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Artikel Tagged ‘Outnumbered’

Black Comedy

30. Mai 2009 2 Kommentare

Kein einziger guter schwarzer Comedian fiele ihm ein, sinniert Ricky Gervais‘ Andy Millman in einer Folge „Extras“, nun, zumindest kein britischer guter schwarzer Comedian — abwesender Blick auf das an der Wand hängende Porträt eines Farbigen — nein, es fiele ihm wirklich keiner ein.

Der schwarze Mann auf dem Foto, auf dessen Kosten dieser Scherz geht, ist Lenny Henry, groß geworden in der Peripherie der alternative comedy (er taucht z.B. in der letzten Folge der „Young Ones“ auf) und vornehmlich Stand Up-Comedian. Aus dem Fernsehen kennt man am ehesten sein Opus Magnum „Chef!“ (BBC1 1993-96), das mir beim Wiedersehen eben Gervais‘ Seitenhieb ganz berechtigt erscheinen ließ: Lenny Henry, der britische Bill Cosby, hat tatsächlich keine ausgeprägten funny bones.

Sieht man davon ab (falls es möglich ist, bei einer Comedy davon abzusehen, daß der Hauptdarsteller nicht sehr komisch ist), ist „Chef!“ aber eine okaye Sitcom. Henry spielt darin Gareth Blackstock, einen Zwei-Sterne-Koch, der eine Art Dr. House der Haute Cuisine ist: misanthrop, zynisch, arrogant und tyrannisch, aber unangefochtener Meister seines Fachs und, wenn es darauf ankommt, mit einem großen Herz ausgestattet. Meistens kommt es aber nicht darauf an, und dementsprechend rüde ist der Umgangston in der Küche.

„I’m sacking you because I think you’ve as much chance of being a top chef as John Major has of becoming a stand-up comedian!“

Daß Blackstock mit seiner Frau, die bald Managerin des Restaurants wird, ernsthaft diskutierte Probleme hat, gibt der Serie einen charakterlichen Unterbau, der sie beinah zu einem Comedy-Drama werden läßt. Die Produktionsweise liefert den entsprechenden Look dazu: mit einer Kamera, auf Film und on location gedreht, jedenfalls die ersten beiden von drei Staffeln, wird die Arbeitswelt und -weise des Spitzenkochs sehr realistisch in Szene gesetzt. Das wiederum entspricht eher der Produktionsweise von Dramas als von Sitcoms, weshalb der laugh track hin und wieder auch ein bißchen irritiert. Daß schließlich der Umstand, daß die beiden Hauptfiguren (Blackstock und seine Frau) Farbige sind, niemals von Bedeutung für die Serie ist, macht sie endgültig zu einer sehr erwachsenen Serie. Wenn auch zu keiner, wegen der man auf dem Boden läge vor Lachen.

Was mich eben am meisten gefreut hat: in einer Nebenrolle die junge Claire Skinner („Outnumbered“) wiederzusehen.

Ich bin bafta

27. April 2009 2 Kommentare

bzw. nicht ganz zufrieden mit den diesjährigen Gewinnern des jährlichen Preises der British Academy of Film and Television Arts (gestern abend war die Preisverleihung): Baftas für David Mitchell in „Peep Show“ (Comedy Performance) und „The IT Crowd“ (Situation Comedy) — das sind zwei Baftas für x-te Staffeln mittlerweile doch eher schwächelnder Sitcoms, und null (in Zahlen: zero) Baftas für die in beiden Kategorien ebenfalls nominierten „Outnumbered“ respektive Claire Skinner in ihrer Hauptrolle darin. Shame! Und auch den Bafta für das beste „Comedy Programme“ hätte ich nicht an „Harry and Paul“ vergeben, sondern sicher eher an „Star Stories“. Wo  nicht „The Peter Serafinowicz Show“. Oder, wie es Karen formuliert hätte: „Up your beeping beep beep!“

Die gute Nachricht am Rande: Die zweite Staffel „Outnumbered“ ist noch besser als die erste und wird auf DVD erscheinen! Die schlechte: Allerdings erst im November.

Stein, Schere, Velociraptor

29. Januar 2009 3 Kommentare

Eine Sitcom über das alltäglich-chaotische Leben einer Londoner Mittelklassefamilie mit drei Kindern mag für die Zielgruppe der 14- bis 25jährigen nicht die Neuerfindung des Comedy-Rads sein – für mich war die zweite Staffel von »Outnumbered« (BBC 1), die im Januar zu Ende ging, die beste Britcom des vergangenen Jahres. Das mag zum einen daran liegen, daß »Outnumbered« formal auf der Höhe der Zeit ist und sich den quasidokumentarischen Wackelkamerastil von »Curb Your Enthusiasm« ebenso angeeignet hat wie das improvisierte Spiel; zum anderen aber an einem wunderbaren Cast, denn die drei Kinder der Familie Brockman sind hervorragend besetzt: allen voran Ramona Marquez als fünfjährige (!) und permanent Fragen stellende Karen, die schon mal wütende Briefe an den Premierminister schreibt und, als sie Kopfläuse aus der Schule nach Hause bringt, am liebsten eine davon als Haustier behalten würde. Nicht weniger brillant auch Daniel Roche als Ben (7), dessen permanente Lügen seine Eltern regelmäßig in Verlegenheit bringen (»Das ist nicht mein Vater! Der hat mich entführt!«) und der gerne »Stein, Schere, Velociraptor« spielt, sowie Tyger Drew-Honey als Jake (11), in der Schule gehänselt und von Ängsten geplagt.

