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Artikel Tagged ‘The Office’

The state of comedy

5. Juli 2009 9 Kommentare

Ricky Gervais, berichtet der Guardian, habe sich kürzlich mockiert, Großbritannien falle in puncto Comedy mittlerweile hinter die USA zurück:

„We’ve got some poor copies of ‚Curb Your Enthusiasm‘, some poor copies of ‚Entourage‘ and some poor copies of ‚Seinfeld‘. With a few exceptions the Americans seem to be ahead of the game.“

Er, Gervais, sehe in der Folge gar keine britische Comedy mehr.

Hat Ricky Gervais recht? fragt der Guardian und gibt keine rechte Antwort, verweist aber darauf, daß a) Gervais stets zu Polemik neigt und b) gerade seinen neuen (US-produzierten) Film The Invention of Lying bewirbt, man außerdem seiner Ansicht sein könnte, wenn man gute US- mit schlechten GB-Produktionen vergliche, ihm aber widersprechen, wenn man gute GB- neben schlechte US-Comedys stellte.

(Hier übrigens der Trailer zu „The Invention of Lying“, der tatsächlich ganz vielversprechend aussieht:)

https://www.youtube.com/watch?v=VSGt673XsIg&hl=de&fs=1&

Das sind natürlich Binsenweisheiten. In der Tat aber hat das amerikanische Fernsehen in den letzten Jahren immer bessere, ja bisweilen fantastische Serien produziert, auch komische, während große britische Sitcoms-Hits wie „The Office“ rar geworden sind. Aber während es ziemlich einfach ist, den Erfolg von US-Sitcoms zu erklären (alle von Gervais aufgezählten Beispiele etwa sind mit Budgets gesegnet (gewesen), von denen die BBC und ihre heimischen Konkurrenten nur träumen können; die USA sind so groß, daß selbst die Minderheiten, die an intelligentem, schwarzen Humor interessiert sind, groß genug sind, daß speziell für sie Comedy produziert wird), während also die Vorteile leicht zu erkennen sind, die ein so großer Markt wie der amerikanische für Nischen bietet, aus denen heraus durchschlagende Mainstream-Erfolge kommen können, ist es nicht so leicht zu erkennen, warum das britische Fernsehen gerade keine Comedy-Smash-Hits hervorbringt.

Eine Erklärung, die ich für möglich und sehr bedauerlich halte, ist: Globalisierung. Ich vermeine einen ganz allgemeinen Trend zu erkennen, keineswegs nur auf Comedy bezogen, der die Vorteile der Insellage, die splendid isolation Großbritanniens Stück für Stück wegbrechen läßt, die Briten immer mehr ans Festland der restlichen Welt schmiedet und ihnen so den speziell englischen Charakter, nun ja, nicht gerade wegnimmt, aber doch in seiner Ausprägung reduziert. Das ist insbesondere für den spezifisch englischen Humor bedauerlich, der von Charaktereigenschaften lebt, wie sie in den USA so nicht zu finden sind, oder besser: nicht zu finden waren, denn mittlerweile gibt es eben auch genügend US-Beispiele für britischen Humor, der u.a. von Exzentrik, Grausamkeit („schwarzem Humor“), Nonsens, starkem Individualismus und Respektlosigkeit vor Autoritäten, Understatement und Bathos geprägt ist. Zusammen mit dem schleichenden Abschied von anderen englischen Eigenheiten (wie etwa dem Gentleman-Ideal) treten auch diese Eigenschaften zurück, während das US-Fernsehen gleichzeitig immer mehr Comedy auf Grundlage des englischen Humors produziert — und das natürlich in jeder Hinsicht megalomanisch: mit mehr Autoren, mehr Gags pro Folge, mehr Folgen pro Staffel und mehr Staffeln pro Serie.

Daß aber die Briten nun bei den Amerikanern Ideen und Formate klauten, wie Gervais das unterstellt, halte ich für reine Polemik, denn jeder Comedian, der etwas Neues zu machen versucht, hat Vorbilder, an denen er sich orientiert, und jede Serie baut auf das auf, was vor ihr da war. Es kommt, wie immer, nicht darauf an, etwas völlig Neues zu erfinden (das dürfte im Drama mehr noch als in der Komödie ausgeschlossen sein), sondern das Alte so zu erzählen, daß es die Zuhörer mitnimmt. Über einen Witz, den man schon kennt, lacht man schließlich auch ein zweites Mal, wenn er nur gut erzählt ist.

