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Artikel Tagged ‘Sally Phillips’

Jahresendabstimmung – Die Ergebnisse

10. Dezember 2012 Keine Kommentare

Der Poll zur besten englischen Sitcom 2012 bleibt offen; nichtsdestoweniger will ich die Ergebnisse bis heute kurz kommentieren — und gratuliere meinen Lesern zu ihrem guten Geschmack: „Moone Boy“ (Sky 1) hat gewiss nicht unverdient gewonnen; die im Irland der späten 80er beheimatete Geschichte des elfjährigen Martin Moone und seines unsichtbaren Freundes von und mit Chris O’Dowd ist sicher die herausragendste Show des zurückliegenden Jahres. Tusch und hurra!

Ich freue mich auch deswegen für „Moone Boy“, weil er mit „The Thick of It“ (BBC4/BBC2) und „Episodes“ (Showtime/BBC2) zwei starke Konkurrenten hatte, die schon im zweiten respektive vierten Jahr Zuschauer sammeln konnten. Beide wären ebenfalls keine schlechte Wahl gewesen, auch wenn die letzte Staffel „Thick of It“ mich schon nur noch bedingt in ihren Bann gezogen hat — zu sehr fehlte Malcolm Tucker (Peter Capaldi) als durchgehende Hauptfigur, zu wenig interessierten mich die LibDem-Knallchargen und die gepflegte Langeweile der Torys.

„Episodes“ fällt schon ein ganzes Stück hinter „Moone Boy“ und „Thick of It“ zurück; zu unrecht, nach meinem Empfinden, denn die zweite Staffel mit ihrem Richtungswechsel zu mehr Soap und mehr Hauptfiguren fand ich besser als die erste, die ja doch recht durchwachsen war. (Kürzlich erst, als ich Stephen Frys Einlassungen zu englischem im Gegensatz zu amerikanischem Humor im Blog hatte, ist mir aufgefallen, wie einleuchtend „Episodes“ diesen Unterschied doch darstellt: hie die ewig bedröppelt guckenden Engländer, die weder gegen ihren Star Matt LeBlanc einen Stich machen noch gegen die ihnen vorgesetzten amerikanischen Produktionsaffen, und die sich dann zu allem Überfluss sogar noch miteinander verstreiten und beinah voneinander trennen — und da der ewige Sonnyboy „Joey“ und die ganzen Grinsekatzen in seinem Schlepptau, immer einen Spruch auf den Lippen, furchtbar.)

Die weiteren Platzierungen haben schon fast zu wenig Stimmen, um aus ihnen noch etwas herauszulesen. Allein dass „Parents“ (Sky 1) so schlecht abgeschnitten hat, finde ich schade — diese Domcom um eine ganze Familie (mit der meistens lustigen Sally Phillips in ihrer ersten Hauptrolle als Mutter), die zu den Großeltern (zurück-) zieht, fand zumindest ich top-lustig.

Ach ja, und: „Life’s Too Short“ (BBC2), Ricky Gervais‘ Zwergensitcom, war natürlich schon 2011 auf dem Abstimmungszettel — und ist da mit 20 Stimmen immerhin auf Platz drei gelandet. Diesmal weit abgeschlagen mit einer einzigen Stimme — wie kommt sowas? Weil sich alle anderen erinnert haben, dass die schon 2011 angelaufen ist? Kann ich mir fast nicht vorstellen. Allenfalls, dass sie eben schon vor einem ganzen Jahr ausgestrahlt wurde und deswegen praktisch schon vergessen ist. Auch kein gutes Zeichen.

Parasitecom

10. September 2012 1 Kommentar

„Boomerang Generation“ wird sie im angelsächsischen Raum mittlerweile genannt: die Kohorte der Krisenverlierer, die zwar längst erwachsen ist, nun aber vor den Trümmern ihrer Existenz steht und deshalb wieder bei ihren Eltern einzieht, sprich: wieder dort landet, von wo sie dereinst ins Leben gestartet ist. Die Eltern wiederum, die sich schon auf ein leeres Nest eingerichtet hatte, stehen plötzlich vor einem „crowded nest“, in dem wie in früheren Zeiten drei Generationen unter einem Dach leben. 500.000 Haushalte sind in Großbritannien von diesem Phänomen schon betroffen, Tendenz selbstverständlich steigend.

