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Artikel Tagged ‘Peter Capaldi’

Weihnachtsbilanz 2009

28. Dezember 2009 2 Kommentare

Gesehen:

  • „Benidorm“ (2007 — 09, ITV1)
    Die zweite Staffel ist tatsächlich schon um einiges lustiger als die erste; das Special geht ebenfalls klar, obwohl es einer Filmparodie bei weitem zu viel Raum gibt. Die dritte Staffel schafft etwas erstaunliches: Sie macht die Sitcom zum Comedy-Drama, verlängert jede Folge auf 45 Minuten, gibt den Figuren mehr Tiefe und mehr Handlung, schießt aber gleichzeitig in jeder Folge ca. zweimal mit irgendwelchen aberwitzigen Gag-Gimmicks über’s Ziel hinaus — und kriegt doch noch die Kurve. In der letzten Folge war einer der lustigsten Gags, die ich dieses Jahr gesehen habe. Wer auch immer mir hier in den Kommentaren empfohlen hat, nach der ersten Staffel dranzubleiben: Herzlichen Dank.
  • „The Armstrong And Miller Show“ (2007 — 09, BBC1)
    Moderne Sketch-Comedy mit einem double act, der überrascht, weil Alexander Armstrong und Ben Miller sich in ihrem trockenen Understatement sehr ähnlich sind. Dementsprechend gibt es keine klassische Rollenverteilung zwischen straight man und funny man, stattdessen setzen die beiden auf ihre schauspielerischen Talente. Wiederkehrende Figuren sind u.a. zwei Royal Air Force-Piloten während des Zweiten Weltkriegs, die sich im respektlosen Slang heutiger Teenager unterhalten, Steinzeitmenschen, die zum ersten mal modernen Themen wie Smalltalk, Kunst oder Vorstellungsgespräche begegnen, und der geschiedene Vater, der seinem Sohn (Tyger Drew-Honey, „Outnumbered“) in fürsorglichen Tonfall brutal ehrliche Antworten auf unschuldige Fragen wie „warum habt ihr euch scheiden lassen?“ gibt: „Um ehrlich zu sein: daran bist du schuld, mein Sohn…“

  • „Christmas at the Riviera“ (1997, ITV)
    Ein Weihnachtsfilm von den Autoren von „Worst Week of My Life“ Mark Bussell und Justin Sbresni mit prominentem Cast (Alexander Armstrong, Rasmus Hardiker, Katherine Parkinson, Reece Shearsmith, Geoffrey Whitehead), aber ohne den letzten zündenden Funken, der die Geschichte um den tolpatschigen zweiten Hotelmanager (Shearsmith) und die Katastrophen, die sich in seinem Hotel (dem „Riviera“) anbahnen, zum Brennen gebracht hätte. Trotzdem solide Unterhaltung.
  • „The Thick of It“ (2005 — 09, BBC4/BBC2)
    Es ist beinahe ein Wunder, wie Armando Iannucci und seine Leute es geschafft haben, diese Serie ohne ihren Hauptdarsteller nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auf gleichem, wenn nicht noch höherem Niveau fortzuführen. Aber Rebecca Front („Alan Partridge“, „Nighty Night“) ist ein adäquater Ersatz für Chris Langham, und Peter Capaldi als cholerischer Spin Doctor, der die Minister der britischen Regierung als Schießhund des Premiers auf Trab hält, ist ohnehin das eigentliche Rückgrat dieser aktualisierten Version von „Yes, Minister“.
  • „Beautiful People“ (2008 — 09, BBC2)
    Erst zwei Folgen dieser ziemlich schwulen Sitcom um zwei Teenager in Reading, die ihre Idee von „Camp“ gegen alle Welt, aber mit Rückhalt ihrer Eltern durchsetzen, habe ich besichtigt — werde mich aber nach der ersten Staffel noch einmal dazu auslassen.
  • „Charlie Brooker’s Screenwipe — Review of the year 2009“
    war so gut wie Charlie Brooker immer ist, und

nicht gesehen

habe ich bislang das „Outnumbered“-oder überhaupt irgendein Weihnachtsspecial. Kommt aber noch.

In the News (7)

17. Oktober 2009 3 Kommentare

Monty Pythons überlebende Mitglieder (plus ein cardboard cut-out von Graham Chapman) haben sich wiedervereinigt: in New York, um einen Spezial-Bafta entgegenzunehmen. Die London Times berichtet von der Feier, ebenso der Guardian, der auch noch einen Clip hat, auf dem Eric Idle wie ein Gebrauchtwagenhändler aussieht. In der Times wiederum darf „Top Gear“-Petrolhead Jeremy Clarkson in seiner Kolumne berichten, wie sein Vater ihn mit neun aus dem Bett geholt hat, um ihm Monty Python zu zeigen, und entpuppt sich als inoffizielles Mitglied der „Dead Parrots“ (dem Pub Quiz-Team aus „The Office“).

