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Artikel Tagged ‘Kayvan Novak’

Die Britcoms des Jahres 2015

29. November 2015 5 Kommentare

Dieses Jahr stehen, weil ich mein Blog übers Jahr ein wenig vernachlässigt habe, wohl doch ein, zwei Neuigkeiten in dem alljährlichen Humorkritik Spezial, das gerade in der Dezemberausgabe der Titanic erschienen ist.

FUCK POLITICS!

Zu welchen Waffen soll politische Comedy noch greifen, wenn sie von der Wirklichkeit so in den Schatten gestellt wird wie unlängst in Großbritannien geschehen? Kein Wunder, dass sich die Britcoms des Jahres vollends ins Private verabschiedet haben.

David Cameron und das #piggate: Wenn die Wirklichkeit erst einmal so weit ist, dass in den Köpfen von Millionen Menschen Bilder vom Penis des ersten Mannes im Staate in der Schnauze einer toten Sau entstehen, dann hat die Comedy ein Problem. Dann haben nämlich die Nachrichten zur Satire aufgeschlossen: 2011, in der ersten Folge „Black Mirror“ (Channel 4) malte Charlie Brooker aus, wie eine englische Prinzessin entführt wird und die Forderung der Erpresser eben die ist: dass der Premier (Rory Kinnear) live im Fernsehen ein Schwein, nun ja, beglückt. Worauf dieser, nachdem er die Sympathien der Öffentlichkeit verliert, schließlich eingehen muss. So verblüffend waren die Parallelen, dass Brooker sich genötigt sah zu erklären, er habe selbstverständlich von diesem Detail aus Camerons Biographie nichts gewusst. Woher auch.

Life imitates art: Wenn selbst derart drastische Scherze in den Bereich des Möglichen rutschen, was bleibt da der Britcom noch übrig? Die politischen Sitcoms 2015 jedenfalls suchten ihr Heil darin, zu einer harmloseren, einer realistischeren Realität zurückzukehren: die „Ballott Monkeys“ (Channel 4) von Andy Hamilton und Guy Jenkin („Outnumbered“) hielten sich vorwiegend in den Omnbiussen von vier Wahlkampf-Teams auf, die bis zur General Election im Mai unterwegs waren und produzierten so eine dialoglastige Serie, die zwar recht komische Momente hatte, der Aktualität geschuldet aber keine große Halbwertszeit.

„Asylum“ (BBC4) dagegen nahm sich der Kasernierung eines egomanen Whistleblowers (Ben Miller) in einer Londoner Botschaft an (Julian Assange lässt grüßen) und bediente mit stark überzeichneten Figuren einen recht burlesken Humor — das allerdings nur mit sehr durchwachsenen Resultaten.

Die zweite Staffel „W1A“ (BBC2) dagegen, der wiederum sehr satirische Blick auf das Innenleben der BBC, war abermals brillant, womöglich sogar besser als die erste Staffel, und sicher die beste Serie unter den vorgenannten.

Das aber war’s dann auch mit politischer Satire. Der Rest: bleibt in der Familie.

„Boy Meets Girl“ (BBC2) etwa: Da hört man direkt schon im Titel das Understatement, mit dem prompt in der ersten Szene schon gebrochen wird. Denn das girl (39) ist in diesem Falle nicht nur deutlich älter als der boy (26), sondern war bis vor Kurzem noch ein Mann, jedenfalls dem äußerlichen Anschein nach. Dass „Boy Meets Girl“ aber trotz des großen Themas Transexualität eine old school Britcom ist: das ist genau die Größe dieser Serie, die zu den besten neuen Comedys des Jahres zählt. Denn mit dieser Normalität, ohne billige Witze mit Männern in Frauenkleidern, ohne dass die Protagonistin Judy (Rebecca Root, tatsächlich trans) dabei sad, bad or mad wäre, wie das Fernsehklischee es bis dato gebot, gab es tatsächlich noch keine Show über Transexualität. Auch Amazon Videos hochgelobtes „Transparent“ etwa kommt ja ohne melancholisch-problematisierende Töne nicht aus. Hier aber wurden in englischen Kritiken sogar Vergleiche mit „Gavin & Stacey“ (BBC3, 2007 – 10) gezogen, einer der wärmsten Familien-RomComs des letzten Jahrzehnts. Und in der Tat: Hie wie da sind es kulturelle Unterschiede (bei „Gavin & Stacey“ war ihre Familie aus der walisischen working class und seine aus der gehobenen Mittelschicht des Londoner Umlands), die für Reibung sorgen — aber eben absolut lösbare, praktische Konflikte, die keiner moralischen oder ethischen Diskussion bedurften, sondern dessen, was Engländer am Besten können: Diplomatie und Kompromisse. Fair play FTW!

