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Archiv für die Kategorie ‘US-Produktion’

Parks and Recs and Kimmy Schmidt

16. März 2015 6 Kommentare

Groß war meine Trauer nach dem Ende von „Parks and Recreations“ (NBC, 2009 – 15): Gerade die siebte Staffel, mit 13 Folgen knapp halb so lang wie die Mehrheit der Staffeln (nur die erste hatte lediglich sechs Folgen und die dritte 16, alle anderen bestanden aus 22 bzw. 24 Folgen), gerade diese Staffel also, die NBC statt am Donnerstag nun Dienstags ausgestrahlt hat, und zwar zum größeren Teil in Doppelfolgen, war noch einmal ein Beleg dafür, welch enormes Potential Amy Poehler und das Ensemble hatten (insbesondere Nick Offerman und Aubrey Plaza), und mit welch brillant komischen Einfällen Greg Daniels und Michael Schur aufwarten konnten.

Allein die Idee, die letzte Staffel zwei Jahre (bzw. drei in der erzählten Zeit) in die Zukunft zu verlegen, so dass sie 2017 spielt, war Gold wert: all die lustigen technischen Gimmicks (allen voran die Smartphones mit Holoscreens), von Gryzzl, einer Firma, die sich zwar wie der Orwellsche big brother verhält, inklusive Datensammeln und Totalüberwachung, aber eben wie ein extrem cooler, hipstermäßiger großer Bruder, dem keiner böse sein kann (Firmenmotto: „Wouldn’t it be tight if everyone was chill to each other?“)!

Auch die persönlichen Veränderungen — Ben (Adam Scott) und Leslie sind nun Dreifacheltern, allerdings sieht man die Drillinge kaum, stattdessen aber die Schneisen der Zerstörung, die sie in der elterlichen Wohnung hinterlassen, Ron führt eine Baufirma namens „Very Good“, Andy (Chris Pratt) hat seine eigene Fernsehshow — erlauben es den Figuren, noch einmal über sich hinauszuwachsen und ihre komischen Seiten noch stärker vergrößert auszuspielen.

Figuren und Stories so stark zu überzeichnen, dass ihr Wahnsinn noch heller strahlt, ohne dabei zu Karikaturen zu werden: das hätte sicher nicht länger als diese eine Staffel lang funktioniert (womöglich nicht einmal über 24 Folgen). So aber, eine halbe Staffel lang, war es der beste Abschluss, den sich „Parks and Recs“ wünschen konnte.

Es wird für Amy Poehler sicher nicht einfach, über Leslie Knope hinwegzukommen. Leslie war ein so guter Charakter — komisch, charmant, durch und durch positiv, was für eine Comedy-Figur eine echte Ausnahme ist: man konnte sich mit Leslie einwandfrei identifizieren — dass die Versuchung groß sein wird, wieder in eine ähnliche Rolle zu schlüpfen, oder eben in eine komplett andere. Beides wäre schade, wie es überhaupt schade ist, dass Leslie Knope nun nie mehr neuen Herausforderungen mehr mit telefonbuchdicken Aktenordnern mit Strategiepapieren begegnen soll.

Ich werde Leslie Knope vermissen, ich werde Ron Swanson, die humane Erscheinungsform der grumpy cat, vermissen, und ich werde die weirdness von April Ludgate vermissen.

Zum Glück allerdings ist genau in dem Moment, wo der Comedygott die Tür hinter „Parks and Recs“ zugemacht hat, auch ein Fenster aufgegangen: das zu „Unbreakable Kimmy Schmidt“.

Tina Feys 13teilige Netflix-Serie hat sich als das perfekte Betäubungsmittel für die Trauer um „P&R“ erwiesen: und die Figur der Kimmy Schmidt (Ellie Kemper aus dem US-„The Office“) mich zunächst auch verblüffend an Leslie Knope erinnert.

Denn auch Kimmy ist eine durch und durch optimistische, aufgekratzt-fröhliche, zur Identifikation einladende weibliche Hauptfigur, für die das Glas immer halb voll und auch noch das schönste Glas auf der ganzen Welt ist. Sie ist ähnlich unerschütterlich, will jedem Menschen Freund sein und sieht die Welt durch die Augen einer Fünfzehnjährigen.

Denn Kimmy ist eine von vier Frauen, die ihr halbes Leben von einem irren Sektenführer (als Gast: „Mad Mans“ Jon Hamm) in einem unterirdischen Bunker in Indiana gefangengehalten worden sind im Glauben, die Welt sei bei einer atomaren Apokalypse vernichtet worden. Erst als Kimmy schon fast 30 ist, werden die „Mole Women“ (wie die Presse sie geringschätzig bezeichnet) befreit — und Kimmy, der sofort klar wird, dass sie sich von diesem Stigma befreien muss, zieht umgehend nach New York und fängt ein neues Leben an. Von nun an ist alles für sie neu — nicht nur, weil sie 15 Jahre von der Welt abgeschnitten war, sondern auch, weil sie die ersten 15 Jahre ihres Lebens in der tiefsten Provinz verbracht hat.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ trägt unverkennbar die Handschrift von Tina Fey (und Robert Carlock, auch bei „30 Rock“ schon als Showrunner mit dabei): unglaublich schnell erzählt, vollgepackt mit absurdistischen Gags, getragen von einem Netz von guten Figuren und deren Beziehungen untereinander. Kimmy lernt die Welt nämlich zunächst durch die Augen ihres Mitbewohners Titus Andromedon kennen (Tituss Burgess), eines arbeitslosen, schwarzen, homosexuellen Musicaldarstellers — das Paradebeispiel einer Figur, die larger than life ist. Und da ist Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski, „30 Rock“), die rich bitch, alleinerziehende Manhattanbewohnerin, bei der Kimmy als Nanny arbeitet.

