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Archiv für die Kategorie ‘Stand Up’

Marmite Comedy

14. Mai 2011 6 Kommentare

Marmite ist ein britischer dunkelbrauner, sirupartiger, bitterer vegetarischer Brotaufstrich aus, keine Ahnung, Malzmaische oder etwas ähnlich Abseitigem. Außerhalb Englands ist er, vermute ich mal, weitgehend unbekannt (neulich bei den „Simpsons“ ging es in einer Folge um England, und einer der besten Scherze war Homers Jauchzen: „Mmh, homemade Marmite!“). In England aber gibt es viele Menschen, die Marmite mögen. Und genauso viele, die Marmite überhaupt nicht mögen. Dazwischen aber, zwischen mögen und überhaupt nicht mögen, gibt es wenig.

Stewart Lees Comedy ist Marmite Comedy. Oder genauer: war, denn mittlerweile sind seine Kritiker verstummt (außer die üblichen YouTube-Trottel), mittlerweile scheint ihn ein großes, sehr treues Publikum fest ins Herz geschlossen zu haben. Wie man an der gerade laufenden zweiten Staffel seiner Stand-Up-Show „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (BBC2) sehen kann: absolut zu Recht.

There was a rapper in London, and his name was Ironik, I-R-O-N-I-K was how he spelt it. And last November, Ironik, he went on the tweets. He was a tweeter. And one Saturday last November he twatted, which is the past tense of tweet, he twatted that he bought a new diamond necklace. And then he twatted that he was on his way to Southend to do a gig. And then he twatted that he was on his way back to London. And then he got mugged outside his house. And now Ironik understands the meaning if not the spelling of his name.

So anstrengend ist das Leben in der Stadt, aber noch anstrengender ist das Leben auf dem Land, so die Botschaft der zweiten Folge von letztem Mittwoch. Alsbald zückt Lee sein Messer und rammt es all den Ü-40-Eltern mit kleinen Kindern in den Rücken, die vom Landleben schwärmen, all den Landlust-Deppen, die aus der Großstadt weg aufs Land ziehen und dann feststellen, daß da ja gar nichts ist, außer einem Pferd auf der Weide und einem Live-Gig von dem einen von „Max and Paddy“, aber nicht Peter Kay, sondern von dem anderen, erfolglosen, und eines Tages liegt das Pferd tot auf der Weide, weil es sich selbst den Hals am Stacheldrahtzaun aufgeschnitten hat vor Frust und Langeweile und Angst, auf den Gig von Paddy McGuinness gehen zu müssen.

Aber auch die unter vierzigjährigen Zuschauer kriegen einen mit, denn für die macht Stewart Lee seine Show natürlich erst recht nicht. Für wen er sie macht, wie er sie macht, welche Witze er erzählt und ob er überhaupt Witze erzählt (abgezählte drei konventionelle Gags gab es in der ersten Folge), das ist immer ein zentraler Punkt seines Stand-Ups. Zusätzlich zu den regulären Folgen der ersten Staffel gab es in sogenannten „Red Button“-Bits immer kurze Interviews mit Armando Iannucci (der die Show auch produziert) über Form und Inhalt der Show. Diese Bits sind in der zweiten Staffel in die Show selbst integriert, aber selbstverständlich keine ernsthaften Diskussionen. Oder jedenfalls nicht nur.

Das ist die ganz große Leistung Stewart Lees: die Metaebene, die furchtbar schnell furchtbar öde wird, nie offen zu betreten. Immer hält er bei der Diskussion seines eigenen Stand-Ups subtil im Vagen, was wie und wie ernst gemeint ist. Genau dadurch werden seine Provokationen gegen das Publikum so spannend, deshalb kann er sich so weit aus dem Fenster lehnen in seinen Beschimpfungen: Weil sie immer nett und immer netter verpackt sind. Sein Messer, mit dem er in der ersten Staffel noch offen rumgerannt ist und präzise zugestoßen hat, ist in dieser Staffel in einem hübschen Strauß Blumen versteckt.

