Knowing me, Oliver Nagel, knowing you – the visitor!

7. Januar 2009 34 Kommentare

Ahaaa and welcome zum, soweit ich das überblicken kann, ersten und einzigen deutschsprachigen Blog, das sich mit britischen Sitcoms beschäftigt – im Folgenden kurz Britcoms genannt. Als ältere Beiträge sind hier etliche der Humorkritiken zu finden, die ich in den letzten Jahren für TITANIC geschrieben habe; ab genau jetzt gibt’s hier Neues über britische Sitcoms, die mir so unterkommen. Und natürlich über Sketchshows. Und Filme — wenn etwa Schauspieler aus Britcoms mitspielen wie Ricky Gervais in seinem aktuellen Film „Ghost Town“ (der übrigens ganz nett ist, aber kein Höhepunkt seines Schaffens). Aber auch über (in der Regel vergebliche) Versuche des deutschen Fernsehens, britische Sitcoms zu adaptieren. Und amerikanische Sitcoms, wenn sie mir über die Maßen gut gefallen.

Eine kleine Liste mit Britcoms, die man gesehen haben und auf DVD besitzen sollte, findet sich bei Amazon — ebenso wie eine Liste mit Serien und Filmen, die man auch haben sollte, die aber zumindest ich nicht habe. Noch nicht…

KategorienAllgemein Tags:

Dead Brother

1. Dezember 2008 3 Kommentare

Das Reality-TV-Format „Big Brother“, so out es hierzulande ist, erfreut sich in Großbritannien nach wie vor großer Beliebtheit. Neun Staffeln sind dort schon auf Channel 4/E4 gelaufen, moderiert von Davina McCall (die älteren Zuschauern noch aus den frühen Jahren des deutschen MTV bekannt sein könnte). In eben diesem Setting, dem „Big Brother“-Haus, mit einigen echten ehemaligen Kandidaten und mit Davina McCall (als Moderatorin) hat nun Charlie Brooker für Channel 4/E4, ja, genau: eine Zombieserie gedreht.

Und „Dead Set“ ist bei Gott keine Parodie geworden, weder auf „BB“ noch auf Zombiefilme, sondern ein waschechter Horror-Thriller. Da laufen echte Romero-Zombies herum, heutigen Maßstäben entsprechend so fix wie die Untoten aus „28 Days Later“ und gefilmt im Stile von „24“. Sie sind überall, ganz England ist menschenleeres Ödland – nur die Insaßen des „Big Brother“-Containers haben überlebt und müssen nun zusammenarbeiten, um der Plage standzuhalten. Obwohl sie genau so gecastet wurden, daß sie sich gegenseitig hassen.

Spätestens hier wird, so apokalyptisch die Szenerie anmutet, der satirische Twist klar, den Brooker, wie er freimütig zugibt, bei Georg A. Romeros „Dawn Of The Dead“ abgekupfert hat. Dort war es ein Kaufhaus, in dem sich die Überlebenden verschanzten, und zwar mit durchaus kapitalismuskritischer Absicht des Regisseurs. Hier zielt Brooker auf die Auswüchse der Mediengesellschaft, und so gucken die „Big Brother“-Kandidaten überrascht, als sich herausstellt, daß das, was sie für Fangeschrei vor dem Container hielten, zwar tatsächlich Fangeschrei war, aber kein freudiges. Zombies, die wie hypnotisiert auf Regiemonitore und durch Einwegscheiben glotzen, weil sie nicht an die „Big Brother“-Stars herankommen, sorgen ebenso für satirisch-komische Momente wie die Containerinsaßen selbst, die zunächst gar nichts von der Katastrophe mitbekommen, dann aber als erstes fragen: „Bedeutet das, daß wir gar nicht mehr im Fernsehen sind?!“

Für mich zählt „Dead Set“, das in England in den Tagen vor Halloween ausgestrahlt wurde und seit Anfang November auf DVD erhältlich ist, zu den Fernsehhöhepunkten des Jahres, und sollten Sie mit dem Gedanken spielen, sich die Serie zuzulegen, besorgen Sie sich doch gleich noch „Nathan Barley“, das ebenfalls von Brooker (und Chris Morris) stammt und zu den bösesten und schwärzesten Medien-Sitcoms aller Zeiten zählt.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 12/2008)

Geoffrey Perkins R.I.P.