Schon nach wenigen Folgen aber ergibt sich ein ganzes Geflecht von Figuren, die „Kimmy Schmidt“ zu einem Ensemble erweitern, das dem von „30 Rock“ und „Parks and Recs“ in nichts nachsteht: die verzogenen Plagen von Mrs. Voorhees, ein reicher Schnösel sowie Dong, ein koreanischer GED-Kollege Kimmys, die um ihre Liebe konkurrieren.

Und es gibt etliche Gastauftritte, von Kiernan Shipka („Mad Men“) als Kimmys schlecht gelaunte Halbschwester über „Breaking Bads“ Dean Norris als Titus‘ straight coach bis hin zu Fey selbst als Parodie einer unbegabten Rechtsanwältin.

Aber Ellie Kemper als Kimmy Schmidt ist sicher die beste Besetzung, die man sich vorstellen kann: ihre Präsenz, ihr perfektes Timing, und welch komischen Effekte sie allein mit ihrem Gesicht erzielen kann, mit einem Schmollmund, einem Augenaufreißen, einem ratlosen Augenrollen, ist sensationell. Kemper ist eine große Entdeckung, und sollte „Kimmy Schmidt“ zu dem Erfolg werden, den es verdient, wird sie in acht oder neun Jahren vor dem selben Problem stehen wie Amy Poehler: sie wird mit Kimmy Schmidt verschmolzen sein zu einer der ganz großen weiblichen Comedyfiguren.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ ist, was viele andere Sitcoms nicht sind: hysterically funny. Für einen guten Gag schlägt das Drehbuch da nicht einen Haken, sondern drei, und nach dem dritten läuft es dann einfach mal eine Weile in eine vollkommen unerwartete Richtung und kommt nicht mehr zurück — sondern kippt, nur zum Beispiel, in einen schwarzweißen Musical-Film aus den 30ern über schwule Seemänner.

Das einzig Ärgerliche an „Kimmy Schmidt“ ist, dass es nur 13 Folgen sind, die man auch noch alle auf einmal gucken kann, und nicht, sagen wir, 130, von denen nur eine am Tag kommt. Dann hätte man nämlich viel länger etwas davon. So muss man darauf warten, dass Netflix die zweite Staffel online stellt. Was hoffentlich bald passieren wird, denn „Unbreakable Kimmy Schmidt“ gehört zu den besten, komischsten, genialsten Sitcoms der letzten Jahre.

’s all really good, man!

11. März 2015 1 Kommentar

Mehr als die Hälfte der ersten Staffel „Better Call Saul“ (AMC) ist nun schon durch, und hätte es noch einer Episode bedurft um zu belegen, wie großartig diese Serie ist, wäre es die letzte, sechste Folge gewesen.

Denn in „Five-O“ (dem amerikanischen Slangbegriff für Polizei, der angeblich auf „Hawaii Five-O“ zurückgeht) stand zum ersten Mal nicht Saul Goodman (Bob Odenkirk) im Mittelpunkt, sondern Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), und auch die Tonalität der Show, bis dahin mal mehr, mal weniger komisch, war zum ersten Mal deutlich dramatisch-düster, ging es doch nicht um die lustigen Abenteuer des noch jungen Rechtsanwalts James „Jimmy“ McGill, sondern um die rabenschwarze Backstory des ehemaligen Polizisten Mike.

Damit aber, dass sie es geschafft haben, diese plötzliche Ernsthaftigkeit, diese Dunkelheit, in eine ansonsten eher bunte Show zu integrieren, haben Vince Gilligan und Peter Gould das Fundament für ein viel größeres Haus gelegt, als ich zunächst vermutet hätte, und für eine Show, an die vermutlich schon bald niemand mehr als das Spinoff einer anderen denken wird.

Denn nun, nach einigen Folgen, die sehr gemächlich die Entwicklung des unbedarften Con-Artists McGill hin zum windigen Anwalt von Großkriminellen angedeutet haben, so gemächlich, dass man nach den ersten beiden Folgen noch gar keine Ahnung hatte, wo die Fahrt hingehen soll, nun, nach der Hälfte der ersten Staffel, zeichnet sich langsam ab, dass es genau diese Langsamkeit, mit der die Serie (wie auch schon „Breaking Bad“) Fahrt aufnimmt, ihr eben ein viel größeres Momentum verschafft, als es schnell erzählte, in sich geschlossene Episoden je könnten. Mit diesem Momentum, mit der erzählerischen Wucht, die „BCS“ erreicht, gewinnt die Serie erst einen völlig eigenen Charakter und damit Größe.