Zu diesen Blumen gehören, und das macht das „Comedy Vehicle“ zu einer runden Sache, diesmal kleine Einspieler, die die bösen Bilder, die Lee in seinem Stand-Up entwirft, plötzlich und überraschend „in echt“ zeigen, ähnlich den surrealistischen Szenen, die Iannucci in seinen Serien „Time Trumpet“ und „The Armando Iannucci Shows“ verwendet hat. Mal albern, wie in der ersten Folge, mal satirisch wie in der zweiten. Auch die aus „Jam“ bekannte Handschrift von Chris Morris („Four Lions“) ist da zu erkennen, der abermals als Script Editor mit von der Partie ist.

Zuguterletzt scheint Stewart Lee in der neuen Staffel entspannter zu sein, nicht mehr so schlecht gelaunt wie früher. Vielleicht, weil er sein Material bis ins letzte Detail geformt hat und sicher sein kann, daß es funktioniert. Vielleicht, weil er mittlerweile so erfolgreich ist, daß er sich bestätigt weiß in seiner Form der Comedy.

Marmite Comedy. Lecker.

Ouud! Ouuuud! Ouuuuuuuud!

26. November 2010 3 Kommentare

Eine Oud ist ein Kurzhalslaute aus dem Mittelmeerkreis. Es sei denn, Bill Bailey verwendet sie, dann wird sie zu einem Fetisch, einem magischen Gegenstand, Mittelpunkt einer Beschwörung. Ouuud!

https://www.youtube.com/watch?v=XtC_nlcQglE?fs=1&hl=de_DE

„Tonight’s program is about doubt“, sagt Bailey im ersten Teil von „Dandelion  Mind“, „or maybe it isn’t. I haven’t made my mind up yet.“ In jedem Fall kommen zwar nicht ganz so viele wie beim letzten Programm, aber doch etliche Instrumente zum Einsatz, es gibt einen Ausflug in die Kunstgeschichte, bei dem diverse Darstellungen des ungläubigen Thomas diskutiert werden, James Blunt kriegt sein Fett abermals ab, und am Ende kommt wieder der Schaupspieler Kevin Eldon zu einer Kraftwerk-Parodie auf die Bühne. Alles so lustig, bunt schillernd, liebenswürdig wie immer — nur daß es diesmal zu Beginn einen etwa zehnminütigen Stand-Up-Teil gibt, in dem es um aktuelle Themen aus Politik und Fußball geht, Irlands Pleite (die Show wurde in Dublin aufgenommen) und Wayne Rooneys Gesicht, bevor der Musikdampfer Bailey dann doch wieder in die psychedelisch-bizarren Gefilde abdriftet, die er üblicherweise befährt: Etwa in die, in denen Gary Numans „Cars“ zu einem französischen Elektro-Disco-Stück wird.

https://www.youtube.com/watch?v=wYF0eE-hyRU?fs=1&hl=de_DE

Wenn man dieses DVD zu Weihnachten verschenkte, käme sie vermutlich nach dem Spätfilm an einem der Feiertage zum Einsatz, wenn Mama und Opa schon im Bett sind. Phantastische Träume wären garantiert. (Die DVD hat Untertitel, obwohl das Cover irritierenderweise behauptet, sie hätte keine.)

Stewart Lee vs. Top Gear

12. November 2010 1 Kommentar

Die Zeiten, in denen Stewart Lee von seinen Tourneen ärmer nach Hause kam, als er losgefahren war, sind noch gar nicht so lange her. Ein Vorwurf, den Kritiker ihm in dieser Phase seiner Karriere immer wieder machten, war: Er beherrscht sein Publikum nicht; er schafft es nicht, seine Zuschauer zu fesseln; es gibt immer wieder lange Phasen ohne erkennbare Gags, in denen sich Unwohlsein im Auditorium breit macht, bis Lee es zurückgewinnen kann. Mittlerweile spielt Lee vor großen, gut gefüllten Rängen, und Fans wie (die meisten) Kritiker haben begriffen: Er macht das absichtlich. Die Dekonstruktion der comedy routine ist zentraler Bestandteil seiner Show, nicht etwa ein Fehler oder Unvermögen. Ganz im Gegenteil: Stewart Lee beherrscht (nach immerhin 20 Jahren im Business) diesen Kniff meisterlich.