1. Oktober 2008 Keine Kommentare

Wer auch nur eine kleine Sammlung britischer Sitcom-DVDs sein eigen nennt, wird höchstwahrscheinlich gleich auf mehreren den Namen Geoffrey Perkins finden, ohne daß ihm das je auffallen müßte. Perkins war einer der erfolgreichsten Comedy-Produzenten im Vereinigten Königreich: Für „Hat Trick“ produzierte er „Spitting Image“, „Have I Got News For You“ und „Father Ted“, wurde 1995 Head of Comedy der BBC, von der er sich vertraglich zusichern ließ, weiterhin produzieren zu dürfen. Nichtdestoweniger verzweifelte er bald an ausufernder Bürokratie, zu knappen Budgets sowie der tiefsitzenden Geringschätzung des komischen Fachs innerhalb des Senders. Für den realisierte er hochdekorierte Serien wie die „Fast Show“ und „The Royle Family“ und sorgte mit der Neuauflage von „Only Fools And Horses“ 2001 für eine kleine Sensation; nebenbei schrieb er auch selbst Drehbücher und übernahm untergeordnete Rollen vor der Kamera.

Außer für seine bemerkenswerten TV-Leistungen für das Land des Lachens (erwähnt seien an dieser Stelle mangels Platz nur noch „Hippies“ und „Coupling“) ist Perkins vor allem für eins zu danken: daß er, 25 Jahre jung, als Radioproduzent genügend Geduld mit Douglas Adams besaß, der für unfaßbar langsames Arbeiten und verpaßte Deadlines berüchtigt war. Perkins half Adams dabei, die Skripte für die Hörspielversion von „Per Anhalter durch die Galaxis“ fertigzustellen, die durch Perkins’ innovative Soundbasteleien eine der lustigsten und originellsten Radiocomedys aller Zeiten wurde, das Image des ausstrahlenden Senders veränderte und bis heute Standards setzt.

Geoffrey Perkins starb am 29. August viel zu früh mit 55 Jahren.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2008)

Vergessene Hippies

1. März 2008 3 Kommentare

Fast zehn Jahre nach Erstausstrahlung (und 40 Jahre nach Woodstock) erscheint Mitte März eine kleine Perle der altmodischen Britcom auf DVD: „Hippies“, die Geschichte einer Handvoll von Aussteigern, die im London des Jahres 1969 ein Untergrund-Magazin produzieren möchten, aber an den einfachsten Anforderungen des revolutionären Alltags kläglich scheitern: neben dem schüchtern-dümmlichen Hugo, der auf ein Demo-Plakat „War and peace“ schreibt, Ray, der mit großem Eifer jeder Protestmode hinterherrennt („Miss World devalues chicks!“) und Alex, dem coolsten und entspanntesten Hippie, der allerdings aus reichem Elternhaus kommt und am liebsten Golf spielt, ist es vor allem Jill, die den attraktiven Mittelpunkt der Gruppe darstellt, die Frauenbewegung vorantreiben möchte und sich zu diesem Zweck sogar einen prächtigen Vollbart wachsen läßt.