Kein Wunder, dass die Comedy dieses Thema zunehmend für sich entdeckt: Die Konflikte, die entstehen, wenn 40jährige plötzlich wieder in ihrem Kinderzimmer wohnen, sind ja offensichtlich komikträchtig. Und die Familie war immer der Ort der Sitcom („Domcom“) schlechthin, schließlich lassen sich auch die meisten Sitcoms, die am Arbeitsplatz spielen, im Grunde auf familiäre Strukturen zurückführen.

Nun gibt es schon die dritte Sitcom, die den Plot des Wiederzuhauseeinziehens aufgreift; die ersten beiden waren das weitgehend unbeachtet gebliebene „Home Time“ (BBC2, 2009), in dem eine Dreißigjährige (Emma Fryer) zwölf Jahre nach ihrem überstürzten Auszug wieder bei ihren Eltern aufschlägt, die zweite war Simon Amstells „Grandma’s House“ (BBC2, 2010 – ’12). Die hatte den zusätzlichen Clou, dass Simon Amstell sich darin quasi selbst spielte: den jungen Comedian und Panel-Show-Host, der sich mit derben Scherzen auf Kosten seiner Gäste unbeliebt gemacht und dann von der Mattscheibe vorübergehend verabschiedet hat, um wieder bei Großmama einzuziehen (und dort, Amstell ist offen schwul, sechzehnjährige Jungs in seinem Kinderzimmer zu empfangen und zu hoffen, dass die Familie das nicht spitzkriegt). Parasitecom hat der Independent dieses neue Subgenre der Sitcom getauft.

„Parents“ (Sky1, 2012) will keinen Zuschauer im Unklaren lassen über die Vorgeschichte der Serie. Darum wird die Backstory in jedem Vorspann rekapituliert: Wie Jenny Pope (Sally Phillips) von zuhause aus- und nach London zieht, einen Bürojob findet, heiratet und zwei Kinder hat, die gerade Teenager sind, als Sally gefeuert wird. Daraufhin verlieren sie das Haus an die Bank und gehen zurück in die Provinz — wo sie zu Beginn von „Parents“ dementsprechend zu sechst in dem eher kleinen Häuschen ihrer Eltern einziehen und fortan miteinander auskommen müssen.

Das fällt nicht immer leicht. Am leichtesten noch Sallys Mutter Alma (Susie Blake), die sich für ihre Tochter ohnehin ein Leben am Herd vorgestellt hat und nur wenig überrascht scheint, dass aus Sallys Karriere nichts geworden ist. Ihr Vater Len (Tom Conti, „The Dark Knight Rises“) hat da schon mehr zu knabbern, vor allem an Nick (Darren Strange, „The Armando Iannucci Shows“), dem nichtsnutzigen, aber stets optimistischen Ehemann von Sally, der mit seinem Startup gescheitert ist — offenbar ist es gar nicht so einfach, einen Energydrink für Topmanager („X-celsior“) zu entwickeln. Und dann ist da noch Sallys Schwester (Daisy Haggard, „Episodes“), die sich ihren Erfolg im Leben stets anmerken lässt.

„Parents“ ist in jeder Hinsicht eine Familiensitcom: durchaus an den Mainstream gerichtet, nicht die Neuerfindung der Comedy, dafür aber mehrheitsfähig und liebenswürdig. Letzteres ist vor allem Sally Phillips zu verdanken, die hier in ihrer ersten Hauptrolle zu sehen ist. Britcom-Fans aber ist sie keineswegs unbekannt: Seit „I’m Alan Partridge“ (BBC2, 1997 – 2002), wo sie als giggelnde Hotel-Rezeptionistin zu sehen war, und „Hippies“ (BBC2, 1999) gehört sie zu den besseren Nebendarstellern, und neben Doon Mackichan und Fiona Allen machte sie sich bei der ersten komplett weiblichen Sketch-Comedy „Smack the Pony“ (Channel 4, 1999 – 2003) auch noch einen Namen als Mit-Autorin.

