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Artikel Tagged ‘Mad Men’

If you’re happy and you know it shit your pants

10. Juni 2015 1 Kommentar

„HAPPYish. Created by Shalom Auslander. Starring Samuel Beckett, Albert Camus, and Dr. Alois Alzheimer“ lauten die Opening Credits von „Happyish“ (Showtime, sieben von zehn Folgen sind bereits gelaufen). Aber was soll uns das sagen?

Während man darüber noch mit zumindest einer halben Gehirnwindung nachdenkt (ja, der Autor heißt wirklich Shalom Auslander), stellt „Happyish“ uns Thom (Steve Coogan) vor, der gerade 44 wird und Werber in New York ist, und der (nach einem Eingangs-rant gegen den Begriff der pursuit of happiness) es hinter einer freundlichen und positiven Attitüde versteckt (oder das zumindest versucht), dass er seinen Job, seine Vorgesetzten, das ganze Leben hasst. Mit Ausnahme seiner Frau Lee (Kathryn Hahn, „Parks and Recreation“) und seines kleinen Sohnes. Andere Kinder dagegen hasst er durchaus und bezeichnet sie als „fucking assholes“, zumindest das von einem befreundeten Ehepaar mitgebrachte Kind, über das sogar die eigene Mutter und ihr neuer Mann schlecht reden: „He’s an asshole because his father was an asshole.“ — „Still. Your ex is still an asshole.“ — „An asshole doesn’t fall far from the tree.“

Alles Arschlöcher also, Gott sowieso, Menschen aber genauso, vor allem die beiden Millenial-Kids aus Schweden, die Thom in seiner Werbeagentur vor die Nase gesetzt bekommt und die sich zwar gut in Sachen social media auskennen, aber von klassischer Werbung keine Ahnung haben. Jedenfalls nicht in Thoms Augen. Und wer würde schon Pepto Bismol, wer würde mithin einem Mittel gegen Sodbrennen auf Twitter folgen?

Thoms Leben ist also die Hölle: die Hölle eines Mittvierzigers, den seine Jugendlichkeit langsam verlässt, der sein Leben lang mit Scheiße verbracht hat: mit Werbung. Denn natürlich ist Werbung nicht glamourös, schon gar nicht so wie in „Mad Men“, sondern das Hinterletzte. Der „Mad Men“-Vergleich fällt auch tatsächlich gleich, und schon damit dürfte es sich „Happyish“ bei einem Gutteil der amerikanischen Fernsehkritiker (z.B. bei Alan Sepinwall) verscherzt haben. (Tatsächlich hat „Happyish“ laut Rottentomatoes bei Kritikern auch nur 30 Prozent Zustimmung, bei Zuschauern aber über 70.)

Thom hasst es, wenig Zeit für seinen Sohn zu haben, die Entlassungswelle in der Agentur mittragen zu müssen und dem Schwachsinn von Kunden und Vorgesetzten ausgesetzt zu sein — etwa Rob Reiner (der sich selbst spielt) als Regisseur einer neuen Cookies-Kampagne, der die Comicelfen durch Kleinwüchsige mit echten Problemen ersetzen will (Krebs, Arbeitslosigkeit). Woraufhin Thom Ärger mit seinen Freunden, den Comicelfen, kriegt.

Denn ja, in jeder Folge treiben entweder animierte Werbefiguren ihr Unwesen, ob es ein Logo-Gecko ist, den Thom natürlich tritt, schlägt und überfährt, oder die Comicelfen oder ein Raumschiff, das Thom und Lee leider nicht mitnimmt. Das ist kurz unterhaltsam, dann nervt es leider etwas, vor allem der Schock-Anteil der Comedy, den 15jährige bestimmt superlustig finden (Comicelfen, die sich erschießen!), aber auf die zielt „Happyish“ ansonsten eher nicht (auf die 15jährigen, meine ich).

„Happyish“ zielt, wie auch „Togetherness“ (HBO, 2015) und „Catastrophe“ (Chanel 4, 2015), auf Menschen meiner Alterskohorte: Mittvierziger, die gerade noch jung waren und nun schon von der nächsten Generation weggespült zu werden drohen, festgefahren in ihren Jobs, die auch dadurch nicht erträglicher werden, dass man jugendlich-coole Hemden trägt („This one says ‚asshole‘ … this one? ‚Half asshole‘ maybe?“). Dabei ist „Happyish“ düster, szenenweise unerträglich düster sogar. Englisch also, was den Ton der Comedy angeht, und Steve Coogan scheint eine ideale Besetzung für Thom zu sein.