Keine Frage also: die ersten zehn Minuten „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask For One“*, in denen weder der große Auftritt mit Kunstnebel und Light Show zu funktionieren scheint, in denen das Publikum auf seine Fragen Antworten gibt, mit denen er scheinbar nichts anfangen kann, in denen er wieder und wieder von vorne anfängt und schließlich damit beginnt, wie merkwürdig und unnatürlich es doch ist, daß Comedians auf die Bühne gehen und aus dem Nichts auf irgend ein Thema zu sprechen kommen — diese Selbst-Sabotage ist Inszenierung, und Lees Publikum weiß das auch. (Kein Zufall übrigens auch, daß die Show nicht in London gefilmt wurde, sondern in Glasgow, vor einem Publikum, das Lee für chronisch unzugänglich und widerborstig hält.)

Weil das Publikum nun aber so genau weiß, was Lee vorhat, kann, ja: muß er schwerere Geschütze auffahren, um die Leute aus der Reserve zu locken. Das schwerste Geschütz in seiner jüngsten (und m.M. besten) Show ist eine Suada, die geschlagene 40 Minuten dauert, sich also genügend Zeit nimmt, immer furioser auf einen sagenhaft lustigen Höhepunkt von Beschimpfungen und wüsten Todeswünschen hinzuarbeiten, und mit der Lee eine der beliebtesten Fernsehshows Englands aufs Korn nimmt: „Top Gear“. Hier die ersten Minuten (die retrospektiv gesehen von äußerster Harmlosigkeit sind):

Video leider nicht mehr online

Wie Stewart Lee sich im Verlauf der restlichen Show in eine Art Nervenzusammenbruch hineinsteigert, sollte man gesehen haben. Schon damit man anschließend das Bonus-Material-Interview umso mehr genießen kann, in dem Lee dem Schauspieler Kevin Eldon haarklein erzählt, wie kalten Herzens er sich auf „Top Gear“ kapriziert habe: weil er genau wisse, daß jedes Publikum mindestens zur Hälfte „Top Gear“ verehrt. Wie Lee die vorsätzliche, gut bezahlte political incorrectness von Jeremy Clarkson übernimmt und gegen ihn richtet („It’s only a joke! Like on Top Gear!“), und wie er vor allem Richard Hammonds feige Wieselhaftigkeit zerlegt, mit der sich dieser mit seinen eigenen Bullys identifiziert: Das ist vom Feinsten.

Tut aber meiner eigenen Begeisterung für „Top Gear“ selbstverständlich keinen Abbruch. Wenn das diese berühmten Widersprüche sind, mit denen man in der Postmoderne leben muß, dann soll sie mal ruhig weitermachen, die Postmoderne.

*DVD hat Untertitel

Herring Moustache

11. November 2010 Keine Kommentare
Richard Herring: "Hitler Moustache"

Richard Herring: „Hitler Moustache“

Die Wirkung eines Hitlerbärtchens hängt natürlich sehr davon ab, wie der Hitlerbärtchenträger sonst so aussieht. Richard Herrings Erscheinung in seinem letzten Programm „Hitler Moustache“ ist die einer typischen Kaurismäki-Figur: lange, ungepflegte Haare, leicht übergewichtig, schlecht sitzender dunkler Anzug mit ausgelatschten schwarzen Tretern dazu, auf der falschen Seite der 40. Herrings Hitlerbärtchen wirkt innerhalb dieses Ensembles hochgradig albern. Was für einen Stand Up-Comedian ja nicht zwangsläufig das schlechteste ist.

Herrings Versuch, dieses Bärtchen für sich zu reklamieren, es von seiner Nazi-Konnotation zu befreien und der Comedy zurückzugeben (immerhin hatte Chaplin es vor Hitler!), indem er es wochen- und monatelang spazierführt, ist gewiß von Anfang an zum Scheitern verurteilt und ebenfalls eher albern. Das Stand Up-Material aber, mit dem er seinen Bericht über diesen Selbstversuch andickt, gehört streckenweise zum Besten, was in diesem Jahr an Live-Comedy erschienen ist.