Das ist natürlich nun sehr allgemein dahingesagt, aber genauer weiß ich es auch nicht. Thoughts, anyone?

Dude, where is the content?

12. Mai 2009 4 Kommentare

Nur um mal zu sehen, wie sich — neben Simon Pegg in „Star Trek“ — die anderen Stars meiner Lieblings-Britcoms auf der großen Leinwand so schlagen, habe ich mirFaintheart (2008, mit Jessica Hynes), The All Together (2007, mit Martin Freeman) und „Captain Eager and the Mark of Voth“ (2008, mit Tamsin Greig und Mark Heap) besorgt — und fürchte, nachdem ich die ersten beiden gesehen habe, daß auch der dritte nicht so richtig gut sein wird.

Hoffentlich aber nicht ganz so schlimm wie „Fainheart“, der mir weismachen wollte, Jessica Hynes („Spaced“) und ein mausgesichtiger Supernerd mit Vorliebe für Wikinger-Rollenspiele seien mal ein Paar gewesen. Das will der Spinner mit etlichen Nerd-Tricks wieder zusammenbringen, die für mich nach einer einzigen Aneinanderreihung von Klischees aussahen: Ein Comic Book Guy, der Tiberius heißt (und Fan welcher Fernsehserie ist? Richtig!). Ein Trekkie, der sich im Chat verabredet und beim Date feststellt, daß sein Gegenüber acht ist, woraufhin er prompt verhaftet wird. Usw. Ein schlimmer Schmarrn, der nicht besser wird, wenn man erfährt, daß es sich dabei angeblich um den ersten Kinofilm handelt, bei dem MySpace-User interaktiv mitwirken konnten. Von dieser Seite droht Drehbuchautoren also schon mal keine Gefahr; immerhin. Der Gag im Trailer deutet die Richtung an, in die der Film geht (und ist noch einer der besseren!):

https://www.youtube.com/watch?v=rjR60XStylc&hl=de&fs=1

Nicht viel besser allerdings: „The All Together“ (Trailer), der zwar mit einer gewissen Selbstironie aufwartet, diese aber nicht einlösen kann. Martin Freeman („The Office“, „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“) ist ein kleines Licht beim Fernsehen, wäre aber gerne Drehbuchautor. Was er aber auf keinen Fall will: Einen Film drehen, bei dem am Anfang eine Stimme aus dem Off eine stimmige erste Szene ersetzen soll, und der anschließend etwas erzählen will, das der Autor nicht aus eigener Erfahrung kennt — beispielsweise irgendwelche Gangstergeschichten. Das erzählt uns in der ersten Szene Martin Freeman aus dem Off, und es folgt eine ausgedachte Gangstergeschichte, in die Freeman hineingezogen wird. Allerdings erst ganz zum Schluß. Ein Film, wie ihn Guy Ritchie drehen würde, wenn er noch weniger Talent hätte. Immerhin eine Wahrheit weiß „The All Together“: Es gibt immer mehr „comedy for people with no sense of humour“, denn „just because they don’t have a sense of humour doesn’t mean they don’t want to laugh“.

Tja. Schlechte Filme mit Leuten, die man eigentlich mag — soll man darüber bloggen? Wenn man zwei kurze Kritiken in einen Eintrag packt, geht’s gerade noch so, oder?

You are all idiots!

13. April 2009 8 Kommentare

Ich kann mittlerweile weite Teile auswendig mitsprechen, so sehr liebe ich „Nathan Barley“ (2005, Channel 4), die Mediensatire-Serie der nuller Jahre von Chris Morris und Charlie Brooker rund um selbstverliebte junge Medienaffen, die coole Websites, hippe Stadtmagazine und ganz generell „was mit Medien“ machen. Nathan Barley (Nicholas Burns) ist der Oberaffe, dessen Webpage trashbat.co.ck (dot cock, got it?) ihm als Ort der Selbstdarstellung dient, an dem er seine Gratismeinungen über George W. Bush neben „lustige“ Videoschnipsel mit gemeinen Streichen stellt, die er seinem Praktikanten spielt. Ein ganzer Affenfelsen für Hipster-Medienprimaten ist die Redaktion des Untergrund-Magazins „Sugar Ape“ (das „Suga“ steht klein im Bauch des R von „RAPE“): Dort sieht man sie mit ihren lustigen Hütchen auf ultramodernen Handys herumspielen, während sie schaukeln oder albern mit Tretautos herumfahren, sich in Hipster-Speak unterhalten und „Cock, Muff, Bunghole“ spielen, eine obszöne Variante von „Stein, Schere, Papier“ — so habe ich mir die Spex-Redaktion in den späten Neunzigern immer vorgestellt (bestimmt sehr zu Unrecht!). Permanent grinsende Idioten, die sich für etwas Besseres halten, für „in“ und „vorne“.