Dabei sollte eigentlich Philip Seymour Hoffman diese Figur spielen, hat es in einem (nicht ausgestrahlten) Piloten auch getan. Es wäre seine erste Fernsehrolle gewesen.

Was allerdings gänzlich unenglisch an „Happyish“ ist, ist der moralische Unterton. Der ist sehr amerikanisch. Die ganze Düsterkeit, all der beißende jüdische Selbsthass (Lee ist Jüdin und hat speziell unter ihrer Mutter wohl sehr zu leiden gehabt), die Hoffnungslosigkeit gegenüber Holocaust, Tod und Schuld, hat hier eine moralische Komponente, es scheint dauernd Klage wie Anklage geführt zu werden, was eine britische Sitcom eher nicht tun würde.

Dafür wäre eine britische Sitcom u.U. hin und wieder etwas komischer. Denn selbst wenn man nicht die Beschwerde vorbringen will, die US-Kritiker (wie auch der Guardian) führen: dass Thom und Lee, mit denen wir uns ja identifizieren sollen, wahnsinnig prätentiös und unsympathisch sind (genauso wie das Namedropping im Vorspann, wo noch Sigmund Freud und Adolf Hitler auftauchen), und dass sie nie glücklich wären, egal was passiert, und dass sie immer etwas zu hassen fänden („If he wasn’t complaining about the internet, it would be telephones or electric lightbulbs or women who show their ankles in public“, wie es der Guardian-Kritiker etwas gehässig formuliert), selbst wenn man also nicht die Frage stellt: Warum, um Himmels willen, machst du denn die ganze Scheiße, wenn du alles so schrecklich findest? — dann muss man doch attestieren: „Happyish“ könnte hin und wieder ein bisschen komischer sein, ein, zwei Gags mehr einbauen.

Also: Richtige Gags, nicht nur wieder Schock-Gags, obwohl auch die ja durchaus gut sein können — zum Beispiel der, wo es (ausgerechnet!) um den Cola-Werbespot von 1976 geht, den sog. Hilltop-Spot, der eine zentrale Rolle in der letzten Folge „Mad Men“ spielt, und der hier (leider in Begleitung eines nur ähnlichen Songs, offenbar waren die Rechte an „I’d Like to Teach the World to Sing“ zu teuer) ebenfalls zentral vorkommt, und wo … nein, das verrate ich jetzt nicht. Es ist jedenfalls die gleiche Folge, in der der Thoms Vorgesetzter Jonathan (sympathisch: Bradley Whitford, „West Wing“), der ohnehin ISIS und Al Qaida für ihre Marketingtechnik bewundert, dieses Buch herauszieht und es als die ultimative Werber-Bibel bezeichnet, und schließlich wolle Cola ja ebenfalls nichts anderes als die Weltherrschaft …

… das ist dann doch ein bisschen ehrlicher und lustiger als „Mad Men“.

Die entscheidende letzte Folge, Teil 2: „Mad Men“

21. Mai 2015 5 Kommentare

Den gestrigen Text hatte ich schon vor ein paar Tagen geschrieben, jedenfalls bevor die letzte Folge „Mad Men“ (AMC, 2007 – 15) gelaufen ist. Interessanterweise aber wirft auch sie ähnliche Fragen auf, insbesondere das mehrdeutige Ende der Folge.

Spoilerwarnung: Wer das „Mad Men“-Finale noch nicht gesehen hat, sollte jetzt nicht weiterlesen.

Am Ende dieser Folge nämlich sehen wir Don Draper, wie er nach einer weiteren Flucht vor/Suche nach sich selbst quer durch das amerikanische Heartland in einer Hippie-Kommune, einem Ashram oder etwas vergleichbarem landet, wo Hippies alternative Lebensweisen erproben, sich in Gesprächszirkeln und mit Hilfe von Meditation öffnen, ihre Gefühle preisgeben und sich in Gruppen emotional ausziehen, um mit sich selbst in Einklang zu kommen — das genaue Gegenteil von dem Ort also, wo sich ein Don Draper normalerweise wohlfühlen sollte.

