar Jahre fließen in England bittere Tränen, wenn wieder einmal der Tod der britischen Sitcom ausgerufen wird; und jedesmal haben die Überbringer der Todesnachricht gute Argumente auf ihrer Seite. So auch David Liddiment, vormaliger Creative Head von ITV, dessen Dokumentation „Who Killed The British Sitcom?“ (Channel 4, 2. Januar 2006; TV-Kritik dazu hier) gleich fünf Gründe für den Niedergang des Genres anführt. An den könnte man fast glauben, wenn man die Zahlen für sich sprechen läßt: 1975 etwa liefen auf nur drei Fernsehkanälen ganze acht britische Sitcoms pro Woche, zehn Jahre später sogar 13, davon zehn in der BBC und auf ITV. 1994 schon liefen Comedyserien erkenbar später am Abend, 2005 waren es nur noch drei Sitcoms, die zur family viewing time ausgestrahlt wurden – davon zwei US-Produktionen und eine Wiederholung.

Unter den Verdächtigen, die Liddiment anführt, sind die Alternative Comedy der frühen Achtziger, deren Punk- und Dada-Ansatz die traditionelle Sitcom alt aussehen ließ, die amerikanischen Sitcoms, gegen deren Überlegenheit in der schieren Anzahl von Autoren, Episoden und Gags pro Folge nicht anzukommen war, und Reality TV, das wesentlich billiger zu produzieren ist, dabei aber mitunter ebenso komisch sein kann wie teuer produzierte Sitcoms, deren Erfolg sich womöglich erst nach der zweiten oder dritten Staffel einstellt.

Ein Sargnagel der klassischen Sitcom aber könnte gleichzeitig der Auslöser für die Selbsterneuerung des Genres gewesen sein: Nämlich die Einführung des digitalen Fernsehens, das in England eine Vielzahl neuer Fernsehkanäle mit sich brachte. Diese mußten sich naturgemäß alle das gleiche Publikum teilen, was logischerweise zu massiven Quotenverlusten pro Kanal führte. Nun ist Comedy, anders als zum Beispiel Drama oder Krimi, immer etwas Gemeinschaftliches — es sind Comedy-Catchphrases, die sich die Kinder auf dem Schulhof zurufen, nicht reflexive Monologe über Abtreibung oder Verhör-Dialoge –, was vielleicht erklärt, warum Comedy stärker unter der Diversifizierung des Fernsehen litt als andere Sparten: Sie war plötzlich kein Teil des gemeinsamen Lebens mehr, brachte nicht mehr ganze Generationen zusammen wie zuvor „The Young Ones“ oder noch früher „Dad’s Army“. Der Erfolgsdruck wurde stärker, Serien mußten (ganz wie hierzulande) schon nach der dritten Folge ihr Publikum gefunden haben statt nach der dritten Staffel.

Das aber führte zu einer Veränderung der Sitcoms: Die jüngste Generation der Comedy nämlich, die keine absoluten Mehrheiten mehr erreichen konnte, spezialisierte sich stattdessen. Peter Kay, Steve Coogan und Gervais/Merchant machten Comedy für sich selbst, weil sie annahmen, daß auch andere das komisch fänden, worüber sie selbst lachten. Und plötzlich explodierte die Szene, griff Reality TV als Formvorlage auf („The Office“), suchte sich Nischen, peilte von vorneherein eine Minderheit als Zielgruppe an, die etwa auf psychedelische Comedy mit Musikeinlagen steht („The Mighty Boosh“), extrem film- und fernsehaffin ist und abwegigste Zitate goutiert („Spaced“), aus Computernerds besteht („The IT Crowd“) oder aus Menschen, die sich für Politik interessieren („The Thick Of It“) — und war damit auf einmal erfolgreicher als alle Versuche, wieder klassische große Publikumsshows zu lancieren. Was natürlich den pathetischen Titel von Liddiments Doku und die Theorie von der sterbenden Gattung Sitcom völlig widerlegt; gottseidank.

Höchst bedauerlich, daß die Krise im deutschen Fernsehen immer nur Krise bleibt und nie Chance ist, auch einmal auf Quoten zu scheißen, die ja nun eh nicht zu kontrollieren sind, und stattdessen mit noch so kleinen Budgets etwas Neues zu wagen. Und nicht die tausendste Sketchshow ins Programm zu hieven, die auf Frauen-und-Männer-Witze setzt.