Das nun ist die eine Möglichkeit, die viele DomComs des vergangenen Jahres nutzen: Das Familienleben mit einer ungewöhnlichen Idee aufzubohren. So tut es beispielsweise auch die zweite Staffel des ebenfalls sehr schönen „Catastrophe“ (Channel 4, siehe das Britcom-Humorkritik Spezial vom letzten Jahr), in dem Sharon (Sharon Horgan) und Rob (Rob Delaney) sich kaum kennen, aber zusammen ein Kind erwarten. Dieses Jahr ist schon das zweite da. Oder, und darauf sind verblüffend viele Britcom-Autoren 2015 gekommen, man bedient sich bei seiner Vergangenheit und verlegt gleich die ganze Serie in die Siebziger — oder adaptiert seine Kindheit in die Gegenwart.

So machen es die Schwestern Caitlin und Caroline Moran, erstere Times-Kolumnistin, in ihrer Sitcom „Raised By Wolves“ (Channel 4). Die beschreibt die Adoleszenz ihrer Autorinnen als fröhlich hippiesker Bodensatz der Gesellschaft ohne Schulbildung und Vater, dafür mit drei Geschwistern und einer Mutter mit ordentlich Durchsetzungskraft. Vor allem der 16jährigen Hauptdarstellerin Helen Monks als pummelige Germaine (Caitlin) ist es zu verdanken, dass „Raised By Wolves“ einer der Geheimtipps des letzten Jahres geworden ist: Monks’ Mimik und ihre Präsenz geben ihrer übersexualisierten Figur eine Energie, die ihre Dampfplauderei über ihre Vagina, ihre Periode und ihre notorische Geilheit auf einen gleichaltrigen bully zu einem komischen Trommelfeuer werden lässt, das nicht nur ihre Schwester (und vermutlich manchen Zuschauer), sondern auch ihre Mutter Della in den Wahnsinn treibt: „Living with you’s been like having a horny gorilla in the house.“ Immerhin können geile Gorillas ja auch sehr komisch sein. Wenn man nicht mit ihnen zusammenwohnen muss.

„The Kennedys“ (BBC1) und „Cradle To Grave“ (BBC2) dagegen verlegen ihren Schauplatz direkt in die Siebziger, aber während sich die „Kennedys“ (von Emma Kennedy autobiographisch angelegt) fast ein bisschen zu sehr auf alte Klischees (und das Talent von Katherine Parkinson) verlassen, lebt Danny Bakers ebenfalls autobiographische Serie, eine Art „Only Fools And Horses“ (BBC1, 1981 – 91) in den Siebzigern, von etwas authentischeren Tönen. Und von Hauptdarsteller Peter Kay („Phoenix Nights“).

Den ich allerdings für seine andere Sitcoms dieses Jahres mehr loben möchte: „Car Share“ (BBC1), eine Art Sitcom-Kammerspiel, das fast ausschließlich die Autofahrten zur Arbeit und nach Hause erzählt, bei denen John (Kay) seine Kollegin Kayleigh (Sian Gibson) zum Supermarkt mitnimmt, in dem sie beide arbeiten. Minimalistisch (heißt: kostengünstig), aber sehr komisch, weil ideenreich: Schon in der zweiten Folge etwa wird das Prinzip aufgebrochen, und wir finden die beiden nicht auf dem Arbeitsweg, sondern in einer Trauer-Kolonne für den verstorbenen trolley collector, der, wie es seinem Job entsprach, in einem Sarg auf einer Schlange Einkaufswagen seiner Beerdigung entgegengeschoben wird. Schön, dass Peter Kay nach Jahren der Bildschirmabstinenz wieder zu sehen ist.