Für „Sugar Ape“ schreibt Dan Ashcroft (Julian Barratt, „The Mighty Boosh“), dem allerdings diese Idioten sehr auf den Sack gehen. „The Rise of the Idiots“ heißt sein wegweisender Essay über die Spezies, als deren Spitzenkraft Barley gelten kann:


Doch kaum ist Dans Leitartikel erschienen, gratulieren ihm ebendiese Idioten herzlichst zu seinen kritischen Auslassungen, jubeln ihm nach Kräften zu und beginnen ihn regelrecht als Preacher zu verehren. Eine Rolle, die er aus Sachzwängen (Geldnot) annimmt, um in der zweiten Folge auf einer Club-Bühne als Prediger verkleidet aufzutreten. Ein Auftritt, der ihm zutiefst widerstrebt, bei dem er schließlich aus der Rolle fällt und alle als Idioten beschimpft: „You are all idiots!“ — „Yes, we are all idiots!“ schallt es zurück; was sonst.

„Nathan Barley“ (die Figur geht auf Brookers satirische Website TVgohome zurück, hier gesammelte Barley-Einräge) ist atmosphärisch dicht, so voller böser, lustiger Details, daß man erst beim wiederholten Sehen alle wahrnimmt: Wie etwa ein Plakat im Hintergrund, das für „Email the Musical“ wirbt („Ross Kemp as Pixel, Lyrics by Ben Elton“). Es geht um die Sorte Kunst, die meine Frau als „Kunscht“ bezeichnet, wenn etwa eine Vernissage von Schwarzweißfotos vorkommt, in der Prominente beim Urinieren (z.B. in einen Toaster) ausgestellt werden („When you urinate you are actually a lot more relaxed than when you sleep!“) und um einen Klamottenladen namens „bumphuk“ — alles spot on gezeichnet. Allen voran die Figur des Nathan Barley, der über einen Beischlaf prahlt: „Kicked the brown door in, painted it white on the way out.“

Drastisch und hochkomisch, das alles. So nimmt es kaum Wunder, daß im Abspann praktisch nur Menschen stehen, denen ich jederzeit mein gesamtes Erspartes ausleihen würde, bräuchten sie denn Geld für eine neue Serie: Neben den Giganten Chris Morris („Jam“, „The Day Today“, „Brass Eye“) und Charlie Brooker („Dead Set“, „Charlie Brooker’s Screenwipe“, „Newswipe With Charlie Brooker“) u.a. Noel Fielding (wie Barratt in „The Mighty Boosh“), Oliver Chris („The Office“, „Green Wing“) und Richard Ayoade („The IT Crowd“); für die Musik zeichnet neben Morris selbst (der auch „Jam“ bereits zu Radiozeiten selbst mitvertont hat) auch Jonathan Whitehead verantwortlich, der seinerseits etwa den perfekten „Green Wing“-Score komponiert und eingespielt hat und immer phantastisch ist, wenn es um parodistische Musik geht.

Weiteres „Nathan Barley“-Material, das gerüchteweise in der Pipeline ist, würde ich aufs Entschiedenste begrüßen, selbst wenn es so schrecklich erfolglos sein sollte, wie es die Serie zu ihrer Zeit leider war. „Nathan Barley“ ist, soweit ich das überblicken kann, so ziemlich komplett bei YouTube zu sehen, und weil ich die Schnipsel hier nicht einbetten kann, gibts halt nur einen Link — mit der dringenden Empfehlung, sich die DVD zu kaufen, die ihrerseits ein veritables Gesamtkunstwerk mit aufwendigem Booklet und tollen Menüs und allem ist. Kaufzwang!