Hier war sie am Drehbuch zwar nicht beteiligt (das stammt von Lloyd Woolf und Joe Tucker), aber ihre Fähigkeit, in Sekundenbruchteilen von grundsympathisch auf superbiestig umschalten zu können, verleiht ihrer Figur Tiefe, die den anderen Charakteren hin und wieder ein bisschen abgeht. Vor allem die Kinder Becky und Sam Pope (Jadie Rose Hobson und Christian Lees) sind ein wenig zu zweidimensional.

Wenn man der Serie überhaupt einen Vorwurf machen wollte, dann wäre es vielleicht der, dass das Buch sich ein wenig zu sehr auf die Gags verlässt, statt den Figuren Tiefe zu geben. Vom selbsterklärten Vorbild „Modern Family“ jedenfalls ist „Parents“ weit entfernt. Das macht aber nichts — dafür ist bei „Parents“ die Underdog-Perspektive viel sympathischer. Und es hatte offenbar jemand ein Händchen für die Musikauswahl. Die nämlich ist, von The Cure bis Badly Drawn Boy, durch die Bank gelungen.

Sky wird „Parents“ hoffentlich eine zweite Staffel geben; daran zweifle ich aber nicht, schließlich hat Rupert Murdochs Bezahlfernsehen zumindest in den letzten zwölf Monaten schon zu viel Geld in gute Comedy gesteckt: von „The Cafe“ bis „Stella“ hatte Sky in letzter Zeit die wesentlich besseren Sitcoms und ComedyDramas als die BBC.

In the News

20. März 2010 2 Kommentare

Auf „Hippies“, die beinah vergessene dritte Coproduktion der „Father Ted“-Schöpfer Graham Linehan & Arthur Mathews, wies ich bereits vor Jahresfrist hin; nun berichtet der Guardian über die nach wie vor unterschätzte kleine Sitcom mit Simon Pegg, Sally Phillips und Julian Rhind-Tutt. Daß der hübschen Serie über eine Handvoll Blumenkinder, die mit dem Zeitgeist ihres Lebensstils zu kämpfen haben, nur eine Staffel beschieden war, könnte, so spekuliert Bruce Dessau in seinem Blog „Laugh Lines“, damit zusammenhängen, daß „Hippies“ mehr Mathews‘ Kind war und der durchgeknallte Input von Linehan etwas fehlte. Dieses Frühwerk auch Simon Peggs wiederzuentdecken lohnt aber in jedem Fall.

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Daß der neue Pilot „Lizzie and Sarah“ von Jessica Hynes und Julia Davis so finster geworden ist, daß die BBC ihn im sogenannten graveyard slot um 23.45 Uhr versteckt, braucht hierzulande eher niemanden zu interessieren; daß er von Baby Cow produziert und noch bösartiger als „Nighty Night“ sein soll, aber schon: denn diese fiese Sitcom von Julia Davis hat tatsächlich Maßstäbe gesetzt. Mal sehen, ob sie den Witz noch ein bißchen steigern können, den dieser kleine Ausschnitt leider eher andeutet als ausspielt.

Media leider offline

Da aber neben Davis und Hynes auch noch Mark Heap und Kevin Eldon mitspielen, werde ich mal einen Blick riskieren.

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Ein großes Tina Fey-Porträt findet sich im gestrigen Independent; darin berichtet die „30 Rock“-Schöpferin, sie sei vor ihren karrierewirksamen Auftritten als Sarah Palin-Double immer nur als Nana Mouskouri-Doppelgängerin gehandelt worden — eine Ähnlichkeit, die im heutigen Comedy-Business eher wenig hilfreich sei. Außerdem schenkt sie Alec Baldwins Ankündigungen, bei „30 Rock“ hinzuwerfen, keinen Glauben, stellt klar, daß die 300 000 Follower bei Twitter einer falschen Tina Fey aufsitzen, und gibt zu, daß einige der lustigsten Catchphrases der Show ihrer vierjährigen Tochter zu verdanken seien.