Natürlich gleicht „BCS“ dabei „Breaking Bad“ durchaus, wenn man sie doch noch einmal vergleichen möchte: darin nämlich, dass die Show sich ebenso viel (wo nicht mehr) Zeit nimmt, uns ihre Hauptfiguren vorzustellen. Und das aus dem gleichen Grund, wie „BB“ es getan hat: weil die Veränderung der Figuren gezeigt werden soll, weil die Charaktere sich stark entwickeln (Mike allerdings weniger als Jimmy). Sehr literarisch, fast wie in einem Roman breitet „BCS“ den Plot der Serie sehr langsam aus und gibt wichtige Informationen erst ganz allmählich preis, wo old school-Fernsehserien möglichst schnell erklärt hätten, warum welche Figur wo steht, wenn die Handlung beginnt.

Anders als bei „BB“ aber: Eine eigentliche Handlung, eine die Staffel überspannende Erzählung, gibt es (zumindest bislang) nicht (außer ich hätte etwas verpasst), genauso wenig wie die einzelnen Episoden klassische in sich abgeschlossene Handlungen hätten; oft ist es eher ein motivisches Erzählen à la „Mad Men“, Anekdoten, die Charakterzüge illustrieren oder Beziehungen zwischen den Charakteren.

Insofern entzieht sich „BCS“, und auch das macht einen Teil des Reizes dieser Serie aus, auch immer noch einer Beurteilung: Es könnte nämlich in jeder nächsten Folge wieder etwas ganz unerwartet anderes passieren, als man denkt, das womöglich alles in Frage stellt, was man bislang gesehen hat. Genau dadurch wird die Serie auch spannend, obwohl sie auf klassisch spannungserzeugende Cliffhanger und ähnliche Mätzchen völlig verzichtet.

Mein Tipp wäre, dass erst zum Ende der Staffel, vielleicht erst in den letzten beiden Folgen, klar wird, in welche übergeordnete Geschichte Jimmy und Mike verwickelt werden, die dann aber die nächste Staffel bestimmt. Ziemlich sicher wird es genau dann auch klassisch spannend, und ich wette auf einen Cliffhanger am Ende der letzten Folge dieser Staffel, der für Diskussionen und Spekulationen sorgen wird, bis die nächste Staffel beginnt.

Bis dahin ist es aber auf jeden Fall schon mal die beste Serie, die man sich von Gilligan und Gould nach „Breaking Bad“ hätte wünschen können.

#Erwachsenenfernsehen

18. Februar 2015 Keine Kommentare

Schriebe man eine der stärksten Szenen von „Togetherness“ (HBO) ab, käme vermutlich kein Mensch, der die Serie nicht kennt, darauf, dass das komisch ist oder sein soll. Keine Pointe, die sich nacherzählen ließe, kein Slapstick; cringe comedy, komisches Erschaudern vor allzu drastischer Peinlichkeit, ist zwar im Spiel, aber es ist viel mehr als das, was diesen Moment so lange nachwirken lässt.

Was also ist an einem Streit zwischen einem Mann und einer Frau, die schon lange miteinander verheiratet sind, so komisch, dass ich Bauchschmerzen vor Lachen (und aber gleichzeitig auch vor Traurigkeit) bekommen habe? Es ist vermutlich die Unausweichlichkeit, mit der Brett (Mark Duplass) und Michelle (Melanie Lynskey) daran scheitern, ihr Sexleben nach zehn Ehejahren wiederzubeleben, dieser zwischenmenschliche Unfall, eindringlich wie ein schlimmer Eisenbahnunfall in Zeitlupe, verheerend, mit der Wucht von Waggons und Waggons voll Schrott und Steinen, die aus den Schienen springen, sich ineinander verkeilen und niemandem eine Chance lassen, der im Weg steht, keinem Baum, keinem Strommasten, nichts.

Dabei meinen sie es nur gut. Brett Pierson, Tontechniker beim Film in L.A., und Michelle gehen ja doch behutsam miteinander um. Sie sind über die Jahre spießig geworden, aber sie lieben sich; sie lässt ihre ältere (aber attraktivere) Schwester Tina (Amanda Peet) vorübergehend im Haus unterkommen, weil die gerade mal wieder eine nur allzu flüchtige Affäre hinter sich hat, er gibt seinem besten Kumpel Alex (Steve Zissis) Obdach, einem mehr oder weniger gescheiterten Schauspieler, dessen Grundproblem ist, dass er für Hauptrollen zu dick und für Nebenrollen als lustiger Dicker nicht dick genug ist. Diese beiden entwickeln eine ganz eigene Dynamik, als Kontrastfolie zum schwierigen Eheleben der Piersons.

Und klar, Brett ist eine schlimme Pfeife mit schlimmer Frisur und schlimmer Brille (samt schlimmer Angewohnheit, diese Brille hochzuschieben). Aber er ist kein Arsch. Er lädt Michelle ein, überraschend, in ein Hotel, zu einem romantischen Dinner und aushäusigem Übernachten, um mal die Kinder los zu sein, aber die Erwartungen sind zu hoch: Er schiebt ihr wieder das Kopfkissen zurecht, bevor er in sie eindringt, damit sie es bequem hat, was sie hasst, ihm aber nicht sagt; er will alles richtig machen, aber beide kennen jeden Handgriff des anderen schon zu lange und viel zu genau, auch im Voraus, da entsteht kein magischer Moment mehr, kein Funke, die Zündplättchen sind längst feucht, und zwar kann man dies und jenes kurz sagen und klarstellen, um vielleicht Kleinigkeiten zu ändern, aber je mehr man redet, desto weniger spontan und unbefangen ist man, und wenn man erst dreimal „in den Rhythmus kommen“ gesagt hat, wird es furchtbar, wenn man das aber anmerkt, wird es noch furchtbarer, man kann schließlich kein Meeting abhalten, während man Sex hat, keine diplomatischen Gespräche führen, während man ficken will, das geht nicht, da hat man keine Chance, man kann nicht gewinnen.

