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Archiv für Juni, 2009

Will they never leave?

30. Juni 2009 4 Kommentare

Nun ist die League of Gentlemen umgezogen: Von Royston Vasey (Grußschild am Ortseingang: „You’ll never leave“) nach „Psychoville“ (BBC2, donnerstags). Bislang (zwei Folgen) kein sehr weiter Umzug: Auch in Psychoville begegnen wir wieder inzestuösen Hinterwäldlern, amtlichen Irren und dem typischen Pemberton-Shearsmith-Gatiss-Humor zwischen Goth-Horror und „Little Britain“-Nonsens.

„Psychoville“ allerdings geht einen Schritt weg vom „League of Gentlemen“-Realismus und sieht bislang aus, als ob Stephen King sich an einer Comedy probiert hätte: Eine illustre Runde grotesker Figuren erhält von unbekannter Seite Drohbriefe — in der ersten Folge schön auf Büttenpapier abgefaßte und versiegelte Briefe mit den Worten „I know what you did“, in der zweiten Folge schon persönlichere Botschaften mit den Worten „You killed her“. Die Adressaten sind der böse Clown Mr. Jelly (Reece Shearsmith), der bei seinen Auftritten im Clown-Leichenwagen vorfährt und Kinder mit seinem Armstumpf erschreckt, ein offenbar direkt aus Royston Vasey stammendes und inzestgezeichnetes Mutter-Sohn-Duo (Steve Pemberton und Shearsmith), das sich für Serienkiller begeistert, ein ungepflegter blinder Millionär, der Plüschfiguren sammelt (Pemberton), eine psychotische Hebamme, die permanent eine Babypuppe mit sich herumträgt und diese für ein echtes Baby hält (Dawn French), und ein kleinwüchsiger Schauspieler, der sich vom Schneewittchen aus seinem Theaterensemble permanent sexuell demütigen läßt („you’re giving it to her — all both inches!“).

Mr. Jelly in action:
https://www.youtube.com/watch?v=6IK-9l7F4QE&hl=de&fs=1&

Was genau diese Geisterbahngestalten getan haben, in welcher Verbindung sie stehen und wer der geheimnisvolle Erpresser ist, ist noch keineswegs klar; klar ist allerdings: die Begeisterung von Zusehern und Presse ob des neuen LoG-Projekts ist groß und wird durch virale Sperenzchen wie eigenen Internetseiten der Figuren auch von Seiten der Produzenten befeuert (eine schöne Übersicht hat der Comedy-Guide im Angebot). Ein noch kommender Gastauftritt von Mark Gatiss wird ebenso vorab bejubelt wie die Ankündigung, die letzten beiden Folgen seien praktisch in einem Take gedreht, und man kann der Serie durchaus zugutehalten, daß sie überdurchschnittliche Schauwerte hat, wie „The League of Gentlemen“ ja auch.

Mutter und Sohn Sowerbutts und ihre Serienkillerbegeisterung:

Meins, man ahnt es vielleicht schon, ist es trotzdem mal wieder nicht. Wie schon bei „League of Gentlemen“ (und auch bei „Little Britain“) kann ich einfach nichts mit diesen Provinzbeschimpfungen anfangen, die sich über tumbe bis bösartige Hillbillies lustig macht. Degeneration allein finde ich zu wenig Fallhöhe für eine Sitcom. Und das Rezept Comedy plus Horror geht in meinen Augen gar nicht: So lange die Comedy im Vordergrund steht, finde ich den Horror keinen Millimeter gruselig. Ganz im Gegensatz, natürlich, zum umgekehrten Rezept Horror plus Comedy: „Dead Set“ finde ich sensationell, weil comic relief nach oder in packenden Horror-Szenen immer funktioniert.

Andere mögen das aber anders sehen, und vielleicht sogar auf Pro7, die schließlich „The League of Gentlemen“ auch schon ausgestrahlt haben (die entsprechenden DVDs gibts also auch auf deutsch).

You wouldn’t kill a policeman, would you?

28. Juni 2009 1 Kommentar

Nur weil mich gerade bei jedem erneuten Einlegen der DVD der (ansonsten bisher ganz guten) Serie „Doc Martin“ der echte Anti Piracy-Spot nervt, den man selbstverständlich nicht skippen kann, OBWOHL MAN JA GERADE DIE SCHEISS-ORIGINAL-DVD GEKAUFT HAT: Hier die (hinglänglich bekannte, ich weiß) Parodie darauf aus „The IT Crowd“.