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Bei der Sport Relief Night waren gestern abend, ähnlich den Comic Relief-Clips, einige Comedy-Schnipsel zu sehen — unter anderen der nachstehende „Outnumbered“-Clip, den ich aber nur ausgemachten Fans anheimstelle; allen anderen dürfte der Sketch recht zahm vorkommen.

Für Kinder ab 18

15. März 2010 10 Kommentare

Ich hasse Jugendliche. Jugendliche stinken. Sie sind vorlaut, präpotent und halten sich für den Nabel der Welt, haben aber in Wirklichkeit von nichts Ahnung. Jugendliche denken nur an sich, wollen immerzu „Party machen“ und bauen Scheiße. Warum sollte ich ihnen dabei auch noch stundenlang zusehen wollen?

Nun: Weil es verdammt unterhaltsam ist — jedenfalls wenn wir von „Skins“ (E4, 2007 -) sprechen. „Skins“ bestätigt alle gängigen Vorurteile über Jugendliche (vorlaut, präpotent, keine Ahnung, Party) — und transzendiert sie. Natürlich bauen Tony, Michelle, Sid, Cassie, Chris, Jal, Maxxie und  Anwar unfaßbar viel Scheiß. Aber jeder baut ihn auf seine Weise. Und wenn man eine Weile zusieht, wird die Binnenlogik aus Scheiße bauen und Party machen so stark, daß man sich fragt: Warum habe ich eigentlich nicht so viel Scheiße gebaut und Party gemacht, als ich Teenager war? Sieht doch aus, als wäre mir mächtig etwas entgangen.

Gut, fränkische Mittelstädte in den Achtzigern und Bristol der späten Nullerjahre, das sind schon zwei unterschiedliche Planeten. Ich hätte mit 16 eher nicht auf Pump einem Grasdealer Marihuana für 1000 Mark abgekauft, um den Beutel sofort zu verlieren und keine Ahnung zu haben, wie ich das zurückzahlen soll. Ich hätte mich auch nicht mit ein paar schweren Metallteilen in der Tasche durch die Untersuchung einer Anorexie-Behandlung geschummelt oder von meinen Brüdern, die für HipHop-Battles proben, beim Klarinettespielen stören lassen, und meine alleinerziehenden Mutter hätte sich auch nicht mirnichts, dirnichts aus dem Staub gemacht, um mich mir selbst zu überlassen. Insofern hatte es vermutlich auch seine Vorteile, in der bayerischen Provinz aufzuwachsen, und nicht im Südwestengland eines britischen ComedyDramas.

Kurzweiliger ist aber auf jeden Fall die Jugend in der Fernsehversion von E4, dem Bezahlfernseh-Ableger von Channel4. Sie hat definitiv den besseren Soundtrack als meine Jugend, ist schneller geschnitten und sowohl lustiger als auch trauriger. Das ist überhaupt die ganz große Leistung von „Skins“: Wie hier Tragik und Komik Tür an Tür wohnen, wie man mit jeder Folge, die sich jeweils um einen aus der Clique dreht und auch nach ihm benannt ist, also Episode „Tony“, Folge „Cassie“ usw., wie man also mit jeder Folge mehr von der Backstory und den inneren Welten einer Figur erfährt und dabei ganz großes Drama, schlimmste seelische Verletzungen und schwerste Schicksale direkt neben schnellen und hellen Gags liegen, neben Witzen über doofe Eltern, Drogen und Sex, Sex, Sex — das ist nichts weniger als brillant. Und sehr englisch, mal wieder: dreckig, böse, sehr, sehr lustig. Die DVDs sind tatsächlich „ab 18“.

Die Schöpfer der Serie, Bryan Elsley und Jamie Brittain, sind Vater und Sohn (ersterer Jhg. ’61, letzterer ’84) und mit Preisen für „Skins“ überhäuft worden; vor allem ab der dritten Staffel häufen sich vermutlich wegen des phänomenalen Erfolgs denn auch die Gast-Auftritte, in denen über zwei bis vier Episoden Stars die Eltern respektive Lehrer verschiedener Teenager spielen dürfen: etwa Sally Phillips, Ardal O’Hanlon, Mark Heap, Rich Fulcher, Simon Day, Kevin Eldon, Bill Bailey, Peter Capaldi und Olivia Colman; Harry Enfield spielt nicht nur regelmäßig mit, sondern führt zwischendurch sogar Regie. Tony Stonem wird gespielt von Nicholas Hoult, den man als Kind noch aus „About a Boy“ kennen könnte.