Und so explodiert er schließlich, unten schlaff und oben verspannt, weil er nicht gewinnen kann und keinen hoch kriegt, und das ist so gemein, weil sie ja auch nichts dafür kann und sich eigentlich freut, dass er sie überraschen will, wo ja ihre eigene Überraschung, ihn mit verblüffend dominantem Begehren zu sexuellem Handeln zu zwingen, auch schon nicht geklappt hat, und es ist alles so traurig und so erbärmlich und gleichzeitig so tragikomisch, weil man meint, es genügt schon, einen Schritt zurückzutreten, dahin, wo man selbst ist, vor der Mattscheibe, um zu erkennen, wie albern und wie lächerlich diese Hemmungen und Verspannungen sind, diese sich selbst reproduzierenden Muster, Abwärtsspiralen, Todesstrudel im Ehebett, schaut euch doch mal an, ihr Trottel! Aber sie können es natürlich nicht, sie sind ja sie selbst und keine Zuschauer, und immerhin erkennt Brett sich ja im Badezimmerspiegel dann doch wieder und findet zu sich zurück und bittet Michelle um Verzeihung, und sie verzeiht ihm natürlich auch sofort.

Das ist alles mehr der ruhige, unaufgeregte Gestus des Independent-Films als der typischen Sitcom, und tatsächlich kommen Mark und Jay Duplass, die Brüder hinter „Togetherness“, auch vom Indiefilm und machen nun ihre erste Sitcom bei HBO, die eine so berührende Nähe zwischen den Figuren herzustellen vermag, eine solche Intimität, dass die kleinen Katastrophen dann richtig weh tun, und da haben wir noch nicht von der Chemie zwischen Zissis und Peet gesprochen, die eine ganz andere ist: er der Loser, sie, die in einer ganz anderen Liga spielt und kein Problem hat, sich an Filmproduzenten ranzuschmeißen, vor denen er sich am liebsten in einer Sofaritze verstecken würde, aber in Wahrheit ist natürlich sie haltlos und er, obwohl nach außen eine lächerliche Figur mit Clownsfrisur, der viel stärkere.

„Togetherness“ ist neben „Catastrophe“ schon die zweite Sitcom, die ich unter #Erwachsenenfernsehen zusammenfassen würde: klar, wegen der Erwachsenenthemen von a) lange Verheirateten oder b) Menschen, die einander erst mit über 40 finden, schwanger werden und sich dann zusammenraufen müssen. Aber #Erwachsenenfernsehen auch, weil es ehrlich ist, nicht der drastisch-komische Reiz (der ja auch sehr komisch sein kann), sondern funny ‚cause it’s true, nicht die typischen Sitcom-Figuren, die alle larger than life sind, sondern eher ein bisschen kleiner.

Deswegen will ich „Togetherness“ auch gar nicht über den grünen Klee loben und Erwartungen von Überwältigung ob der neuen Comedy-Entdeckung wecken, die dann vielleicht enttäuscht werden, denn die Serie ist eher leise und klein und (wenn wir schon bei so viele Anglizismen sind) ein slow burner, weil man Brett nicht wirklich sofort mag, er ist halt doch ein bisschen patronizing, ein bisschen analfixiert, und geht seinem Filmregisseur mit echtem Koyotengeheule auf die Nerven, das er, Brett, extra in einem Tal jenseits der Stadtgrenzen aufgezeichnet hat, obwohl der Regisseur, faktisch falsch natürlich, das Heulen eines Wolfs unter eine Filmszene in Kalifornien gelegt hatte, weil das besser klingt und nicht irritiert wie das merkwürdige Koyotenheulen, und Brett hat natürlich genaugenommen Recht, aber wen interessiert das, niemanden, genauso wenig wie das viele gute Essen, das vom Büffet am Set im Müll landet, obwohl man es doch nicht alles wegschmeißen muss, es ist doch noch gut, aber nur Brett will es retten; armer, nerviger Brett.

Die wahre Entdeckung aber ist freilich Zissis, den ich künftig in allen HBO-Serien sehen möchte, wenn es geht.

„Togetherness“ hat schon eine zweite Staffel zugesagt bekommen, und ich finde es ganz gut, falls man das noch nicht gemerkt haben sollte.

Das „Breaking Bad“, das vor „Breaking Bad“ war

2. Februar 2015 Keine Kommentare

Über den vergangenen Sommer bis vor ein paar Tagen habe ich zwei klassische Serien nachgeholt, die schon lange auf meinem Zettel standen: „The Wire“ (HBO, 2002 – ’08) und „The Shield“ (FX, 2002 – ’08).