Eine der bösesten Sitcoms des Jahres aber hat zwar einen Briten in der Hauptrolle: Steve Coogan, der im United Kingdom allmählich vermisst werden dürfte. Sie stammt aber aus den USA: „Happyish“ (Showtime) von Shalom Auslander. Sarkastischer wurden die Abgründe von Werbeagenturen nie beschrieben als hier, in diesem „Mad Men“-Antidot, das sich nicht zu schade ist, Coca Cola mit Faschismus gleichzusetzen. Aber dafür, dass es die ganze Zeit um Depressionen, Judentum und jugendliche, soziopathische Vorgesetzte geht, die Thom Payne (Coogan) das Leben zur Hölle machen, ist es doch ziemlich komisch geworden.

Genau das richtige für allzu besinnliche Weihnachtstage also.

Mangels Platz auf einer Doppelseite fehlen auch dieses Jahr natürlich wieder etliche Serien, unter anderen „Pompidou“ (BBC1) und „Sun Trap“ (dito BBC1), die diesjährigen Star-Vehikel für Matt Lucas („Little Britain“) respektive Kayvan Novak („Fonejacker“, „Four Lions“). Weil aber beide Serien derart medioker waren — erstere in ihrem Versuch, „Mr. Bean“ als verarmten Adeligen zu kopieren, letztere in ihrem Versuch, Novaks Wandlungsfähigkeit in einen hanebüchenen Schmarrn um einen Undercover-Journalisten in Spanien zur Schau zu stellen –, ist es (glaube ich) kein Verlust, dass sie hier nicht vorkommen.

Wer glaubt, es fehlt eine relevante Britcom des Jahres (etwa die neunte und letzte Staffel „Peep Show“, die derzeit läuft), schreibe das bitte in die Kommentare. Dann hole ich das ggf. nach und kann wengistens in der kommenden Jahresendabstimmung nochmal was dazu sagen.

Schön böser Onkel

22. Februar 2014 4 Kommentare

Es ist dann doch nicht alles so böse und finster, wie man zuerst denkt.

Aber erstmal liegt Onkel Andy (Nick Helm), moppelig und unrasiert, mit Liebeskummer in der Badewanne und macht Anstalten, seinem Versagerleben ein Ende zu setzen. Freundin Gwen (Sydney Rae White) hat ihn verlassen, seine „Karriere“ als Musiker findet ausschließlich in seiner Phantasie statt, und Andy ist kurz davor, ein Radio im Wasser zu versenken, als seine Schwester Sam anruft (Daisy Haggard, momentan auch in der sehr guten dritten Staffel „Episodes“ als humorlose Comedy-Senderchefin zu sehen): Ob Andy nicht seinen Neffen Errol (Elliot Speller-Gillott) von der Schule abholen könnte?

Andy lässt sich breitschlagen und holt den spießigen, nerdigen, von Allergien und Naivität geplagten zwölfjährigen „Roly“ von der Schule ab — Vorhang auf für eine neue Variation des odd couple, Vorhang auf für „Uncle“ (BBC3, alle sechs Folgen sind bereits gelaufen).

Das  Verhältnis der beiden ist sofort ziemlich angespannt („Why couldn’t mom pick me up?“ — „Because she’s dead. I’ve come to take you to identify the body.“ — „That’s not funny.“ — „Well, I’m only a chauffeur, I’m not a bloody comedian“), doch dann stellt sich heraus, dass Roly Andy womöglich nützen kann, nämlich dabei, seine Angebetete Gwen zurückzuerobern, indem er ihn als seinen eigenen Sohn und sich als Alleinerziehenden ausgibt („About a Boy“ lässt grüßen). Auch wenn er Roly dazu in den Schwulen-Nachtclub ihres Vaters Val schleifen muss (Con O’Neill in einer Rolle als Transsexueller, für die Noel Fielding leider zwanzig Jahre zu jung war).