„Skins“, der Name, bezieht sich übrigens nicht etwa auf Skinheads, sondern auf Zigarettenpapierchen, mit denen hier selbstredend ausschließlich Joints gebaut werden. Der Begriff „skins party“ ist infolge der Serie in den englischen Sprachgebrauch eingegangen als Synonym für extrem destruktive Großfeiern mit unfaßbar viel Akohol- und Drogenkonsum — es wird von einer Party berichtet, die auf MySpace als „Skins Unofficial Party“ angekündigt war und zu der prompt 200 Gäste erschienen, die einen Schaden von 20 000 Pfund anrichteten. Wer bei YouTube nach „Skins“-Trailern sucht (leider alle nicht einzubetten), wird praktisch nur das finden, wofür die Serie berühmt geworden ist: Exzessive Partyszenen.

In England ist gerade die vierte Staffel zuende gegangen (sie erscheint nächste Woche auf DVD); die fünfte und sechste sind schon beschlossen, vermutlich deshalb im Doppelpack, weil (fast) der komplette Cast zwischen der zweiten und dritten Staffel ausgetauscht worden ist und ein weiterer kompletter Austausch der Hauptfiguren geplant ist, deren Geschichte immer nur bis zum Abschluß der Secondary School erzählt werden. Auch von einem Film ist die Rede. Ich werde, soviel steht schon fest, alles gucken, was da noch kommt — „Skins“ ist phänomenal.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 2

29. November 2009 10 Kommentare

Unterhaltungsliteratur (wie etwa die momentan äußerst erfolgreiche Romantrilogie von Stieg Larsson) bedient sich einiger Tricks, um ihre Leser in Bann zu schlagen: Sie ist kritisch genug gegenüber Systemen, um sich von rein affirmativer Trivialliteratur zu unterscheiden, befeuert die Phantasie des Lesers/der Leserin aber wie diese durch gezielt gestreute Liebesplots und sexuelle Abenteuer, und hält durch zopf-artig verwobene Storylines genügend Abwechslung bereit, um auch ungeübte Leser bei der Stange zu halten. Vor allem aber schlägt sie ein langsames Tempo an und wiederholt alle für das Verständnis der Handlung wichtigen Informationen so oft, daß auch vorübergehend unkonzentriertes Lesen niemanden aus dem Buch wirft — unter anderem deshalb sind etwa Larssons Bücher auch dermaßen dick.

Im Fernsehen arbeiten Soap Operas und Daily Soaps mit ähnlichen Mitteln. Sind sie schlecht, merkt man die minütliche Wiederholung relevanter Wissensfragmente z.B. über den Charakter einer Figur an grottigen Dialogen („Daß Tanja ein Scheusal ist, weiß ich schon, seit sie meine Katze in den Betonmischer geworfen hat!“); bessere Soaps bauen solche Informationen subtiler ein. So wie die Krankenhaus-Soap-Sitcom, die so innovativ, unkonventionell und komisch war, daß sie in England zunächst nur ein kleines, aber dafür umso fanatischeres Gefolge hatte, alsbald zum Kult wurde und nun in meinen Top-10-Britcoms der Nullerjahre auf Platz zwei angelangt ist:

„Green Wing“ (2004 — 07, Channel 4)topten02b

„Green Wing“ erzählt in der Form einer Ensemble-Sitcom die Geschichte einer Krankenhaus-Belegschaft: Caroline Todd, zu Beginn der Serie Neuzugang in der Chirurgie, ist schon bald zwischen dem charmant-lässigen Dr. Mac und dem arroganten Anästhesisten Guy hin- und hergerissen; die Personalchefin Joanna Clore fügt ihrer obsessiven erotischen Beziehung zum Chefradiologen und Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham ständig neue, bizarre Facetten hinzu; Statham führt einen lächerlichen Kleinkrieg mit dem Arzt im Praktikum Boyce, und Sue White, Staff Liaison Officer und damit Vertrauensfrau des Krankenhauspersonals, scheint komplett wahnsinnig zu sein. Jede Folge beschreibt einen Arbeitstag, und das Drehbuch spielt dabei alle mathematisch möglichen Begegnungen zwischen den Charakteren konsequent durch, den oben aufgeführten wie etlichen anderen, — mit immer wieder neuen, unfaßbar komischen Ergebnissen.