Who killed the british sitcom?

1. Februar 2009 Keine Kommentare

Alle paar Jahre fließen in England bittere Tränen, wenn wieder einmal der Tod der britischen Sitcom ausgerufen wird; und jedesmal haben die Überbringer der Todesnachricht gute Argumente auf ihrer Seite. So auch David Liddiment, vormaliger Creative Head von ITV, dessen Dokumentation „Who Killed The British Sitcom?“ (Channel 4, 2. Januar 2006; TV-Kritik dazu hier) gleich fünf Gründe für den Niedergang des Genres anführt. An den könnte man fast glauben, wenn man die Zahlen für sich sprechen läßt: 1975 etwa liefen auf nur drei Fernsehkanälen ganze acht britische Sitcoms pro Woche, zehn Jahre später sogar 13, davon zehn in der BBC und auf ITV. 1994 schon liefen Comedyserien erkenbar später am Abend, 2005 waren es nur noch drei Sitcoms, die zur family viewing time ausgestrahlt wurden – davon zwei US-Produktionen und eine Wiederholung.

Unter den Verdächtigen, die Liddiment anführt, sind die Alternative Comedy der frühen Achtziger, deren Punk- und Dada-Ansatz die traditionelle Sitcom alt aussehen ließ, die amerikanischen Sitcoms, gegen deren Überlegenheit in der schieren Anzahl von Autoren, Episoden und Gags pro Folge nicht anzukommen war, und Reality TV, das wesentlich billiger zu produzieren ist, dabei aber mitunter ebenso komisch sein kann wie teuer produzierte Sitcoms, deren Erfolg sich womöglich erst nach der zweiten oder dritten Staffel einstellt.

Ein Sargnagel der klassischen Sitcom aber könnte gleichzeitig der Auslöser für die Selbsterneuerung des Genres gewesen sein: Nämlich die Einführung des digitalen Fernsehens, das in England eine Vielzahl neuer Fernsehkanäle mit sich brachte. Diese mußten sich naturgemäß alle das gleiche Publikum teilen, was logischerweise zu massiven Quotenverlusten pro Kanal führte. Nun ist Comedy, anders als zum Beispiel Drama oder Krimi, immer etwas Gemeinschaftliches — es sind Comedy-Catchphrases, die sich die Kinder auf dem Schulhof zurufen, nicht reflexive Monologe über Abtreibung oder Verhör-Dialoge –, was vielleicht erklärt, warum Comedy stärker unter der Diversifizierung des Fernsehen litt als andere Sparten: Sie war plötzlich kein Teil des gemeinsamen Lebens mehr, brachte nicht mehr ganze Generationen zusammen wie zuvor „The Young Ones“ oder noch früher „Dad’s Army“. Der Erfolgsdruck wurde stärker, Serien mußten (ganz wie hierzulande) schon nach der dritten Folge ihr Publikum gefunden haben statt nach der dritten Staffel.

Das aber führte zu einer Veränderung der Sitcoms: Die jüngste Generation der Comedy nämlich, die keine absoluten Mehrheiten mehr erreichen konnte, spezialisierte sich stattdessen. Peter Kay, Steve Coogan und Gervais/Merchant machten Comedy für sich selbst, weil sie annahmen, daß auch andere das komisch fänden, worüber sie selbst lachten. Und plötzlich explodierte die Szene, griff Reality TV als Formvorlage auf („The Office“), suchte sich Nischen, peilte von vorneherein eine Minderheit als Zielgruppe an, die etwa auf psychedelische Comedy mit Musikeinlagen steht („The Mighty Boosh“), extrem film- und fernsehaffin ist und abwegigste Zitate goutiert („Spaced“), aus Computernerds besteht („The IT Crowd“) oder aus Menschen, die sich für Politik interessieren („The Thick Of It“) — und war damit auf einmal erfolgreicher als alle Versuche, wieder klassische große Publikumsshows zu lancieren. Was natürlich den pathetischen Titel von Liddiments Doku und die Theorie von der sterbenden Gattung Sitcom völlig widerlegt; gottseidank.

Höchst bedauerlich, daß die Krise im deutschen Fernsehen immer nur Krise bleibt und nie Chance ist, auch einmal auf Quoten zu scheißen, die ja nun eh nicht zu kontrollieren sind, und stattdessen mit noch so kleinen Budgets etwas Neues zu wagen. Und nicht die tausendste Sketchshow ins Programm zu hieven, die auf Frauen-und-Männer-Witze setzt.