Klar ist das alles ein bisschen düster. „Uncle“ trägt deutlich die Handschrift der Produktionsfirma Baby Cow, deren Produzenten Steve Coogan und Henry Normal auch hier ein Händchen für Nachwuchstalent bewiesen haben, indem sie Oliver Refson haben schreiben und Regie führen lassen.

Aber „Uncle“ wird recht zügig auch warm und herzlich. Denn natürlich kann Andy nicht zulassen, dass sein Neffe während eines Kindergeburtstags vom stiernackigen Gastgebersöhnchen gequält wird. Natürlich will er Roly teilhaben lassen an seinem, Andys, großen Wissensschatz über Frauen und das Leben („Now, jokes. Women love good jokes. For instance, why do blondes wear knickers?“ — „Why?“ — „To keep their ankles warm“). Und natürlich nützt es ihm, Andy, selbst am meisten, mit seinem Neffen eine Band zu gründen (mit der er an einem Wettbewerb im Gayclub teilnehmen will), aber auch Roly hat etwas davon, denn so kommt er seiner, Rolys, eigener Flamme näher.

Überhaupt, die Musik. Refson hat in jede Folge einen Song eingebaut, meist plus zugehörigem Video. Die funktionieren auch für sich ganz prima, auch wenn es vermutlich nützt, die Figur Andy zu kennen, um die melodramatische Großspurigkeit etwa von „No Survivors“ komisch zu finden, das die BBC dankenswerterweise in voller Länge online bereitstellt:

Zum Schluss ist es nicht Andy, der den Plattenvertrag erhält (von Gaststar Kayvan „Four Lions“ Novak), sondern Roly. Dafür wird Andy noch von Rolys Vater Ben gedemütigt (eine weitere Paraderolle für Nicholas „Nathan Barley“ Burns), von der Ex-Schwiegermutter seiner Schwester und natürlich von Caspar, dem neuen Freund Gwens. Aber zum Glück gibt es ja immer noch die Familie — wenn sie hier auch schon fast mehr Patchwork als Familie ist. „We don’t need to be friends, darling, we’re family“, heißt es in einer Szene.

Im noch recht jungen Britcom-Jahr 2014 gehört „Uncle“ vorläufig zu meinen Favoriten. Viel britischer wird’s nicht als hier: Schmutzig, lustig und düster. Ein Loser erster Kajüte und ein altkluger Rotzlöffel in den Hauptrollen, sympathische Transsexuelle und rekonvaleszente Drogenabhängige in den Nebenrollen, dazu ein paar gute Frauen (neben Sam etwa Rolys Lehrerin Melodie (Esther Smith)) — das gibt schon mal ziemlich viele von zehn Punkten.

„Uncle“ war im Königreich sowohl ein Quoten- als auch ein Kritikererfolg, die BBC hat schon eine weitere Staffel „Uncle“ bestellt, und die erste erscheint deshalb leider erst Anfang 2015 auf DVD.

„Skins“ macht den Deckel drauf

3. Juli 2013 4 Kommentare

Schon einige Male habe ich hier im Blog „Skins“ (E4, seit 2007) gepriesen, das Comedydrama aus dem englischen Norden, in dem die jeunesse dorée, die vergnügungssüchtige Großstadtjugend, ihre problematischen Lebensverhältnisse mittels Sex, Drogen und lauter Musik zu bewältigen versucht. Bryan Elsley und Jamie Brittain, letzterer ist Sohn des ersteren, haben es geschafft, sehr glaubwürdige Charaktere zu erschaffen, die sie je in den letzten beiden Schuljahren begleiten — pro Episode mit einer der Hauptfiguren im Mittelpunkt. Diese Form der Erzählung wiederum hat es mit sich gebracht, dass der größte Teil des Casts je nach zwei Staffeln ausgetauscht wurde; nach sechs Staffeln hat die Serie also ganze drei Generationen verschlissen. Dass sie trotzdem das Niveau der ersten beiden Staffeln weitgehend halten konnte (leichte Schwächen wurden in den letzten beiden Seasons trotzdem sichtbar), zählt zu den große Leistungen der Show.