Ricky Gervais darf, apropos „The Office“, den Fragebogen im Guardian ausfüllen („The most significant event of the decade? The war on terror. Or writing an episode of The Simpsons. It’s hard to choose, isn’t it?“).

Peter Capaldi, der ewig fluchende Spin Doctor Malcolm Tucker in Armando Iannuccis genialem Film „In the Loop“ und der vorangegangenen Serie „The Thick of It“, darf sich zur kommenden Staffel eben dieser Serie im Guardian äußern (gibts eigentlich auch andere Zeitungen auf dieser komischen Insel?).

Curb Your Enthusiasm gewidmet ist schließlich eine Eloge in der Times, die sich mit den speziell jüdischen Aspekten der Serie befaßt, und

ich gehe jetzt wieder ins Bett, Herrschaften, das Buchmessenfest gestern war sagenhaft, und dementsprechend aufgequollen fühlt sich mein Kopf jetzt auch an innendrin, aber das ist angesichts der sensationellen Feier nur angemessen und nicht weiter schlimm. Nur meine goldene Uhr, die ich zum Abschluß meiner beinah zehn Dienstjahre bei TITANIC gestern abend ja wohl bekommen haben muß, kann ich irgendwie nirgends finden. Dafür hat Gärtner jetzt vermutlich zwei. Sei’s, wie es sei. Gute Nacht!

In the Loop

29. August 2009 Keine Kommentare

Internationale Diplomatie ist ein Geschäft, in dem es auf jedes einzelne Wort ankommt, das öffentlich geäußert wird. Briten wiederum sind die Großmeister internationaler Diplomatie und verstehen sich darum bestens auf Wortklauberei. Mit einer Ausnahme vielleicht: der des unbedarften Minister for International Development Simon Foster (Tom Hollander). Der äußert sich, in einem harmlosen Radiointerview überrumpelt, zur britischen Haltung zu einem möglichen Krieg im Mittleren Osten: „War is unforeseeable“ — Krieg ist nicht vorhersehbar. Harmlos, sollte man meinen — doch diese drei Worte werden dem eigentlich eher bedeutungslosen britischen Minister zum Verhängnis, denn die britische Politik zu den Kriegsplänen der Amerikaner ist die, daß Krieg weder vorhersehbar noch unvorhersehbar ist.

Zunächst fällt in Armando Iannuccis brillanter Polit-Satire „In the Loop“ (BBC Films, 2009, seit letzter Woche auf DVD erhältlich) daraufhin die nationale Großpolitik in Gestalt des Spin-Doctors Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der für den Prime Minister den Einpeitscher spielt, über den armen Foster her. Tucker versucht sich in Schadensbegrenzung („You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact“) und befleißigt sich im Übrigen im Umgang mit seinen Schäfchen einer Sprache, die das genaue Gegenteil von diplomatischem Understatement ist. Sie ist sogar so grenzenlos obszön, beleidigend und beißend vulgär, daß es die reine Freude ist, ihm bei seinen Schimpftiraden zuzuhören:

„Get me fucking Brian. If you don’t get  me Brian, I’m gonna come over there, I’m gonna lock you into a fucking flotation tank and pump it full of sewage until you fucking drown!!!“

Leider ist Foster auf eine David Brent-artige Weise einfältig genug, sich bei der nächsten Gelegenheit abermals öffentlich zu einem möglichen Krieg zu äußern („To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict“), und so setzt er eine Kettenreaktion in Gang, bei der ihn sowohl amerikanische Befürworter als auch Gegner eines Kriegs für ihre Zwecke einspannen möchten — so daß Tucker kaum noch nachkommt mit seinen Versuchen, zu retten was zu retten ist.

Mehr…

In the News (1)

21. August 2009 5 Kommentare

„Getting On“, Jo Brands finstere Krankenhaus-Sitcom, soll fortgesetzt werden: Innerhalb des nächsten Jahres sollen sechs weitere Folgen auf BBC4 laufen. Das berichtet The Stage. Freut mich, weil mir schon die erste (aus nur drei Folgen bestehende) Staffel gut gefallen hat: etwa der trockene Doku-Stil Peter Capaldis, den er aus Iannuccis „The Thick of It“ mitgenommen hat. Die erste Series erscheint in guten zwei Wochen auf DVD.