Her face looked like an explosion in a Yacult factory

Nach ein paar Jahren forcierten Britcom-Konsums erwarte ich, wenn on screen ein Geschirrspüler geöffnet wird, schon eher, daß frisch gespülte Vibratoren herauskommen als frisch gespültes Geschirr. Von wegen „No Sex please, we’re british“: Sex, sex, sex, that’s all they can think about. Und natürlich ist es nie weichgespülte Soft-Erotik mit jungen, gut aussehenden Weibern (und/oder Kerlen) in England, o nein: Unter Sperma in Halsketten-Anhängern („Green Wing“), Strap Ons, mit denen es die Damen ihren Herren besorgen („Shameless“), Sex mit (scheinbar) Minderjährigen („Nathan Barley“), Hobbyraum-SM-Studios in Spießerwohnungen („Human Remains“) oder Nekrophilie („Ideal“) tut es der Brite selten. Und nicht nur in den jung-bösen Sitcoms aus dem Hause Baby Cow dreht es sich oft um Untenrum-Themen (neben „Human Remains“ etwa „Nighty Night“ und „Gavin & Stacey“), auch in konservativeren Britcoms, die keineswegs nur versuchen, aus Tabubrüchen komische Funken zu schlagen, geht es viel (und sehr direkt) zur Sache: In „The Worst Week of my Life“ ebenso wie in „Love Soup“ und selbstredend „Coupling“, der britischen Antwort auf die amerikanisch-harmlos-oberflächlichen „Friends“; und „Borats“ lustigster Moment war der nackte Ringkampf Borats mit seinem Manager.

Interessanterweise sind bei all dem Sex in Britcoms zwar die Szenen, in denen es um „das Unaussprechliche“ (Böll) geht, in der Regel hochnotpeinlich und so, nun ja, „kraß“, daß man kaum hingucken kann (der Brite spricht von cringe) — aber selten frauenfeindlich oder gar erniedrigend. Ganz im Gegenteil haben die Frauen in Britcoms eher die Hosen an, während die Männer sich als Weicheier entpuppen, Neurotiker und Vollversager. Allenfalls sind Frauen eben genauso peinlich wie Männer — fair enough.

Nur folgerichtig bei all dem Sex: Eine Sitcom im Puff. „Respectable“ (Five, 2006) ist genau das — und sehr lustig. Sitcom im Puff, das klingt zugegeben nach der „heiteren Seite der Zwangsprostitution“, „Respectable“ schafft es aber, eine tatsächlich aufgeräumte Atmosphäre zu schaffen, in der die drei Prostitutierten Haley, Kate und Yelena gerne unter ihrer Puffmutter Maureen (Beatrice Kelley, „Ideal“, „Phoenix Nights“) zu arbeiten scheinen. Nicht zuletzt ist Michael, die männliche Hauptfigur, zwar ein langweiliger Mittelklasse-Bürger erster Kategorie mit einer kalten Ehefrau zuhause, aber ein Sympathieträger. Er verliebt sich erwartbarerweise in Haley, hat mit ihr aber gar keinen Sex. Bei seinem ersten Puffbesuch begegnet er Barry, dem Handwerker, der gerade sein ganzes Haus renoviert, und dieser Sidekick gibt Möglichkeiten zu pointengespickten Parlandi en masse:

Michael, Barry und ein dritter Typ sitzen im Entrée; Barry zeigt seine Tattoos.

Barry: That’s a tiger shagging a dragon, right? That’s a samurai on a fish, and I’m getting another, right, and it’s gonna start up here (er zeigt seinen Bauch), it’s gonna go all the way down to the crab’s ladder (zeigt Richtung Gemächt) with an arrow saying „may contain nuts.“

Typ: More like „may contain small parts.“

Barry (zu Michael): Ah! Small parts! Do you get it?

Michael (abwesend): Yes, yes. Like the warning sign „may contain small parts that may choke children.“

Typ: Children?!

Schade, daß der Plot von „Respectable“ keine zweite Staffel zuließ! Ich hätte nämlich gerne noch mehr dieser schnellen Wortwitze gehört, die das Autorentrio Shaun Pye, Alan Connor und Harry Thompson geschrieben hat. Yelena, wie sich herausstellt eine serbische Kriegsverbrecherin auf der Flucht, ist nämlich ebenfalls eine prima Figur („I was sexiest woman in village… before ethnic cleansing!“), von der großmütterlichen Maureen ganz zu schweigen:

You girls don’t know you’ve got it made. When I was your age, I were bent over t’bins in t’back alley behind t’fish shop 15 times a night. After a couple of years of that, I thought, „I should get paid for this.“

Kaufempfehlung!