„The Wire“ entpuppte sich dabei, genau wie die eingeschworene Fangemeinde das behauptet, als Kunstwerk, das ich gerne gesehen habe, das mir aber (schon wegen der 4:3-SD-Qualität, in der ich es noch gesehen habe, weil die neue Fassung in 16:9 und HD erst jetzt läuft), nun, ein wenig museal vorkam. Auch weil es ohne Untertitel partout gar nicht ging. Aber selbst mit Untertiteln versteht man schnell nur noch Bahnhof, wenn sich Figuren etwa in polizeiinternen Abkürzungen unterhalten, die man sich oft nicht aus dem Zusammenhang erschließen kann, oder wenn es um Strukturen von Justiz und Politik geht, die hierzulande so anders sind, dass auch sie sich nicht selbst erklären. Oder wenn man den Überblick über die allzu zahlreichen Figuren diverser Gangs und ihre Beziehungen untereinander verliert. Ein Dostojewskiroman ist nichts dagegen.

„The Shield“ aber hat mich von der ersten Folge an an den Eiern gepackt.

Eine so harte, dreckige, laute Serie um einen Antihelden, der nach einer fatalen Fehlentscheidung unweigerlich auf ein kriminelles Gleis gerät, in immer tieferen, auswegloseren Strudeln von Schuld und Verbrechen versinkt, dabei Familie, Freunde, Kollegen mitreißt und am Schluss alles zerstört, was er liebt, hatte ich noch nie gesehen … oder hatte ich doch?

Ja, genau, hatte ich doch: in „Breaking Bad“ nämlich.

Nur dass „The Shield“ (2002 – ’08) schon vor „Breaking Bad“ (AMC, 2008 – ’13) da war.

Natürlich unterscheiden sich die beiden Serien fundamental: „The Shield“ ist eine Cop-Serie, in der es allen voran um den korrupten Polizisten Vic Mackey (Michael Chiklis) geht, der als Chef einer Sondereinheit in L.A. die schmutzige Straßenarbeit verrichtet, Drogendealer hochnimmt und Gangmitglieder dingfest macht — aber eben nicht alle. Sondern nur die, die nicht mit ihm zusammenarbeiten.

Dabei aber schießt er, so erfolgreich er auch vorderhand in der Bekämpfung der Straßenkriminalität ist, gewaltig übers Ziel hinaus: Wie bei „Breaking Bad“ gibt es in der Pilotfolge bereits einen Schlüsselmoment, der die Figur definiert und den Geist aus der Flasche lässt, so dass er nie wieder zurückgerufen werden kann. Von da an geht es bergab, bzw. natürlich (wie bei „BB“) erstmal bergauf, aber die lange, zerstörerische Talfahrt lässt sich hier wie da bereits absehen.

„The Shield“ verwendet dabei stilistisch völlig andere Mittel als „BB“, hat pro Folge oft fünf oder mehr parallele Erzählstränge, und Vic Mackey verwandelt sich auch äußerlich längst nicht so stark wie Walter White (und ist außerdem ohnehin von Anfang an kahlköpfig).

Aber meine Entzugserscheinungen seit dem Ende von „BB“ hat „The Shield“ hervorragend bekämpft. Und wer Lust auf eine Achterbahnfahrt hat, die der von „BB“ ähnelt, ohne dass die Ähnlichkeiten so dominant wären, dass einem alles bekannt vorkommt, der möge sich auf mein Wort verlassen und einfach die ersten Folgen „The Shield“ sehen. Am Besten funktioniert das natürlich ohne Spoiler.

Worin also sind sich „The Shield“ und „BB“ so ähnlich? Ohne zu spoilern kann man so viel sagen:

Beide Serien erzählen die Geschichte eines Antihelden, der im Laufe der Serie immer skrupelloser und unmoralischer handelt. Sie diskutieren anhand dieser Figur das Dilemma, das Gute zu wollen und dafür Böses zu tun, und nehmen in Kauf, dass sich der Zuschauer mit einer Figur identifiziert, die auf der dunklen Seite der Macht steht. Tatsächlich gibt es Fans sowohl von „Breaking Bad“ als auch von „The Shield“, die selbst nach dem Finale noch Partei für Walter White und Vic Mackey ergreifen und die beiden für alles verteidigen, was sie getan haben.

Beide Hauptfiguren haben einen jüngeren Partner, für den sie eine Art Vaterfigur abgeben, den sie aber am Ende mehr oder weniger zerstören: Jesse Pinkman bei „BB“, Shane Vandrell (Walton Goggins) bei „The Shield“. Jesse wie Shane haben, obwohl auch sie beide hoch kriminell sind, unsere Sympathien oft noch vor den Hauptfiguren, insbesondere in Momenten, wo diese vorderhand zu brutal, amoralisch und skrupellos sind, als dass wir noch auf ihrer Seite wären. Shane wie Jesse dagegen sind emotionaler, menschlicher, verletzlicher und in der Folge leichter zu mögen.

Beide Serien sind sehr explizit in der Darstellung von Brutalität, aber auch von schmerzhaft ehrlichen Momenten. Ästhetisch unterscheiden sie sich allerdings beträchtlich, ist doch „The Shield“ mit seiner wackeligen Handkamera und dem Guerilla-Stil, in dem viele Außenaufnahmen gedreht sind, viel roher, ungestümer als das geschliffene und polierte „Breaking Bad“. Beiden gemein ist aber wieder die visuelle Wucht.