Nice? To customers?!

13. Januar 2009 1 Kommentar

In einer Welt, in der es noch kleine, inhabergeführte Metallwarenläden ohne elektrische Registrierkasse oder gar Barcodes und Scanner gibt, wo stattdessen neben dem großväterlichen Ladenbesitzer zwei mittzwanzigjährige Angestellte und ein Teilzeitverkäufer arbeiten, die den ganzen Tag gemein zueinander sind, aber auf eine total nette Weise, wie Kinder in einer Familie ohne Mama halt so miteinander umgehen und mit dem leicht vertrottelten Vater, in einer solchen Sitcom-Phantasiewelt spielt „Hardware“ (ITV, 2003 – 04). Kunden, insbesondere welche, die keine Ahnung haben oder einen Kaninchenstall bauen möchten, haben es nicht leicht, und Mike (Martin Freeman), einer der Angestellten, ist besonders unfreundlich:

Kunde: „Do you have a, um… it’s very hard to describe. It’s got a clip. And another bit that’s… clipped onto.

Mike: „A clipp-a-di-clippmatic?“

Kunde: „Is that what I mean?“

Mike: „No, but you were talking crap so I just thougt I join in.“

Das findet Steve, die Aushilfe, nicht sehr charmant, aber Mike beharrt: „There are some jobs where you’re supposed to be rude: Cabbies…“ Kenny (Peter Serafinowicz): „…school secretaries, doctor’s receptionists…“ Rex, der Besitzer: „…prostitutes…“. Mikes Weltbild wird erschüttert, als er erfährt, daß sich ein mehrfach grob abgefertigter Kunde in suizidaler Absicht vor einen Bus bzw. genaugenommen nur in die Nähe eines Busses geworfen (und überlebt) hat; Mikes in der Folge gefaßter Vorsatz, nett (!) zu den Kunden (!!) zu sein, ist allerdings nicht von Dauer.

Die Plots dieser ITV-Produktion von Simon Nye („How Do You Want Me?“) sind klassisches Fourth-Wall-Sitcom-Material, „Hardware“ bietet pointierte Dialoge, dem Setting in der Eisenwarenhandlung angemessen viele Sight Gags und sympathische Charaktere — allen voran den damals noch von „The Office“ heißen Martin Freeman. Den altmodischen Stil der Serie kann man mögen oder nicht, die immer mal wieder recht moralische Attitüde Nyes allerdings wirkt 2009 nicht weniger verstaubt als vor sechs Jahren. Sechs Jahre können ein halbes Leben sein (wenn man 12 ist), und umso schwerer verständlich ist heute, daß diese Sitcom einmal als  größter Wurf einiger Jahre in ihrem Genre und Sender gegolten hat. Die zweite Staffel enttäuschte die Fans der ersten, von denen es einige gab; in einer dritten wollte Freeman nicht mehr mitspielen. Ganz schlecht ist „Hardware“ freilich nicht: Als Steve den Beinaheselbstmörder im benachbarten Café wiedertrifft, spricht er ihm sein Mitgefühl aus: „Tut mir leid, von ihrem Mißgeschick mit dem Bus zu hören… Ist wahrscheinlich schwierig, das Timing richtig hinzukriegen: Entweder er bremst oder man prallt von der Seite einfach ab.“

Simon Nye feierte in den Neunzigern mit „Men Behaving Badly“ große Erfolge: Die Sitcom um zwei junge Männer, die sich ganz entgegen dem damaligen britischen Trend zum New Man überhaupt nicht verständnisvoll und wie Softies, sondern entschieden danebenbenahmen, erlebte sechs Staffeln und wurde 1996 sogar für zwei Sekunden zur besten Sitcom in der Geschichte der BBC gewählt.

„Hardware“ erscheint am 23. Februar auf DVD.

Die wichtigsten Britcom-DVDs 2007

1. Dezember 2007 3 Kommentare

Schon eine Weile her, daß dieser Text erschienen ist: Nämlich ein gutes Jahr. An der Relevanz hat sich aber nichts geändert, darum hier nur leicht aktualisiert: Vier Mini-Rezensionen vier exzellenter Britcoms.