Denn Richard Herring (vormalige Hälfte des Comedy-Duos Lee & Herring an der Seite von Stewart Lee), braucht nur einen kurzen Anlauf, um von seinem Selbstversuch zu den Europawahlen zu kommen, bei denen die englische Faschopartei BNP unerwartet gut abgeschnitten hat — obwohl sie nicht mehr Wähler hatte als bei der letzten Wahl –, und von dort zu einer Publikums-, i.e.: Nichtwählerbeschimpfung. Was dann folgt, hat in der englischen Presse für Wellen gesorgt (allerdings auch deswegen, weil der Guardian Herring-Zitate aus dem Zusammenhang gerissen hatte): Rassisten seien nämlich im Grunde weniger rassistisch als Liberale. Schließlich gäbe es für Liberale 159 Staaten auf der Welt, für Rassisten aber nur vier verschiedene Rassen: eine weiße, eine schwarze, eine chinesische und die, die von den Fidschis über Indien, Nordafrika/Südeuropa bis Mexiko reiche. Was ja wohl bedeute, daß Rassisten 154mal näher an der Gleichheit aller Menschen seien als Liberale. Für Hardcore-Rassisten gäbe es überhaupt nur zwei Rassen: Weiß und schwarz — das sei ja nur noch einen Schritt von der Gleichheit aller Menschen entfernt.

Herrings Mäander ist ungewöhnlich politisch für englische Comedy, einerseits klar antifa-geprägt, andererseits ambivalent genug, etliche Hohoho-ganzschönkraß-Lacher zu provozieren; er sucht sich ab und zu einzelne Leute im Publikum aus, die er angehen kann, findet aber doch immer wieder zu einem Charme zurück, der seinen routine angenehm kurzweilig macht; seine Schlagfertigkeit und Präsenz auf der Bühne tun ein übriges, auch die DVD-Version seines Stand Ups erträglich zu machen (selbst wenn ich grundsätzlich kein Freund von Stand Up-DVDs bin, weil sie stets wirken wie Theateraufführungen im Fernsehen — die Atmosphäre geht immer verloren). Einziges Manko der üppig mit Bonusmaterial versehenen Doppel-DVD: Es gibt leider keine Untertitel.

http://www.amazon.co.uk/Richard-Herring-Hitler-Moustache-DVD/dp/B003IVZRVK/

Grumpy middle-aged man

11. Juni 2010 4 Kommentare

Ein Ire, der in Australien Witze über Engländer in Schottland macht: Das wäre vielleicht ein guter Anfang für einen Text über Dylan Moran und seine zuletzt erschienene Live-DVD „What It is“ (2009, mit UT). Denn zu Beginn der Show verblüfft weniger, was Dylan Moran so sagt, als wo er es sagt: In Sydney. Eher ungewöhnlich für britische Stand Up-Comedians. Vielleicht legt es Moran auf den größtmöglichen Kontrast an: nämlich zwischen dem sonnigen, aufgeräumt-fröhlichen Stand Up hie und dem launisch-mürrischen, finsteren Australien da. Bzw. natürlich umgekehrt.

Dylan Morans größte Fernsehrolle war die des Bernard Black in „Black Books“ (Channel 4, 2000 – ’04: ein misanthroper, schlecht organisierter irischer Buchhändler in London (seine zweitgrößte war die eines misanthropen, schlecht organisierten Comedians, den die Liebe in die Provinz trägt: „How Do You Want Me?“, BBC2, 1998 – ’99). Wie viel Moran in Bernard Black steckt, erschließt sich aber erst in seinen Stand Ups: Viel.

Nicht nur scheint es zwischen Bernard Black und Dylan Moran kaum optische Unterschiede zu geben: Beide bevorzugen schwarze Klamotten, eine ungesunde Gesichtsfarbe und Haupthaar, dessen Zustand kaum die Bezeichnung „Frisur“ verdient. Auch die rants, in denen er in „Black Books“ über Gott und die Welt lamentiert, setzen sich in seinen Stand Ups nahtlos fort: Da geht es abermals um Gott und Welt, sprich: Um Religion und die Evolutionstheorie, um Menschen im Konsumrausch, junge Ärzte, die ihm Regeln für einen gesünderen Lebensstil vorschreiben wollen, obwohl sie kaum elf Jahre alt zu sein scheinen, um Werbung, die immer aggressiver um Aufmerksamkeit heischt, um Do-it-Yourself im Haushalt und den allmählichen körperlichen Verfall bis hin zum Tod. Von der Evolution hätte sich Moran mehr erwartet als Urknall, dann Affen, dann Menschen bzw.: „Ich brauche mehr als Bang! Uh-uh-uh! Honey, I’m home! Viel besser wäre doch die umgekehrte Reihenfolge!“