Nun kommen aber doch ein paar Spoiler, weiter geht es also nach dem Klick: Mehr…

Jahresendabstimmung

15. Dezember 2014 5 Kommentare

Ich war dieses Jahr mehr mit Dramaserien beschäftigt als mit Sitcoms, stelle ich fest: Über den Sommer habe ich endlich „The Wire“ (HBO, 2002 – 08) nachgeholt und bin pünktlich fertig geworden, als eine Neufassung der Serie bekannt gegeben wurde, diesmal in 16:9 statt 4:3 und in HD. Na toll. Danach ging es mit „The Shield“ (FX, 2002 – 08) weiter, und dazwischen waren noch allerhand aktuelle Serien wegzuglotzen, so dass die reinen Brit- und Sitcoms dafür ein bisschen zu kurz gekommen sind.

Es waren allerdings auch außergewöhnlich viele zweite und dritte Staffeln dabei dieses Jahr und weniger neue Produktionen: von den 27 Britcoms sind 15 Fortsetzungen. Dass die Abstimmungsliste länger ist als 27, liegt daran, dass ich „You’re the Worst“ (FX) einfach den Briten zugeschlagen habe, obwohl es natürlich in Wahrheit eine US-Sitcom ist, und daran, dass ich die paar ComedyDramas aus Großbritannien nicht in eine eigene Abstimmung werfen, aber auch nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollte. Bei „Inside No. 9“ etwa kann man sich ohnehin streiten, was das nun genau ist: Sitcom oder ComedyDrama.

Weil aber für mein Empfinden sehr viele sehr gute amerikanische und britische Drama-Serien dieses Jahr gelaufen sind, gibt es zum ersten Mal eigene Abstimmungen dafür. Beide haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil ja doch zu vieles unter meinem Radar fliegt und auch meine Zeit begrenzt ist, aber ich hoffe, die besten Serien sind doch darunter. Ach ja, und weil das mein Blog ist, in dem ich machen kann, was ich will, habe ich bei den US-Dramaserien „Game of Thrones“ und „The Walking Dead“ weggelassen — dass die sonst auf Platz eins und zwei gelandet wären, ist mir ohnehin klar.

Nun denn, zur Abstimmung. Alle Polls schließen am nächsten Sonntag um Mitternacht. Beim ersten Poll zur besten britischen Sitcom 2014 hat jeder drei Stimmen, und ich bitte um Hinweise auf evtl. fehlende Sitcoms:

Beste Britcom 2014

  • You're the Worst (US) (12%, 25 Votes)
  • Detectorists (11%, 24 Votes)
  • Episodes (UK/US, Series 3) (10%, 21 Votes)
  • Uncle (8%, 18 Votes)
  • Moone Boy (Series 2) (7%, 16 Votes)
  • Scrotal Recall (7%, 15 Votes)
  • W1A (6%, 13 Votes)
  • Plebs (Series 2) (5%, 11 Votes)
  • Cuckoo (Series 2) (5%, 10 Votes)
  • Mr. Sloane (4%, 9 Votes)
  • Toast of London (Series 2) (3%, 7 Votes)
  • Siblings (3%, 7 Votes)
  • Rev (Series 3) (3%, 7 Votes)
  • Friday Night Dinner (Series 3) (3%, 6 Votes)
  • The Trip to Italy (2%, 5 Votes)
  • Outnumbered (Series 5) (1%, 3 Votes)
  • Inside No. 9 (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Babylon (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (1%, 2 Votes)
  • House of Fools (1%, 2 Votes)
  • The Mimic (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • The Walshes (0%, 1 Votes)
  • The Life of Rock with Brian Pern (0%, 1 Votes)
  • The Job Lot (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Stella (Series 3) (ComedyDrama) (0%, 1 Votes)
  • Bluestone 42 (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Derek (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Edge of Heaven (ComedyDrama) (0%, 0 Votes)
  • Edge of Heaven (0%, 0 Votes)
  • Pramface (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Puppy Love (0%, 0 Votes)
  • Big School (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 97

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Bei den anderen beiden Abstimmungen hat jeder zwei Stimmen (und mir ist klar, dass einige gute Serien fehlen werden):

Beste britische Dramaserie 2014

  • Sherlock (Series 3) (31%, 31 Votes)
  • Happy Valley (17%, 17 Votes)
  • Downton Abbey (Series 5) (11%, 11 Votes)
  • The Fall (Series 1+2) (11%, 11 Votes)
  • In the Flesh (Series 2) (8%, 8 Votes)
  • Call the Midwife (Series 3) (7%, 7 Votes)
  • The Missing (7%, 7 Votes)
  • Our Zoo (4%, 4 Votes)
  • The Game (2%, 2 Votes)
  • The Driver (1%, 1 Votes)
  • Our Girl (0%, 0 Votes)

Total Voters: 67

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Bei den Wahlen zur besten US-Dramaserie sind, stelle ich gerade fest, nicht nur viele Serien nicht dabei, sondern auch eine eher apokryphe Show, nämlich „Z Nation“ (SyFy), eine postapokalyptische Zombieserie, die mir gerade mehr Spaß macht als „The Walking Dead“, weil es nämlich deutlich rabaukiger ist und hin und wieder schön die Grenze zum Quatsch streift, ohne sie zu übertreten, wenn es nämlich zum Beispiel bei einem Tornado fliegende Zombies gibt — und ein Protagonist dann auch gleich die Parallele zu „Sharknado“ zieht. Tounge in cheek nennt man das wohl.