Wider Erwarten aber hat Don eine Art kleineren Zusammenbruch, eine emotionale Katharsis, als er der Lebensbeschreibung eines mittelalten Halbglatzenträgers, eines erkennbar auf Durchschnitt angelegten Heinis zuhört, der seine Außenseiterrolle reflektiert und seinerseits überwältigt von der Flut seiner Gefühle in Tränen ausbricht. Mit ihm spürt Don plötzlich eine gemeinsame Wellenlänge — und entdeckt offenbar all seine eigenen verdrängten Gefühle, ja: kann sie sogar zulassen. (O Gott, was für ein Therapeuten-Vokabular!)

Anschließend sehen wir Don, etliche andere Hippies und ihren Guru/Meditationsleiter, wie sie im Lotussitz sitzen, im Gras über einem Steilhang an einer kalifornischen Küste, und „Ommmm“ machen. Ein Lächeln huscht über Dons Gesicht, und es läuft, letzte Einstellung, die „I want to buy the world a coke“-Werbung von 1971, in der ein Hippie-Chor unter freiem Himmel genau dieses Gefühl von hippiesker Freiheit zu transportieren sucht (und das, dank des Songs, auch ziemlich gut hinbekommt).

Ende.

Nun bleibt, Vorhang zu und alle Fragen offen, die Ungewissheit, was Matthew Weiner sagen wollte: Hat sich Don nun verändert, ist er am Ende zu einem, ähm, Blumenkind geworden, das mit seinen Gefühlen in Übereinstimmung lebt? Oder hat er die Inspiration aus dieser Erfahrung dafür genutzt, die beste Werbekampagne aller Zeiten zu erfinden, für die manche diese Cola-Werbung halten? Und ist aus einer tiefen, echten Empfindung wieder einmal Kommerz geworden, fast hätte ich geschrieben: schnöder?

Weiner selbst erklärt sich nur so halb (kein Künstler, der etwas auf sich hält, sollte sich je erklären): Er lebe mit und in so vielen Ambiguitäten, dass er selbst nicht hundertprozentig wisse, was da los gewesen sei.

Auch ich als Zuschauer war nach dem Ende der Episode erstmal gar nicht auf die Idee gekommen, die Colawerbung könnte von Don gewesen sein. Natürlich liegt das nahe, war er doch vorher schon bei McCann Erickson auf dem Colaaccount gewesen. Aber es wird ja nicht explizit gesagt, es sei Dons kreatives Genie gewesesn, dem diese Kampagne entsprungen ist.

Die Antwort auf die Frage, die sich hier stellt, die „Mad Men“ von Anfang an gestellt hat: Kann sich Don, kann man sich generell verändern, oder bleibt man immer der, der man ist? müsste so beantwortet werden: Wer weiß? Wen interessierts?

Denn selbstverständlich haben wir es hier mit Kunst(-handwerk) zu tun, und selbstverständlich kommt alle Kunst (und auch das bessere Kunsthandwerk) aus seinem Schöpfer, wie die Colakampagne (womöglich) aus Don, wie „Mad Men“ aus Weiner. Man könnte also die letzte Szene mit dem Cola-Spot auch als Synthese aus beiden Positionen lesen (These: man bleibt immer der, der man ist; Antithese: Veränderung ist möglich), als dialektische Verbindung und Aufhebung beider Ansichten, die (ohne dass das in eine der beiden Richtungen ausdeutbar wäre) beides in sich trägt: die Möglichkeit und die Unmöglichkeit zur Veränderung.

Aber es gibt die Möglichkeit zur Kunst und zur Aufhebung der Wirklichkeit in der Kunst.

Und so erklärt sich „Mad Men“ aus genau der letzten Folge, der letzten Szene durchaus selbst: nämlich als Kunstprodukt, das strukturell selbst nichts anderes ist als die Colawerbung. Ein Kunstwerk, das uns vielleicht etwas über die Welt erzählt, und zwar so, dass wir entweder zynisch („alles Kommerz!“) oder mitfühlend darauf reagieren können („das ist er, der amerikanische Traum!“) — aber über eines kann uns keine Serie der Welt etwas erzählen: Über uns je selbst, über den Einzelnen, das Individuum.

Dass aber sich die Gesellschaft verändert, und wir uns in ihr, das ist natürlich die andere Quintessenz von „Mad Men“.