„Hippies“ sieht zugegeben keine Sekunde realistisch nach den späten Sechzigern aus, sondern eher, als hätte jemand Charakterzeichnung und Humor von „Father Ted“ ins Swinging London verlegt und statt Kirchenleuten Hippies zum Gegenstand gemacht. Und genau so ist es: Hinter „Hippies“ stecken Graham Linehan und Arthur Mathews, die beiden „Father Ted“-Autoren, die hier Hauptrollen an Simon Pegg („Spaced“, „Shaun Of The Dead“), Julian Rhind-Tutt („Green Wing“) und Sally Phillips („I’m Alan Partridge“) verteilten, die ihrerseits zu diesem Zeitpunkt allesamt noch vor ihrem Durchbruch standen. Auch Nebenrollen sind hochkarätig besetzt, etwa mit Kevin Eldon („Jam“) und Peter Serafinowicz, der hier interessanterweise schon einmal die Rolle als Simon Peggs Nemesis spielt, die ihn später in „Spaced“ populär machen sollte.

„Hippies“ ist dabei gewiß nicht so brillant wie „Father Ted“, wie bedauerlicherweise bis heute keine weitere Sitcom von Linehan und/oder Mathews, bietet aber doch gute Gags und liebenswerte Charaktere wie etwa Ray und seine Mutter: „Mom, ich bin zu alt, um im Garten zu spielen, ich habe gerade einen Artikel über die Geschichte der Indochinakriege geschrieben!“ – „Das ist schön, Liebling, den kannst du gleich Tante Peg zeigen, die kommt in ein paar Minuten vorbei.“ Wer also den Humor von „Father Ted“ genauso mag wie den komödiantischen Stil von Simon Pegg & Co, ist gut beraten, sich „Hippies“ anzuschaffen: Er wird ein Kleinod entdecken, das zu seiner Zeit nicht genügend galt, um eine zweite Staffel zu rechtfertigen, das heute aber über den Standards aktueller Sitcoms liegt.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 3/2008)

Die wichtigsten Britcom-DVDs 2007

1. Dezember 2007 3 Kommentare

Schon eine Weile her, daß dieser Text erschienen ist: Nämlich ein gutes Jahr. An der Relevanz hat sich aber nichts geändert, darum hier nur leicht aktualisiert: Vier Mini-Rezensionen vier exzellenter Britcoms.

Gavin & Stacey

Absolut weihnachtskompatibel: Die Boy-meets-Girl-Sitcom um zwei Mittzwanzigjährige, die sich nach vielen jobbedingten Telefonaten ineinander verlieben, ohne den anderen je gesehen zu haben. Er lebt in Essex, sie im provinziellen Wales, wohin er ihr nach einem turbulenten gemeinsamen Wochenende in London folgt; am Ende wird geheiratet. Natürlich nicht ohne einige Konflikte zwischen Freunden und Familien.

Nicht übermäßig dicht an Lachern, dafür atmosphärisch warm ist diese Produktion aus Steve Coogans Comedyschmiede Baby Cow, in der neben der Comedy-Neuentdeckung Mathew Horne Altstars wie Rob Brydon („Human Remains“) und Alison Steadman („The Worst Week Of My Life“) mitspielen. Ein feiner Soundtrack rundet das ganze zur Feelgood-Britcom des Jahres ab, von der 2008 eine zweite, ebenso gute Staffel auf DVD erschienen ist.

The IT Crowd – Version 1.0 & Version 2.0

Was für Nerds: Die ersten beiden Staffeln der Abenteuer von Roy und Moss, zwei typischen Systemadministratoren, und ihrer neuen Vorgesetzten Jen, die von Computern keine Ahnung hat. Alle drei fristen ein Leben am unteren Ende der sozialen Leiter im Rumpelkeller von Reynholm Industries, wo jeder Anruf mit der Frage „Have you tried turn it off and on again?“ beginnt – und nicht selten auch schon endet.

Die geteilten Meinungen, auf die „The IT Crowd“ in England stieß, dürften nicht zuletzt Folge der hohen Erwartungen an die Serie gewesen sein, schließlich mißt man dort Autor und Regisseur Graham Linehan ebenso an seinem sagenhaften Erfolg mit „Father Ted“ wie den Produzenten Ash Atalla an seinem mit „The Office“. Da ist schwer heranzukommen, aber diese Old-School-Sitcom mit Publikum und klassischer Drei-Kamera-Bühnensituation gibt sich alle Mühe. Eine US-Adaption ist in Vorbereitung, in England läuft nächstes Jahr die dritte Staffel – die ersten beiden sind zumindest für ITler hierzulande schon beinahe Pflicht.