Verhungerte Comedy

Die große Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts war charakterprägend für die Iren: Sie schürte den Haß auf die englischen Herren, die die Not hätten verhindern können, zog eine Auswanderungswelle Richtung Amerika nach sich und wurde in der Folge zu einem Wendepunkt in der irischen Geschichte, der bis heute im öffentlichen Bewußtsein sehr präsent geblieben ist. Eigentlich naheliegend, daß ein solches Ereignis auch für den Fremdenverkehr ausgenutzt wird: Etwa mit einer Touristenattraktion wie einem Great Famine Theme Park — z.B. mit Schauspielerinnen aus der Umgebung, die schön anämische Hungersopfer spielen könnten: „Make the experience of the famine fun!“

Ardal „Father Dougal“ O’Hanlon und Ewen Bremner (der Spud in „Trainspotting“) sind die beiden Unglücklichen, die diesen Theme Park aufbauen sollen in „Wide Open Spaces“, der neuen Komödie von Arthur Mathews, ja: DEM Arthur Mathews, dem wir (zusammen mit Graham Linehan) „Father Ted“ verdanken, „Black Books“ und „Big Train“. Ein kleiner irischer Film, vor einer Woche angelaufen und vielleicht irgendwann auch mit Untertiteln versehen auf DVD erhältlich; das käme jedenfalls mir sehr zupaß, der ich von dem Trailer schon mal nicht so recht viel verstanden habe, außer daß ein hervorragender BMW E9 mitspielt, der für mich schon allein ein Grund wäre, den Film zu mögen (auch wenn es schon erste Kritiken gibt, die ihn gar nicht mal sooo gut finden, also: den Film, nicht den BMW).

Das wird ja immer schöner!

24. Juni 2009 6 Kommentare

Jetzt nimmt er sich auch noch Computerspiele vor: Charlie Brooker, der brillante Kopf hinter der Medienkritiksendung „Screenwipe„, hat per Twitter bestätigt, daß es nach „Newswipe With Charlie Brooker“ einen weiteren Spin Off geben wird: „Charlie Brooker’s Gamewipe“. Hooray! Ahnung hat der Mann, soviel steht schon fest, denn begonnen hat er seine Karriere tatsächlich als Rezensent von eben Computer- und Konsolengames. Vielleicht ist ja ein Tip für ein gutes PS3-Spiel dabei, irgendwie finde ich schon seit geraumer Zeit nämlich keines, das mich wirklich interessieren würde. Warum eigentlich nicht, Charlie Brooker?

Woody & L.D.? Whatever!

21. Juni 2009 2 Kommentare

Bitte dämpfen Sie Ihre Begeisterung: Ja, Larry David, Co-Creator von „Seinfeld“ und großartiger Autor/Regisseur/Hauptdarsteller von „Curb Your Enthusiasm“, spielt die Hauptrolle im neuen Woody-Allen-Film „Whatever Works“. Ja, er spielt wohl im Wesentlichen sich selbst, was er am Besten kann. Ja, L.D. und Woody Allen scheinen auf den ersten Blick kongenial. Aber: Nein, der Film ist wohl trotzdem nicht gut.

Die Geschichte eines exzentrischen, reichen New Yorkers (gespielt von einem exzentrischen reichen Einwohner von L.A.), der sich in eine sehr schlichte und ca. 100 Jahre jüngere Frau aus den Südstaaten verliebt, ist eine Arbeit Allens, die er seit den frühen Siebzigern in der Schublade hatte; da wäre sie offenbar besser auch geblieben. Denn wer „Curb“ kennt, weiß: Larry David ist kein Schauspieler. Er ist sehr gut in den peinlichen Miniaturen, aus denen „Curb“ gestrickt ist, und hat im Fernsehen auch Präsenz. Allerdings werden er und seine Art nach einer guten halben Stunde auch sehr anstrengend, und 90 Minuten davon auf einer großen Leinwand stelle ich mir sehr, sehr lange vor. (Tatsächlich war Larry Davids erster Ausflug ins Kino, „Sour Grapes“ (1998) dito sehr, sehr lange und mühselig — die Gesetze des Fernsehens, die David offenkundig aus dem FF beherrscht, gelten für Spielfilme eben nicht.)

Aber gesehen habe ich, anders als der Rezensent der N.Y.Times und MTVs Kurt Loader, den Film natürlich noch nicht.