Ich persönlich fand diese letzte Folge „Mad Men“ toll und traurig, vor allem mit all den losen Fäden: Ja, Peggy und Stan kriegen sich (das fand ich den am ehesten forcierten und schwächsten Strang), Joan ist schon wieder an den falschen Kerl geraten und entscheidet sich (vermutlich) eher für den Job als für den Kerl, Betty zahlt den Preis für all die Raucherei in den ganzen sieben Staffeln, Pete entscheidet sich sowohl für Trudy als auch für seinen Job und hat mehr Glück, als man ihm am Beginn der Serie zugetraut oder auch nur gegönnt hätte.

Aber nichts davon wird wirklich zuende erzählt: Betty stirbt nicht (nach der vorletzten Folge dachte ich, in der letzten Folge treffen sich alle bei ihrer Beerdigung), wir wissen nicht, ob aus Joans Plänen zu einer Film- und Fernsehproduktion wirklich etwas wird, und was aus Don wird, bleibt ohnehin vollkommen offen. Genau diese, auch hier: Ambiguität (das Ende wird erzählt und bleibt doch offen) finde ich schon ziemlich gut — und finde, dass „Mad Men“ sich mit diesem Finale also absolut gerecht geworden ist.

Emmy-Nominierungen 2012: Am besten nichts Neues

Die Emmy-Nominierungen sind raus, und insbesondere in puncto Comedy hat die Academy alle auch nur ansatzweise innovativen Shows weiträumig umfahren — auch wenn sich etwa Louis C.K. offenbar selbst keinen Gefallen getan hat.

Die (Nominierungs-)Abräumer des Jahres sind zum größeren Teil seit Jahren geläufig: „Modern Family“ (ABC) ist 14 Mal (!) nominiert, „30 Rock“ (NBC) ganze 13 Mal; neben diesen beiden sind noch der Mainstream-Krempel „Big Bang Theory“ (CBS) von Chuck „Two and a Half Men“ Lorre sowie der Klassiker „Curb Your Enthusiasm“ (HBO) als beste Comedyserien nominiert.

Nicht prominent vertreten unter den Nominierungen ist dagegen die für meine Begriffe phantastisch komische Meta-Sitcom „Community“ (NBC), die eine einzige eher versteckte Nominierung für „Outstanding Writing“ erhalten hat (für die brillante Folge „Remedial Chaos Theory“); das gleichfalls hochkomische „Parks And Recreation“ (NBC) ist ebenfalls lediglich für eher abseitige Auszeichnungen nominiert wie „Outstanding Writing“, „Outstanding Special Class – Short-format Live-Action Entertainment Programs“, „Outstanding Sound Mixing For A Comedy Or Drama Series (Half-Hour) And Animation“ (ja, das gibt es wirklich) und, nun gut, Amy Poehler ist nominiert als „Outstandin Lead Actress In A Comedy Series“.

Louis C.K. hat sich, wenn man dem Blogger und Comedy-Veteran Ken Levine Glauben schenken darf, mit der Auswahl seiner eingereichten Folge „Louie“ (FX) ins Knie geschossen:

There were better, funnier episodes he could have submitted. The first one he offered opens with him waiting at a subway platform. There’s a violinist playing furiously for five minutes and a homeless guy showering by pouring bottled water on himself. This goes on endlessly. Then the subway arrives. We see the refuge of New York City. On a seat there is some disgusting sludge. People stare at it. Louie finally gets us, takes off his jacket, and mopes up the disgusting mess. If you’re a LOUIE fan, I’m fan this was all rollicking. But if you’re not, or you’ve heard good things but were sampling the show for the first time, I think by the seven-minute mark you were done.

Immerhin ist auch Louis C.K. wenigstens zweimal nominiert, für Regie und Drehbuch.

Weitere Überraschung dieses Jahr: „Veep“ (HBO) ist prominent vertreten, obwohl Armando Iannuccis Politsatire um die Vizepräsidentin der USA (gespielt von Julia Louis-Dreyfus, auch als Outstanding Lead Actress In A Comedy Series nominiert) für meine Begriffe nicht so recht funkioniert hat: Dass sich Amerikaner so angiften, wie es für Briten selbstverständlich erscheint, will mir nicht recht einleuchten — zu niedrig erscheinen mir die amerikanischen Hierarchien, als dass auf diesem Weg Komik erzeugt werden könnte, wie es in „The Thick of It“ sehr einleuchtend funktioniert hat.