Beste amerikanische Dramaserie 2014

  • Fargo (28%, 36 Votes)
  • True Detective (26%, 34 Votes)
  • Orange is the New Black (Series 2) (14%, 18 Votes)
  • Hannibal (Series 2) (6%, 8 Votes)
  • The Americans (Series 2) (5%, 6 Votes)
  • The Newsroom (Series 3) (5%, 6 Votes)
  • Masters of Sex (Series 2) (4%, 5 Votes)
  • Mad Men (Series 7) (4%, 5 Votes)
  • Homeland (Series 4) (4%, 5 Votes)
  • The Knick (2%, 3 Votes)
  • The Affair (2%, 2 Votes)
  • Z Nation (1%, 1 Votes)
  • From Dusk Till Dawn (0%, 0 Votes)
  • Extant (0%, 0 Votes)

Total Voters: 80

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Erzählen in der fünften Dimension

28. November 2014 Keine Kommentare

Zwei aktuelle Serien wagen erzählerische Experimente, die ich aus mehreren Gründen für gleichermaßen fruchtbar wie gefährlich halte: „The Missing“ (BBC1/Starz, gerade sind fünf von acht Folgen gelaufen) und „The Affair“ (Showtime, sieben von zehn Episoden waren schon zu sehen).

Beide Serien arbeiten nämlich mit unterschiedlichen Ebenen, auf denen erzählt wird: „The Missing“, angelehnt an die Ereignisse um das Verschwinden von Madeleine McCann 2007, erzählt eher konventionell auf zwei Zeitebenen abwechseln einmal vom Verschwinden des fünfjährigen Oliver Hughes während eines Urlaubs in Frankreich im Jahr 2006 und von den unmittelbar daran anschließenden Ereignissen, und zum anderen von Tony Hughes (James Nesbitt), Olivers Vater, der in der Gegenwart, also acht Jahre später, immer noch nach seinem Sohn sucht.

In „The Affair“ dagegen, von den Machern der brillanten Psychoanalyse-Serie „In Treatment“ (HBO 2008 – ’10), wird die gleiche Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt (und auch hier gibt es eine zweite Zeitebene). Nämlich aus denen von Noah („The Wires“ Dominic West) und seiner Geliebten Alison („Orange is the New Blacks“ Ruth Wilson). Das heißt konkret: innerhalb der (fast) 60 Minuten einer Episode wird in der Regel in den ersten 30 Minuten eine Story aus Noahs Sicht erzählt, und dann die gleiche Story noch einmal, aber aus Sicht von Ruth — und zwar nicht selten mit deutlichen Unterschieden, meist eher kleinen (andere Kleidung, unterschiedliche Tageszeit, andere Außenwirkung einzelner Figuren), manchmal aber auch großen (es passiert etwas entscheidend Anderes).

Dieses Erzählmuster ist deutlich ungewöhnlicher als das von „The Missing“; so ungewöhnlich, dass die Macher es auch innerhalb der Serienlogik motivieren müssen (während „The Missing“ das nicht muss): Wir sehen nämlich sowohl Noah als auch Ruth bald getrennt von einander bei einer polizeilichen Einvernahme — sie erzählen den Hergang ihrer Affäre also einem Kommissar, was Mehreres bedeutet: zum einen sind die unterschiedlichen Erinnerungen womöglich tatsächlich einfach honest mistakes, wie sich zwei verschiedene Menschen eben an die gleichen Ereignisse unterschiedlich erinnern. Es ist aber auch möglich, dass beide eine eigene Agenda haben, sich anders darstellen wollen oder gar etwas verheimlichen — denn es geht ja nun offensichtlich nicht mehr nur um die Geschichte einer Affäre, sondern auch um einen Kriminalfall. Auch wenn man lange nicht erfährt, worum genau.

Dieser Kunstgriff ist durchaus fruchtbar: es hält einen als Zuschauer gefesselt, wie die selben Figuren in der Außenwirkung deutlich anders sind als in der Selbstdarstellung. Zum Beispiel hält Noah sich in seinen Berichten für viel charmanter, als er in den Erzählungen von Ruth rüberkommt, während sie in seinem Gedächtnis verführerisch und bereit zu einem Flirt ist, während sie sich selbst eher als Aschenputtel, unattraktiv und traurig schildert.

Er ist aber auch sehr einengend, ein erzählerisches Korsett, das irgendwann zu drücken anfängt. 60-Minuten-Episoden sind sehr lange, und sobald man durchschaut hat, dass die zwei Protagonisten/Erzähler hin und wieder erratisch berichten, droht das Prinzip schnell, in seiner Dominanz langweilig zu werden. Darum tun die Macher Sarah Treem und Hagai Levi auch gut daran, die Struktur aufzubrechen und zu variieren: nicht nur wird dann einmal eine Geschichte in umgekehrter Reihenfolge erzählt (zuerst Ruth, dann Noah), sondern es wird auch eine einstundenlange Geschichte durcherzählt, nur dass der erste Teil Noah zur Hauptfigur hat und der zweite Teil Ruth.