Gavin & Stacey

Absolut weihnachtskompatibel: Die Boy-meets-Girl-Sitcom um zwei Mittzwanzigjährige, die sich nach vielen jobbedingten Telefonaten ineinander verlieben, ohne den anderen je gesehen zu haben. Er lebt in Essex, sie im provinziellen Wales, wohin er ihr nach einem turbulenten gemeinsamen Wochenende in London folgt; am Ende wird geheiratet. Natürlich nicht ohne einige Konflikte zwischen Freunden und Familien.

Nicht übermäßig dicht an Lachern, dafür atmosphärisch warm ist diese Produktion aus Steve Coogans Comedyschmiede Baby Cow, in der neben der Comedy-Neuentdeckung Mathew Horne Altstars wie Rob Brydon („Human Remains“) und Alison Steadman („The Worst Week Of My Life“) mitspielen. Ein feiner Soundtrack rundet das ganze zur Feelgood-Britcom des Jahres ab, von der 2008 eine zweite, ebenso gute Staffel auf DVD erschienen ist.

The IT Crowd – Version 1.0 & Version 2.0

Was für Nerds: Die ersten beiden Staffeln der Abenteuer von Roy und Moss, zwei typischen Systemadministratoren, und ihrer neuen Vorgesetzten Jen, die von Computern keine Ahnung hat. Alle drei fristen ein Leben am unteren Ende der sozialen Leiter im Rumpelkeller von Reynholm Industries, wo jeder Anruf mit der Frage „Have you tried turn it off and on again?“ beginnt – und nicht selten auch schon endet.

Die geteilten Meinungen, auf die „The IT Crowd“ in England stieß, dürften nicht zuletzt Folge der hohen Erwartungen an die Serie gewesen sein, schließlich mißt man dort Autor und Regisseur Graham Linehan ebenso an seinem sagenhaften Erfolg mit „Father Ted“ wie den Produzenten Ash Atalla an seinem mit „The Office“. Da ist schwer heranzukommen, aber diese Old-School-Sitcom mit Publikum und klassischer Drei-Kamera-Bühnensituation gibt sich alle Mühe. Eine US-Adaption ist in Vorbereitung, in England läuft nächstes Jahr die dritte Staffel – die ersten beiden sind zumindest für ITler hierzulande schon beinahe Pflicht.

Father Ted – The Definitive Collection

Apropos „Father Ted“: Die gerade erschienene „Definitive Collection“ ist zumindst für alle, die noch nichts von „Father Ted“ besitzen, ein absolutes must have. Gar nicht mal wegen der überwältigenden Fülle von neuem Bonusmaterial, sondern einfach weil „Father Ted“ eine der besten englischen Sitcoms der Neunziger ist. Punktum. Kleiner Tip für Liebhaber, die gar nicht genug bekommen können: Neu auf dem Markt ist ebenfalls gerade die Aufzeichnung eines Stand-Up-Auftritts von Ardal „Father Dougal“ O’Hanlon: „Live in Dublin.“

Lead Balloon

Es dauert ein, zwei Folgen, bis man sich mit der Figur des lebensüberdrüssigen Stand-Up-Comedians Rick Spleen anfreundet, dann aber schließt man den meist sauertöpfischen Komiker ins Herz, der in dieser düsteren Sitcom mit seinem besten Freund und Co-Autor über Gott und die Welt palavert und regelmäßig in Schwierigkeiten kommt, wenn er etwa erklären muß, wie sämtliche Teelöffel seines Stammcafés bei ihm zuhause gelandet sind.

Wer sich angesichts dieses Settings entfernt an „Curb Your Enthusiasm“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch; Jack Dee, der „Lead Balloon“ als Autor und Hauptdarsteller zwar ebenfalls recht autobiographisch angelegt hat, ist aber weit davon entfernt, Larry David kopieren zu wollen. Von dessen Erfolgen kann er, der regelmäßig fremde Witze als seine eigenen ausgibt, ohnehin nur träumen. Die Serie aber ist mit dem gebührenden Erfolg gesegnet und mittlerweile in die dritte Runde gegangen – auch die zweite Staffel ist mitterweile auf DVD zu besichtigen.

(zuerst erschienen in einem Humorkritik Extra in TITANIC 12/2007)