Viel interessanter als die Comedy-Nominierungen aber sind die für Drama: da rangeln mit „Boardwalk Empire“ (HBO), „Breaking Bad“ (AMC), „Downton Abbey“ (wegen der Ausstrahlung auf PBS trotz britischer Herkunft nominiert), „Games of Thrones“ (HBO), „Homeland“ (Showtime) und „Mad Men“ (AMC) gleich sechs Schwergewichte um die Auszeichnung „Outstanding Drama Series“. Favoriten hier „Mad Men“ mit 17 Nominierungen — und „American Horror Story“ (FX). Letzteres bleibt mir unbegreiflich, denn „American Horror Story“ war wirklich Car Crash TV: So schlecht, dass man nicht wegschauen konnte.

Wer noch mehr wissen möchte: DWDL berichtet ausführlich, und hier gibt es ein .pdf mit allen Nominierungen auf ingesamt 40 Seiten. Viel Spaß.

Spät-edwardianische „Mad Men“

29. Oktober 2011 3 Kommentare

Wenn es irgend ein Fernsehgenre gibt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann, dann das des Kostümdramas. Pompös, gestelzt, langatmig, rührselig — das sind nur die ersten vier Adverbien, die mir dazu einfallen. Kostümdrama ist das genaue Gegenteil von Comedy, das Gegenteil von schnell, böse, subversiv.

Soweit die Vorurteile. Die hielten bei mir genau bis „Downton Abbey“.

Natürlich ist auch „Downton Abbey“ (ITV, zwei Staffeln seit 2010) weder schnell noch subversiv. Und doch hat es mich gekriegt — da, wo mich auch „Mad Men“ gekriegt haben.

„Downton Abbey“ spielt zu Beginn der ersten Staffel im Jahre 1912 in einem (fiktionalen) englischen Anwesen in Yorkshire. Earl Grantham (Hugh Bonneville, „Twenty Twelve“) und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) haben drei Töchter, jedoch keinen Sohn, der jedoch als einziger erbberechtigt wäre. Ihr Plan, die älteste Tochter Mary (Michelle Dockery) mit einem entfernten (aber in der Erbfolge nun oben stehenden) Cousin zu verheiraten, wird jäh hinfällig, als zu Beginn der ersten Folge die Nachricht vom Untergang der Titanic eintrifft, auf der auch dieser Cousin unterwegs war. Nun fällt das Erbe an Matthew Crawley (Dan Stevens), einen jungen und bürgerlichen Advokaten aus Manchester, der zu Beginn der zweiten Folge auf Downton Abbey eintrifft — und mit der ganzen altmodisch-edwardianischen Aristokratie rein gar nichts anfangen kann und will.

Doch so wichtig die Ereignisse im Leben der Hochwohlgeborenen sind, so wichtig sind auch die der vielköpfigen Dienerschaft. Auch downstairs spielen sich Dramen ab; auch hier gibt es innerhalb der Kaste strenge Hierarchien, Ambitionen auf ein besseres Leben, Geheimnisse genau wie upstairs. Nur daß die Dienerschaft in der Regel mehr über die Geheimnisse der Herrschaft weiß als umgekehrt.

Es ist, und hier liegen die Parallelen zu „Mad Men“, eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in Großbritannien. Elektrizität und Telefon halten Einzug, erste Automobile beginnen Kutschen abzulösen; nicht mehr alle Frauen sind mit den ihnen zugewiesenen Rollen zufrieden, und auch nicht alle Bediensteten. Vor allem die Bürgerlichen Matthew und seine Mutter Penelope Wilton bringen Unruhe nach Downton: Penelope, Krankenschwester und Witwe eines Arztes, bringt bald frischen Wind in das örtliche Krankenhaus, und Matthew würde am liebsten sofort alle Angestellten in die Freiheit entlassen. Später werden sich der Erste Weltkrieg (der in der zweiten Staffel viel Raum einnimmt) und die Revolution in Rußland ankündigen und Schatten bis ins beschauliche Downton werfen.

Es sind die großen gesellschaftlichen Verwerfungen, die hier im Kleinen reflektiert werden, und Mittel zum Zweck sind dem Autor Julian Fellowes (selbst Aristokrat)  — für eine TV-Serie vergleichsweise große — Sprünge von ein paar Monaten zwischen den einzelnen Folgen. Wie im Zeitraffer sehen wir so Veränderungen im Gefüge, insbesondere in der zweiten Staffel etwa die Folgen des Krieges: Downton wird zu einem behelfsmäßigen Lazarett, sowohl Mitglieder der Herrschaft als auch der Dienerschaft ziehen in den Krieg und kommen nur zum Teil unbeschadet wieder.