IstCaroline die Identifikationsfigur für den Zuschauer, so stellt das Nervenbündel Statham eines der komischen Epizentren der Serie dar: Der permanent haspelnde, verklemmte Statham mit seiner autoritätsheischenden, aber erbärmlichen Art ist die Zielscheibe des allgemeinen Spotts, und selbst wenn er sich mal an Boyce und seinen kindischen Pranks rächen will und seinerseits einen practical joke inszeniert, geht das nach hinten los:

Eine Auseinandersetzung über einen Parkplatz in nächster Nähe zum Krankenhaus, wie ihn Mac hat, Statham aber nicht, kann schon mal zu Besessenheit führen, die mit einem Streit mit dem Parkplatzpersonal beginnt…

…und mit dem Verspeisen einer Gallenblase endet:

Die Handlung der Serie ist typisch für Soaps: Mac und Guy tragen ihre Rivalitäten aus, Joanna Clore fürchtet sich vor dem Altwerden und würde deshalb gerne eine Affäre mit dem farbigen IT-Experten beginnen, Caroline schmeißt eine House-Warming-Party, Martin muß sich Prüfungen unterziehen und Mac überlegt, das Krankenhaus zu verlassen und woanders eine bessere Stelle anzunehmen.

Sensationell an „Green Wing“ ist aber, wie innerhalb dieser Soap die Figurencharakterisierung durch beständige Wiederholung funktioniert: Indem nämlich die Körpersprache der Figuren ebenso durch Zeitraffer und Zeitlupen verdeutlicht wird wie durch visuelle Gags, lange Einstellungen und einen brillianten Soundtrack und durch sketchartige Vignetten, nämlich die beschriebenen Zusammentreffen der Figuren in allen denkbaren Konstellationen. In diesen Miniaturen werden Charaktere so präzise porträtiert, wie es Dialoge kaum könnten — etwa in dieser Szene, wo Boyce und Martin um die Wette aus Schokoriegeln Türme bauen und Sue White dazukommt:

Überhaupt ist Sue White neben Statham eine weitere schillernde Figur, weil sie vollkommen unberechenbar ist:

Diese Mischung aus handlungstragenden und nur charakter-basierten Sketchen schlug sich in der Drehbucharbeit in unendlich vielen Zetteln nieder, die zusammen eine Folge ergaben und die, von den Autoren geschrieben, vor der Produktion immer aufs neue arrangiert wurden: für die Story relevante Szenen auf Zetteln in einer Farbe, freie Gags in anderen Farben, so lange umgruppiert und verschoben, bis stimmige, runde Episoden dabei herauskamen.

„Green Wing“ lebt zum einen von dieser außergewöhnlichen Herangehensweise, zum anderen aber von dem phantastischen Cast. Der ging, allen voran Stephen Mangan (Guy) und Michelle Gomez (Sue), so in seinen Rollen auf, daß etliche Szenen durch Improvisationen noch komischer wurden, als die Autoren sie vorher geschrieben hatten — sehr zum Leidwesen letzterer. Tamsin Greig (als Caroline) hatte sich zuvor in „Black Books“ Meriten erworben, Mark Heap (Statham) desgleichen als der Künstler Brian in „Spaced“, Oliver Chris (Boyce) war bereits aus „The Office“ bekannt. Sarah Alexander („Coupling“, „The Worst Week of My Life“), Michelle Gomez als Sue White („The Book Group“) und Pippa Haywood („The Brittas Empire“) unterstützten sie nach Kräften, in der zweiten Staffel ergänzt durch Sally Phillips („I’m Alan Partridge“). Hinter der Serie steckte das Team, das zuvor mit der Frauen-Sketchshow „Smack the Pony“ populär geworden war, allen voran Produzentin Victoria Pile, und hinter dem Soundtrack Trellis aka Jonathan Whitehead, der auch für „Nathan Barley“, „Black Books“, „Brass Eye“ und „The Day Today“ den Soundtrack besorgt hat.