Father Ted – The Definitive Collection

Apropos „Father Ted“: Die gerade erschienene „Definitive Collection“ ist zumindst für alle, die noch nichts von „Father Ted“ besitzen, ein absolutes must have. Gar nicht mal wegen der überwältigenden Fülle von neuem Bonusmaterial, sondern einfach weil „Father Ted“ eine der besten englischen Sitcoms der Neunziger ist. Punktum. Kleiner Tip für Liebhaber, die gar nicht genug bekommen können: Neu auf dem Markt ist ebenfalls gerade die Aufzeichnung eines Stand-Up-Auftritts von Ardal „Father Dougal“ O’Hanlon: „Live in Dublin.“

Lead Balloon

Es dauert ein, zwei Folgen, bis man sich mit der Figur des lebensüberdrüssigen Stand-Up-Comedians Rick Spleen anfreundet, dann aber schließt man den meist sauertöpfischen Komiker ins Herz, der in dieser düsteren Sitcom mit seinem besten Freund und Co-Autor über Gott und die Welt palavert und regelmäßig in Schwierigkeiten kommt, wenn er etwa erklären muß, wie sämtliche Teelöffel seines Stammcafés bei ihm zuhause gelandet sind.

Wer sich angesichts dieses Settings entfernt an „Curb Your Enthusiasm“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch; Jack Dee, der „Lead Balloon“ als Autor und Hauptdarsteller zwar ebenfalls recht autobiographisch angelegt hat, ist aber weit davon entfernt, Larry David kopieren zu wollen. Von dessen Erfolgen kann er, der regelmäßig fremde Witze als seine eigenen ausgibt, ohnehin nur träumen. Die Serie aber ist mit dem gebührenden Erfolg gesegnet und mittlerweile in die dritte Runde gegangen – auch die zweite Staffel ist mitterweile auf DVD zu besichtigen.

(zuerst erschienen in einem Humorkritik Extra in TITANIC 12/2007)

Adliger Lieblingswitz

1. November 2007 Keine Kommentare

Der Legende nach ist »The Aristocrats« ein Witz, den sich die Witzemacher der englischsprachigen Welt seit den Zeiten des Vaudeville untereinander erzählen, der es jedoch nie aus diesem scharf umrissenen Milieu hinausgeschafft hat. Ein sagenhafter Witz, mit dem sich die Herren (und, seltener, Damen) Künstler vor ihren Standup-Auftritten warmwitzeln, indem sie ihn variieren, ausschmücken und überdrehen, bis er groteske Formen annimmt und weit jenseits des landläufigen sog. guten Geschmacks noch lange nicht aufhört.

Diesen hochgradig obszönen Witz, von dem erzählt wird, seine Wirkung reiche an Monty Pythons »tödlichen Witz« heran, das Publikum lache sich bei professionellem Vortrag nämlich zumindest annähernd tot, diesen mythischen Witz und seine Geschichte erzählt die Filmdoku »The Aristocrats«, die nun in ausgewählten deutschen Kinos zu besichtigen ist. Vorgetragen und präsentiert wird diese Mutter aller Witze von der Crème der amerikanischen und britischen Comedy, erwähnt seien hier stellvertretend für annähernd einhundert Komiker nur Eric Idle, Jon Stewart und Robin Williams, und jede Version ist dabei schmutziger, widerlicher, abstoßender und komischer als die vorige.

Erzählen kann und werde ich den Witz hier natürlich nicht, da müssen Sie schon selbst ins Kino gehen. Die Pointe allerdings verrate ich Ihnen gerne. Sie lautet: »The Aristocrats«.

Zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 11/2007