Nun gehen, nach der Absetzung durch E4, die Digital-Tochter von Chanel 4, allmählich die Lichter aus bei den „Skins“ (die Serie heißt nach den Zigarettenpapierchen, aus denen hier ausschließlich Joints gebastelt werden). Zuvor allerdings gibt es eine ungewöhnliche siebte Staffel, bestehend aus sechs Folgen, in denen über drei Doppelfolgen hinweg je eine Figur begleitet wird, um zu zeigen, was aus ihr geworden ist.

In der ersten Folge, die nun gelaufen ist, ist es Effy Stonem (Kaya Scodelario), mittlerweile 21, die in ihrer eher aussichtslosen Karriere als Rezeptionistin einer Hedge-Fond-Bank in London festzustecken scheint — bis ihr in einem Geschäftsbericht eine Unregelmäßigkeit auffällt. In der Folge wird sie von ihrem (auch amourös interessierten) Boss (Kayvan Novak, „Facejacker“, „Four Lions“) entdeckt, muss aber wenig später feststellen, dass sie womöglich zu hoch gepokert hat.

Effy ist die einzige Figur, die es trotz der Neubesetzung des Hauptcasts geschafft hat, in mehr als zwei Staffeln dabei zu sein: in Series 1 und 2 war sie nämlich schon als jüngere Schwester von Tony Stonem (Nicholas Hoult) an Bord. Konsequenterweise kriegt sie hier unter dem Titel „Skins Fire“ zwei Folgen. Die anderen beiden Doppelfolgen werden sich um Cassie (Hannah Murray, „Game of Thrones“) drehen („Skins Pure“) und um Cook (Jack O’Connell) („Skins Rise“), beide Mitglieder der ersten (Cassie) bzw. zweiten Generation (Cook). Die schwächste dritte Generation geht leer aus.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Idee gut finde, das bewährte Schema von „Skins“ zu verlassen und dafür ein „Was aus ihnen wurde“ zu zeigen. Zwar ist Effys Story nicht schlecht, und die Vorstellung, dass die charakterlich eher nicht durchgehend einwandfreie Bande von Kindern aus früheren Staffeln nun plötzlich ihre Finger in Bankgeschäften haben, bei denen es um Millionen geht, ist schon ganz hübsch. Allerdings fehlen mir einige tragende Säulen früherer Staffeln, vor allem die Interaktion mit anderen Figuren der Serie (hier taucht nur noch Effys Mitbewohnerin Naomi aus der zweiten Generation auf). Auch eine staffelübergreifende Geschichte zeichnet sich hier nach der ersten Episode noch nicht ab.

Hoffentlich wird die siebte Staffel „Skins“ nicht zu einem überlangen Epilog, zu dem, was sonst vor den Credits am Schluss eines Filmes eingeblendet wird: „What happened to…“ — das könnte sich ziehen, und allzu große Lust auf viele neue Figuren, die nur für eine oder zwei Folgen eingeführt werden, habe ich nicht. Vielleicht kriegen die „Skins“-Macher aber die Kurve noch, ist die Enttäuschung über die strukturellen Änderungen in der letzten Staffel schon bei Folge zwei verflogen oder entwickelt sich noch ein Groß-Plot, der als Klammer funktioniert. Das würde mich freuen, denn einen würdigen Abschluss hätte diese großartige Serie auf jeden Fall verdient.