Einziges Manko von „Green Wing“ ist, daß die zweite Staffel gegen Ende das hohe Niveau des Anfangs nicht mehr ganz halten konnte und mit einem Special endet, das ein wenig enttäuschte, weil es nicht mehr in der vertrauten Krankenhausumgebung spielte und die großen Erwartungen, die die Fans darauf gerichtet hatten, nicht erfüllen konnte. Dennoch ist „Green Wing“ eine der hierzulande weitgehend unbekannten Britcoms, die größere Bekanntheit, ja: unbedingtes Fantum auf jeden Fall verdient haben. Schon für diese Szene, in der Sue White einen schönen Teller Nabelschnüre ißt, was Guy allerdings erst nach einer beherzten Kostprobe erfährt:

PS: Ein Tip, der sich schon mehrfach bewährt hat: „Green Wing“ funktioniert bei vielen Zuschauern erst mit und nach der zweiten Episode, möglicherweise, weil man sich an den Stil erst gewöhnen muß, weil die erste Folge zum Teil aus der Pilotfolge besteht (mal drauf achten: Macs Frisur ändert sich in der ersten Episode mehrfach) oder weil erst die zweite Folge eine Serie überhaupt erst zur Serie und serielle Momente augefällig macht.

„I’m a size ten… -ty. Yeah, tenty.“

10. November 2009 2 Kommentare

Miranda Hart ist sehr groß und nicht besonders feminin. Daraus hat sie nun eine eigene Sitcom gemacht: „Miranda“ (Montags 20.30 Uhr, BBC2). In der Adaption ihrer erfolgreichen Radioserie spielt sie die Mitbesitzerin eines Joke Shops, der für allerlei Späße rund um Schokoladenpenisse sorgt und in dem sie ca. ein halbes Dutzend Mal über Kisten fallen kann — kreischendes Lachen des Publikums ist ihr jedes Mal sicher. Mirandas größtes Problem: Sie wird permanent für einen Mann gehalten und mit  „Sir“ angesprochen. Ihr zweitgrößtes Problem: Sie kriegt keinen Mann ab, und der nette Koch im Restaurant gegenüber erlebt sie selbstverständlich nur in gequälten Posen, in Lügen verstrickt, in einem Kleid, das sie wie einen Transvestiten aussehen läßt, und schließlich in einem Hochzeitskleid, obwohl sie natürlich gar nicht verzweifelt auf der Suche nach einem Bräutigam ist, neinnein. (Diese Szene, in der sie mit ihren Freundinnen shoppen geht, liefert allerdings den Anlaß für den besten Witz der Folge: „Which size are you?“ — „Uh, ten. -ty. Yeah, tenty.“)

Kaum zu glauben, daß solcherart muffige „Ich sehe scheiße aus, will aber gerne einen Mann“-Klischees eine eigene Show erhalten. Alles in „Miranda“ riecht nach angeschimmelten 70er-Jahre-Sitcoms, bis hin zum schrecklichen Abspann, der mit der Einblendung „You have been watching…“ auf die Kaufhaus-Serie „Are You Being Served?“ anspielt, und dann alle Darsteller in die Kamera winken läßt, als ob es in der Show selbst nicht schon genügend wissende, verblüffte und indignierte Blicke in die Kamera gegeben hätte. Das Produktionsteam setzt sich zusammen aus Mitarbeitern an Shows wie „Bonkers“, „Jam & Jerusalem“ und „Life of Riley“, was man irgendwie auch sieht, und was Sally Phillips in dieser Show verloren hat, ist mir ein völliges Rätsel. Miranda Hart selbst aber fand ich auch schon in „Hyperdrive“ neben Nick Frost nicht besonders komisch.