***

Eine etwas andere, nämlich kritische Sicht auf die Abtreibungs-Folge von „Family Guy“, die FOX nicht gezeigt hat, bringt Hadley Freeman heute im Guardian zu Papier: Er Sie hält „Familiy Guy“ für zunehmend konservativ, womöglich um, in Reaktion auf Barack Obamas Präsidentschaft, weiterhin „kontrovers“ zu bleiben („This would explain why conservative wingdings Rush Limbaugh and Karl Rove are to appear on the show“), und Seth MacFarlane für unlustig:

Although it is currently impossible to see the actual episode, there is a video of the actors doing a read-through of the script and then the outrage becomes understandable. My goodness, Seth MacFarlane put some nasty words in Peter Griffin’s mouth. And they’re not even funny.

Schlimmer aber: Er Sie hält den „Family Guy“-Macher für weitgehend frei von politischen Überzeugungen. Wozu aber, fragt Freeman, via Comedy einen kritischen Standpunkt vertreten, wenn man gar keinen hat?

***

Und zuletzt fragt ebenfalls der Guardian seine Leser, was sie wohl auf keinen Fall mit 496 000 in der Lotterie gewonnenen britischen Pfund Sterling anfingen, und hofft auf die Antwort: sie Charlie Sheen in die Hand drücken, damit der in einer weiteren Folge „Two And a Half Men“ auftritt. Welchen Grund könnte es tatsächlich für den Erfolg dieser unfassbar langweiligen Sitcom geben? Mir fällt keiner ein, außer: Die Leute stehen halt auf altmodischen Scheiß, der ihnen sagt, wann und wo sie lachen müssen. Das ist in etwa auch die Erkenntnis des Guardian-Texts.

In the thick of ward B4*

15. Juli 2009 2 Kommentare

Das könnte mein persönlicher Überraschungserfolg des Sommers werden: „Getting On“ (BBC4, mittwochs), das leider erstmal auf nur drei Teile angelegte ComedyDrama über den Alltag in der geriatrischen Abteilung eines Krankenhauses und das Leben zweier Krankenschwestern nebst ihrer Vorgesetzten. In blassen Farben und quasidokumentarischem Stil mit Ellipsen und Handkamera gefilmt, changiert „Getting On“ zwischen leisem Humor und Abgründen, die sich hin und wieder ganz unerwartet auftun, ähnlich wie sie es „The Thick of It“ auch tun — bestimmt kein Zufall, denn Regie führt hier erstmals Peter Capaldi, der in Armando Iannuccis brillanter Serie den schottische Spin Doctor gibt.

Schlüsselszene in der ersten Folge: Krankenschwester Wilde (Jo Brand) tätschelt einer Greisin abwesend die Hand, während sie gleichzeitig auf ihrem Handy eine eingehende SMS checkt. Die Kamera schwenkt auf das Nachttischchen, wo ein Geburtstagskuchen („Happy Birthday Lily 87“) steht, aber nach einem kurzen Blick auf Lily weiß man: Sie wird diesen Kuchen nicht mehr essen… Solche bitterkomischen Momente dominieren, und im weiteren Verlauf der ersten Episode wird noch diskutiert werden, ob man den Kuchen nebst anderem Naschkram zum Rest der weltlichen Hinterlassenschaften Lilys tun soll, die von ihrer ebenso betagten Schwester abgeholt werden, oder ob man sie selbst essen darf — mit dem Ausgang, daß Schwester Wilde später Lilys Schwester durch die offene Tür bemitleidet, während sie in sorgsam darauf achtet, daß diese das Stück Geburtstagskuchen in ihrer Hand nicht sehen kann.

Dabei ist Schwester Wilde durchaus nicht herzlos, sondern wie die anderen Krankenhausmitarbeiter auch ein bißchen überfordert, stoisch, aber guten Willens. Wenn die Vorschriften es vorsehen, daß Kotspuren auf Krankenhausstühlen erst in Formularen erfaßt werden, bevor man sie beseitigen darf („What type is it?“ — „‚I’d say type four: snake.“), dann wird das ebenso gemacht wie später die Anweisung von zweiter Seite befolgt wird, die gleichen Scheißspuren unverzüglich zu beseitigen.

Ebenso gleichmütig: Der Umgang mit Patienten, deren Sprache niemand im Krankenhaus verstehen kann:

Von dieser Serie hätte ich gerne mehr Folgen, please. Put it in my notes.

* Die bessere Überschrift hatte der Independent: Right in the sick of it.