Come on, Sirens

6. Juli 2011 1 Kommentar

In den Straßen und Sozialbauwohnungen von Leeds, hoch im Norden Englands, tummeln sich (insbesondere des Nachts) genügend Gestalten, die einen Sanitäter an der Menschheit zweifeln lassen können: schwer betrunkene Obdachlose, Streithähne mit offenen Wunden und komatös besoffene Schwangere mit soviel Übergewicht, daß selbst drei Sanis sie kaum die vier Stockwerke hinuntertragen können. Kein Wunder also, daß in „Sirens“ (Channel 4) der Sanitäter Stuart (Rhys Thomas, „Fast Show“, „Nathan Barley“, „Star Stories“, „Bellamy’s People“) an der Menschheit zweifelt und lieber an Biologie und Chemie glaubt als an psychologische Mätzchen.

https://www.youtube.com/watch?v=P4W-_Dl7f5Y?version=3&hl=de_DE

Mit überschaubarem Erfolg: Nach einem Einsatz bei einem dramatischen Autounfall, der Eröffnungsszene der ersten Folge, soll Stuart mit seinen beiden Crew-Kollegen Ashley (Richard Madden) und Rashid (Kayvan Novak, der unterbelichtete Terroris aus „Four Lions“) zur psychologischen Betreuung. Aber was ist so eine posttraumatische Belastungsstörung schon für einen Intellektuellen wie ihn? Mit seinem Titelgebenden „Up, horny, down“-Syndrom wird er schon fertig — indem er es unterdrückt, verdrängt, und weder der Euphorie noch der sexuellen Erregung nachgibt, die einem in so einem Fall die Synapsen fluten, bevor die depressive Phase beginnt. Während sich Rashid und Ashley die Seele aus dem Leib vögeln, bleibt Stuart nur, zu seiner (platonischen) Freundin Maxine (Amy Beth Hayes) zu gehen, um bei ihr abzuwarten, bis alles vorbei ist. Das ist zumindest der Plan. Allerdings empfindet Maxine es nicht gerade als Kompliment, daß Stuart sie ob ihrer niedrigen sexuellen Anziehungskraft auf ihn ausgesucht hat — und setzt ihn vor die Tür.

Natürlich geht Stuarts Verdrängungsstrategie nicht auf. Natürlich muß er am Schluß von der psychologischen Betreuerin erfahren, daß auch diese Verdrängung eine natürliche Reaktion auf Streßerfahrungen ist, wie sie bei Sanitäter-Einsätzen nun einmal vorkommen. Und natürlich geht es auf dem Weg zu dieser Erkenntnis um sehr viel Sex. Nicht nur in der ersten Episode.

Das ist das Set-Up des neuen Comedy-Dramas von Channel 4: ein ebenso smarter wie misanthroper Sanitäter, zwei Sidekick-Kumpel (einer orientalischer Abstammung, einer schwul) und eine beste Freundin. Maxine ist Polizistin, so daß er ihr regelmäßig bei Einsätzen begegnet, ebenso wie den Jungs von der Feuerwehr. Mit denen liefern sich die Sanitäter regelmäßig Wettrennen zum Einsatzort — für Buben und ihre Spielzeuge, ein ewiger Quell der Komik, ist also reichlich gesorgt.

Sehr innovativ ist das zwar nicht. Einige Charakterzüge Stuarts lassen ab und zu an „House“ denken, und etliche Standardsituationen (wie das regelmäßige bollocking vonseiten Stuarts Vorgesetzter wg. Kompetenzüberschreitung und Beschwerden über seine schroffe Art) ebenfalls. Womöglich würden auch ein paar mehr Gags „Sirens“ nicht schaden. Das aber macht die Serie (bislang, nach zwei Folgen) mit viel Charme und hohen Schauwerten wett, und auch der Soundtrack ist vom Feinsten. Zwei der Autoren, Tony Basgall und Sarah Phelps, haben bereits je eine Folge für „Being Human“ geschrieben; Creator Brian Fillis hat mit „Fear of Fanny“ (2006) schon einen sehenswerten Film vorgelegt.