Nie aber wird „Downton Abbey“ über derart großen Themen zum Schinken, nie werden Verrat, Intrigen, Betrug und Mißgunst um ihrer selbst willen erzählt, sondern immer, um im Porträt einer vergangenen Epoche diese mit unserer Zeit vergleichbar zu machen: Wo gesellschaftliche Verantwortungen von denen oben für die weiter unten liegen, wer wen braucht, wie sich das Fließgleichgewicht mit der Zeit ändert. Die Gleichheit, die hier gesellschaftlich so erkennbar nicht vorhanden ist, ist in der Erzählung immer gegeben: Sie nimmt die Sorgen des Earl Grantham genauso ernst wie die der Küchenhilfe Daisy, stellt niemanden bloß, zeigt die Fehltritte von höheren Töchtern wie von Laufburschen und wird dabei nie geschwätzig, sondern bleibt in der Narration, in den Dialogen immer zurückhaltend, während die Kamera dafür umso opulentere Bilder einfangen darf. Pro Folge, heißt es, hat „Downton Abbey“ etwa eine Million Pfund gekostet.

Die waren gut angelegt: „Downton Abbey“ feiert international große Erfolge, darunter elf Emmy-Nominierungen 2011 und 92 Prozent Zustimmung bei Metacritic, was einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde als „von Kritikern am besten bewertete Fernsehsendung des Jahres“ mit sich brachte. „Downton Abbey“ ist die erste britische Show, die diesen Rekord aufgestellt hat.

Die erste Staffel „Downton Abbey“ ist auf DVD erhältlich, die zweite demnächst, nach dem Ende der diesjährigen Staffel wird es ein Weihnachts-Special geben, und für nächstes Jahr ist eine weitere Staffel geplant, die dann im Jahr 1920 beginnen wird.

Mad Men, Sad Men, Happy Men

26. Februar 2010 1 Kommentar

Vermutlich bin ich der letzte, der es noch nicht kannte, anyway: Hier die Sesamstraßen-Version von „Mad Men“. Jetzt bitte „Lost“ und „Breaking Bad“ mit Grobi und Bibo!

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Emmily Lame

21. September 2009 2 Kommentare

Die Emmy-Verleihung birgt keine Überraschung: Schon wieder ein Emmy für „30 Rock“, schon wieder keiner für Hugh Laurie. Dabei hat „30 Rock“ den Zenit m.E. schon in der zweiten Staffel überschritten — irgendwie ist das ja immer noch alles gut und schön, aber nicht mehr überraschend und oft auch nicht mehr so stringent erzählt wie in der ersten Staffel.

Der Drama-Emmy für „Mad Men“ geht in Ordnung, auch wenn ich ihn natürlich „Breaking Bad“ verliehen hätte, das hierzulande zwar in der breiten Öffentlichkeit noch immer unter der Wahrnehmungsoberfläche bleibt, aber in DVD-Junkie-Kreisen mittlerweile schon die Ehre erfährt, die ihm gebührt. Gerade habe ich in illustrer kleiner Runde in Wien aus dem Nichts eine schöne (und schon recht betrunkene) Stunde mit mir weitgehend unbekannten Medienmenschen verbracht, die eingeleitet wurde mit dem an mich herangetragenen Geheimtip „Breaking Bad“ — wer mir so kommt, wird natürlich mit Instant-Freundschaft belegt, und sei’s nur für den Abend. Wenigstens hat der brilliante Bryan Cranston den Emmy für Drama-Hauptrolle abgestaubt.

Ich meinerseits werde mich demnächst mal an die Charts meiner Lieblingsserien des letzten Jahres bzw. gleich Jahrzehnts machen — jedenfalls sobald ich die Herbst-Season überblicken kann. Da steht ja einiges auf dem Programm: „Curb“ geht weiter und „The Office“, in England „Peep Show“, und sogar „Doc Martin“ ist wieder da, über den ich noch eine große Lobeshymne schreiben muß, o ja, o mei, wann soll ich eigentlich noch auf die Wiesn gehen?!