Trotzdem wird sich noch erweisen, ob und wie sehr dieses Experiment ermüdet — spätestens bei der zweiten Staffel werden sich Treem und Levi etwas handfest Neues einfallen lassen müssen, sonst droht das Gleiche, das mir bei „In Treatment“ passiert ist: ich fand die erste Staffel fantastisch, war aber vom Erzählprinzip (das dort auf sehr viele Folgen pro Staffel hinauslief, die erste hatte 43) zu erschlagen, als dass ich die zweite durchgehalten hätte.

Davon abgesehen ist „The Affair“ allerdings überwiegend gut bis sehr gut: nicht nur spielen West und Wilson jeweils sehr gut (obwohl ich ihnen hin und wieder nicht abnehme, wie sehr sie voneinander angezogen sein sollen), auch darf West wieder gegen seinen alten „The Wire“-Widersacher John Doman antreten, der hier seinen stinkreichen Schwiegervater spielt. Dass das Hauptaugenmerk der Serie von der psychologischen Studie eines Familienvaters, der (wie er selbst sagt) ohne rechten Grund anfängt, im Urlaub seine Frau zu betrügen, und seiner Geliebten, die nicht über den Tod ihres Sohns hinwegkommt, weg gelenkt wird in Richtung eines Kriminalfalls, ist ebenfalls klug: denn das gibt der Serie erst die Spannung, die einen wirklich wissen lassen will, welche Folgen die Mesalliance von Ruth und Noah hat — juristisch wie familiär.

(Größter Schwachpunkt von „The Affair“ dürfte der grauenhafte Vorspann sein. Schlimmer ist nur das Jazzgedudel von „Homeland“. Warum legt Showtime offenbar Wert darauf, sich als Sender mit den furchtbarsten opening credits zu profilieren?!)

„The Missing“ hat andere Probleme (und einen tollen Vorspann): denn hier dürfen wir als Publikum zwar dabei zuschauen, wie ein Puzzle zusammengelegt wird, bei dem neue Puzzleteile in der Vergangenheit mit Teilen in der Gegenwart zusammengesetzt ein überraschend anderes Bild als erwartet ergeben. Aber durch die Informationen, die wir im Gegenwarts-Strang bekommen, geht auch ein Teil der Spannung auf der Ebene der Vergangenheit verloren. Wir wissen ja schon, dass Tony seinen Sohn 2006 nicht wiederfinden wird, dass sein Zerwürfnis mit einem französischen Polizisten 2006 nicht von Dauer sein wird, weil der ihm (obwohl mittlerweile im Ruhestand) in der Gegenwart wieder helfen wird, nach Oliver zu suchen, und dass Figuren, die 2006 in Lebensgefahr geraten, diese Situationen überleben werden, weil wir sie 2014 schon gesehen haben.

Das führt dazu, dass die Serie einerseits zwar emotional sehr dicht erzählt ist (Nesbitt ist großartig als verzweifelter Vater), hin und wieder aber durchhängt, weil wir dem suchenden Vater 2006 einfach zu weit voraus sind mit unserem Wissen. Oder besser gesagt: dass die Serie durchhing, denn mittlerweile haben Harry Williams und Jack Williams einen neuen Dreh gefunden, etwas Unerwartetes zu tun, indem sie das Prinzip zwar nicht brechen, aber doch verbiegen (wie, werde ich natürlich nicht verraten).

„The Missing“ besticht neben seiner anspruchsvollen Erzählweise durch seine Bilder: enorm düstere Locations (gedreht in Belgien), glaubwürdig gealterte Charaktere abhängig von der Zeitebene (offenbar war es den Machern wichtig, schon durch die Maske auf den ersten Blick klar zu machen, ob wir uns gerade im Jahr 2006 oder 2014 befinden) und ein heftiges Thema (Pädophilie und Kindsmissbrauch), das ohne Klischees und einfache Feindbilder erzählt wird.

Hoffentlich dürfen Williams und Williams diese Geschichte zuende erzählen, hoffentlich gibt es hier kein offenes Ende (das bei „The Affair“ schon abzusehen ist, weil eine zweite Staffel bereits in Auftrag gegeben worden ist) — diese Geschichte schreit einfach nach einem würdigen und erwartbar traurigen Ende. Denn anders als bei „Happy Valley“, das im Widerspruch zur abgeschlossenen Story fortgesetzt werden wird, gibt es hier nicht einmal eine Polizistenfigur, die auch in einem neuen Fall ermitteln könnte. Es gibt nur die zutiefst betroffenen Eltern, von denen ein Teil weitersuchen will, während das andere bereit wäre, mit der Vergangenheit abzuschließen. Und wie den Eltern geht es auch mir bei „The Missing“: lieber ein Ende mit Schrecken als ein offenes Ende ohne closure.

Beide Serien aber verschieben schön die Grenzen des Erzählens, wie man sie aus dem Gros der Serien kennt, die sich an erprobte lineare Erzählgesetze halten. Während „The Affair“ dafür eine inhärente Begründung mitliefert, kommt „The Missing“ bislang ohne äußeren Grund für seinen ungewöhnlichen Ansatz aus. Beide Serien aber profitieren von ihrer Bereitschaft zum Experiment — und sind also wieder einmal schöne Beispiele dafür, dass es noch innovative Fernsehformate gibt, dass das Medium Fernsehen das momentan sich am schnellsten entwickelnde ist, und wie viel Spaß Formate machen können, die ihre Zuschauer im Zweifel lieber über- als unterfordern.