Wenn „Sirens“ also noch ein bißchen besser eingestellt wird, eine kleine Lustigpille hier und ein Innovations-Zäpfchen da, dann könnte der Serie noch ein langes Leben bevorstehen. Von meiner Seite jedenfalls: Alles Gute, „Sirens“.

British Comedy Awards: Die Gewinner

23. Januar 2011 Keine Kommentare

Ganz wie erwartet, hat vor allem Miranda Hart für ihre Tollpatschcom „Miranda“ (BBC2) abgeräumt bei den diesjährigen British Comedy Awards: Nämlich in den Kategorien „Best New British TV Comedy“ und „Best Comedy Actress“, und den „People’s Choice Award“ gab’s gleich obendrauf. Nur in der Abteilung „Best Sitcom“ hatten „The Inbetweeners“ die Nase vorn. Was an „Miranda“ new sein soll, entzieht sich meinem Verständnis: die erste Staffel lief schon 2009 (ok, sie lief 2009 an), und altmodischer als „Miranda“ kann Sitcom kaum sein. Was soll’s, dem breiten Publikum gefällt’s halt, und so seien ihr die drei Awards gegönnt, auch wenn sie nun wirklich kein bißchen frischen Wind in das Genre gebracht hat.

Erfreulicher ist da schon, daß tatsächlich „Newswipe“ in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Programme“ gewonnen hat, auch wenn sich Charlie Brooker nicht gegen Harry Hill als „Best Comedy Entertainment Personality“ durchsetzen konnte.

Daß „The Armstrong & Miller Show“ den „Best Sketch Show Award“ an die Kindersendung „Horrible Histories“ verloren hat: Meh. So gut „Horrible Histories“ sein mag, ich bevorzuge Comedy für Erwachsene.

Peter Capaldi kann sich über den Award für den „Best Comedy Actor“ für seine Rolle in „The Thick Of It“ freuen, das allerdings in der Kategorie „Best Sitcom“ nichts gerissen hat, und Kayvan Novak über seine Auszeichnung für die „Best British Comedy Performance In Film“, die ihm „Four Lions“ eingebracht hat.

Zuguterletzt: Sam Bain und Jesse Armstrong („Peep Show“ sowie ungezählte Co-Autorenschaften von „The Thick Of It“ bis „That Mitchell And Web Look“) haben den „Writer’s Guild Of Great Britain Award“ abgeräumt — verdientermaßen.

Bedauerlich ist und bleibt allerdings, daß weder „Rev.“ noch „Whites“ etwas abgekriegt haben vom schönen Awards-Segen — beide hätten es verdient gehabt. Tom Hollander war immerhin nominiert („Best Comedy Actor“); daß aber „Whites“ nicht einmal eine Chance hatte: Shame! Shame!

The British Comedy Award 2011: Nominations

16. Januar 2011 Keine Kommentare

Nächsten Samstag werden die British Comedy Awards 2011 verliehen, und die Jury hat gestern die Nominierten bekanntgegeben. Aus dieser Liste geht imho vor allem eines hervor: 2010 war kein sehr gutes Comedy-Jahr.

Über die Nominierungen für „Comedy Panel Shows“ gehe ich hinweg — ich sehe sie einfach nie, auch wenn bestimmt sowohl „Have I Got News For You“ wie auch „Shooting Stars“ und „Would I Lie To You?“ ihre Meriten haben. Ich tippe mal, HIGNFY wird gewinnen, weil das Konzept der Show, Comedy-Improvisationen zu aktuellen Nachrichten, so anspruchsvoll ist. Neu ist es allerdings nicht — HIGNFY läuft seit 1990 in der BBC. Und lustiger fand ich während meines Englandurlaubs „Would I Lie To You?“, bei dem die Panels erraten müssen, ob die (autobiographischen) Geschichtchen, die von Gästen zum Besten gegeben werden, tatsächlich stimmen oder frei erfunden sind.

Als „Best Comedy Entertainment Programme“ sind „Harry Hill’s TV Burp“, „The Graham Norton Show“ und „Newswipe“ nominiert. Toi, toi, toi für Charlie Brooker — allerdings ist „Newswipe“ kein genuines Comedy-Format.