Es braucht einen Moment, bis dieser Scherz zündet — „da fällt der Groschen wieder pfennigweise“, wie mein Deutschlehrer zu sagen pflegte — doch er ist ganz typisch für Moran, der viele non sequitur-Gags in seinen Monolog einbaut, also Gags, die auf Abschweifung, logischem Bruch, einer abrupten Richtungsänderung des Gedanken beruhen. Wie überhaupt Moran zwar durchaus den grumpy middle-aged man gibt, aber weit mehr als den: sein Sprachwitz, seine Lust an komischen Sprachbildern, die Phantasie, mit der er da mäandernde Gedankenketten knüpft, erinnern von ferne an Ardal O’Hanlon (der Father Dougal in „Father Ted“). Kein Zufall, denn Moran kam zur Comedy, nachdem er mit zwanzig einen Gig von O’Hanlon gesehen hatte, und er sollte später mit den „Father Ted“-Autoren Graham Linehan und Arthur Mathews, alle ebenfalls Iren, „Black Books“ entwickeln.

Einzig einen etwas konziseren Schluß seiner mit 76 Minuten eher kurzen (aber keineswegs zu kurzen) Show hätte ich mir gewünscht: die hört nämlich einfach auf, ohne daß sie eine Klimax erreicht hätte oder einen logischen Schluß. Das aber ist natürlich eine Petitesse im Vergleich zu der ansonsten tollen Show dieses schlecht gelaunten Alkoholikers, der sich unter anderem an seine wilde Jugend erinnert:

I remember going out with friends drinkin tequila. I mean: tequila?! It’s not even a drink, it’s a way of getting the police around without using a phone!

»Not all drugs are good. Some of them are great!«

28. März 2010 3 Kommentare

Mitte Mai kommt (in England) „American: The Bill Hicks Story“ in die Kinos. Anlaß genug, mein altes Humorkritik-Spezial vom Mai 2006 endlich hier online zu stellen — für die Freunde langer Texte und düsteren Stand Ups.

Das soll Bill Hicks sein? Dieser ungesund schwitzende Mann auf der Bühne soll schon mit fünfzehn den lokalen Comedy-Größen ihren Rang streitig gemacht haben? Der bleiche, dickliche Typ in schwarzen Klamotten, der aussieht wie vierzig, aber noch nicht einmal dreißig ist, hatte zu besten Zeiten 280 Auftritte pro Jahr? Dieser Vokuhila-Träger mit dem schlimmen Kassengestell hat regelmäßig psychedelische Drogen genommen und seine diesbezüglichen Erfahrungen auf der Bühne verherrlicht, wurde deshalb von seinen Fans geliebt und von Rechten verprügelt?

Es fällt schwer, das zu glauben. Der ist so unsympathisch. Und mit den ersten Sätzen seines Programms »Relentless« (»Unbarmherzig«), mit dem er 1991 in Montreal auftritt, macht Hicks klar, was er von seinen Mitmenschen hält: nichts.

Ich habe wohl so ein Gesicht, daß mir völlig Unbekannte sich vor mich hinstellen und sagen: ›Was ist denn los? Lächel doch mal!‹ Sie sagen, es kostet mehr Energie, die Stirn zu runzeln, als zu lächeln. — Yeah, und es kostet mehr Energie, mir das zu sagen, als mich einfach in Ruhe zu lassen. Also warum haut ihr nicht ab, dann fange ich auch an zu lächeln!

Hicks klärt kurz, daß er auf subalterne Arbeit gut verzichten kann, auch im Sommer lieber zu Hause bleibt, als an den Strand zu gehen, und zumindest unter einer Neonreklame für Bier halbwegs gesund aussieht. Wie er sich gibt, ist er das genaue Gegenteil der meisten amerikanischen und, um das mindeste zu sagen, auch der deutschen Comedians und politischen Kabarettisten, die ihren Murks als Dienstleistung am Publikum begreifen und ihm deshalb nach dem Mund reden, sich auf »Quatsch Comedy Club«-Harmlosigkeiten zurückziehen und erst dann mutig werden, wenn sie sicher sind, die Meinung ihrer Zuschauer formulieren zu können. Hicks aber sucht die Konfrontation. Mehr…