Charlie Brooker ist neben Ant & Dec und Harry Hill ebenfalls einer der Nominierten in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Personality“. In den Kategorien „Best Male Comic“ sind David Mitchell, Harry Hill und Michael McIntyre am Start, „Best Female Comic“ sind entweder Jo Brand, Sarah Millican oder Shappi Khorsandi. Bei den Herren fände ich Mitchell am sympathischsten (und sowohl Hill als auch McIntyre ausgesprochen unsympathisch); bei den Damen kenne ich nur Jo Brand, und die war zumindest in „Getting On“ ganz gut.

Jetzt aber: „Best New British TV Comedy“. Hier stehen „Grandma’s House“, „Miranda“ und „The Trip“ zur Auswahl, und ich schätze mal, „Miranda“ macht das Rennen. Schon weil die beiden anderen Nominierten entweder so wenig zur Identifikation einladende Figuren wie Simon Amstell in der Hauptrolle spazierenführen, oder kaum laute Lacher erzeugen konnten wie Coogans und Brydons „Trip“, das doch eher ein stiller Schmunzler für die Zeit nach Mitternacht war.

Ich muß allerdings zugeben, daß mir die zweite Staffel „Miranda“ überraschend doch noch ganz gut gefallen hat. Nicht zuletzt, weil ich der Frau mal eine Folge gezeigt habe, und ihr diese altmodische Slapstick-Sitcom mit der tollpatschigen Miranda umstandslos so ans Herz gewachsen ist, daß sie mehr sehen wollte. Was will man da machen! Nach drei Folgen hatte sie mich dann.

Warum aber fehlen „Whites“ und „Rev.“? Beide hätte ich „Grandma’s House“ in jedem Fall vorgezogen.

Die „Best Male/Female Breakthrough Artists“ überspringe ich gerade mal und komme direkt zu den „Best Sketch Shows“, which are: „Harry & Paul“, mit dem ich leider wenig anfangen kann, trotz der eigentlich guten Harry Enfield und Paul Whitehouse, „Horrible Histories“ (gut, aber genaugenommen ein Kinderprogramm) und „The Miller & Armstrong Show“. Letztere meine Favoriten, wie aufmerksamen Lesern dieses Blogs nicht entgangen sein wird. Nicht auf der Shortlist: „That Mitchell & Webb Look“, was in der vierten Staffel mittlerweile leichte Ermüdungserscheinungen zeigt.

„Best Sitcom“: „Miranda“, „The Inbetweeners“ und „The Thick Of It“. Es wird natürlich „Miranda“, schon weil sie so dermaßen erfolgreich war; die letzte Staffel „The Thick Of It“ lief m.W. schon 2009, es ist mir nicht klar, warum das dieses Jahr wieder nominiert ist. Gar nicht erst nominiert: „The IT Crowd“. Aus guten Gründen.

„Best Comedy Actor“: Nominiert sind James Buckley („The Inbetweeners“), Peter Capaldi, Rob Brydon („The Trip“) und Tom Hollander („Rev“), bei den Damen Jo Brand, Katherine Parkinson und Miranda Hart.

Und zum Schluß: „Best British Comedy Performance In Film“: Neben dem (mir unbekannten) Aaron Johnson („Kick Ass“ — hä?) sind Kayvan „Hands too big“ Novak und Nigel „We’re bombing the mosque“ Lindsay aus „Four Lions“ nominiert, der auf diesem Weg wenigstens noch mal ein bißchen zu seinem Recht kommt. Natürlich wäre es mir ein Fest gewesen, wenn als drittes noch Riz Ahmed in der Hauptrolle als sympathischer Selbstmordattentäter auf der Liste gewesen wäre, aber man kann nicht alles haben.

Nächsten Samstag wissen wir mehr; meine Spannung hält sich allerdings in Grenzen — es wird eh alles „Miranda“ gewinnen. Behaupte ich jetzt einfach mal.