Den dreien, die ihren Eltern nicht nur an Zahl überlegen sind (worauf der Titel anspielt), gelingt etwas Paradoxes: Sie bestätigen sowohl Kinderlose, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als auch Eltern in ihrer Ansicht, ein Leben ohne Nachwuchs müsse eine traurige Angelegenheit sein. So oder so aber leidet man mit Pete und Sue (ebenfalls prima: Hugh Dennis und Claire Skinner), die bemüht sind, ihre Erziehung so aufgeklärt wie möglich zu gestalten, dabei aber regelmäßig auf schwere Proben gestellt werden – und am Ende Ben beinahe seinen Willen lassen, mit der Bohrmaschine in der Hand zur Schule zu gehen.

»Outnumbered« bleibt immer realistisch, was die Identifikation leicht macht, und so haben zumindest mich die großen Probleme (mit dem zusehends dementen Großvater) und kleinen Unfälle (»Ich wirble meinen Sohn oft an den Beinen im Kreis herum, und entweder hatte diesmal jemand den Tisch verrückt oder er ist gewachsen!«) gleich gefangengenommen – und zum Schluß sogar für die Idee Karens begeistert, zukünftig Geld zu sparen, indem man einfach keinen Brokkoli mehr kauft. Und dafür aber die DVD der ersten Staffel.

(Zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 2/2009)

That was the year that was

20. Januar 2009 3 Kommentare

Der British Comedy Guide hat gerade die BCG Awards für 2008 vergeben, und die Leser, auf der Abstimmung die Preisverleihung beruht, haben guten Geschmack bewiesen.

Tatsächlich aber erklärt sich der Award für die beste neue Sitcom, der an „The Inbetweeners“ ging, nur daraus, daß 2008 ein eher mittelgutes Comedyjahr war. Denn die Sitcom um vier Vorstadt-Teenager ist zwar gut, aber nicht überdurchschnittlich. Dazu sind die Hauptfiguren zu standardisiert: Will ist der Neue an der Schule, der seinen Platz in der Gemeinschaft erst erkämpfen muß, wobei ihm sein hochnäsiges Strebertum ein bißchen im Weg steht, Simon ist der romantische Uncoole, Jay das halbcoole Großmaul und Neil der etwas zu langsame, auf dessen Kosten die anderen ihre Witze reißen. Gemeinsam machen sie erste Erfahrungen mit Mädchen, Alkohol und Autos — und an dieser Stelle wird klar, daß „The Inbetweeners“ für Zuschauer über 20 kaum etwas zu bieten hat. Allerdings wüßte ich aus dem letzten Jahr ebenfalls keine bessere neue Sitcom.

„Lab Rats“ erhält den Award für die schlechteste neue Sitcom 2008 völlig zu Recht: Eine solche Anhäufung von Zoten, in denen vornehmlich Leute angepinkelt und frauenfeindliche Sprüche geklopft werden, ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. Rätselhaft, daß die BBC Shows wie diese überhaupt in Auftrag gibt.

Über „Outnumbered“ (beste fortgesetzte Sitcom) und „Peep Show“ (beste Sitcom) werde ich noch berichten, dito über „Harry and Paul“ (beste Sketchshow), deren zweite Staffel sehr gut war, viel besser als die erste — was aber auch kein Wunder ist, schließlich zählen Paul Whitehouse und Harry Enfield zu den ganz Großen der britischen Comedy. Wer nach dem „Flying Circus“ eine zweite brillante Sketchshow kennenlernen möchte, dem sei Whitehouse‘ und Charly Higgsons „The Fast Show“ wesentlich wärmer empfohlen als das überbewertete „Little Britain“.

Update: Ich habe „Lab Rats“ und „Clone“ verwechselt. „Lab Rats“ war einfach nur langweilig, „Clone“ dagegen die Pinkel- und Frauenwitz-Sitcom von Mark Gatiss, der sich vor allem mit der (in meinen Augen eher halbguten) Provinz-Sitcom „The League of Gentlemen“ hervorgetan hat.

Der schwere Rucksack der Bedeutung

17. Januar 2009 4 Kommentare

Manchmal, wenn ich Spielfilme gucke, insbesondere britische, die leider viel zu selten wirklich gut sind, bemerke ich erst, wie sehr ich Fernsehen liebe und Fernsehserien. Gestern: „Son of Rambow“ (gedreht von Hammer & Tongs alias Garth Jennings und Nick Goldsmith, „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“), gesehen wegen Jessica Hynes, geb. Stevenson („Spaced“).  „Son of Rambow“ ist die Geschichte zweier Zehnjähriger, die auf den ersten Blick kaum etwas gemein haben: Der eine ist ein schüchterner, schmächtiger Pennäler aus einer religiösen Spinnerfamilie, der andere ein Bully, wie er im Klassenbuch steht; die beiden freunden sich against all odds an und drehen gemeinsam einen an „Rambo“ angelehnten Akschnfuim; einer hinter der Kamera, einer als Stuntman/Hauptdarsteller davor. Der ganze Film spielt in einer durch und durch künstlichen Frühe-80er-Jahre-Setting, das deutlich von den Fantasy-Welten des überschätzten Terry Gilliam inspiriert ist und in dem Zehnjährige halsbrecherische Actionspektakel zwischen den Kühltürmen eines stillgelegten Kraftwerks drehen und Teenager zu diesem Zweck Kübelwagen kaputtfahren können, ohne daß sie hinterher alle vor dem Jugendgericht landen, sondern mit ihrem Film ins Kino kommen, als Vorfilm von „Yentl“. Die fabelhafte Welt der Präpubertären sozusagen.

Dabei benehmen sich die Blagen aber nie wie Kinder, sondern immer so, wie Erwachsene sich das zurechtphantasieren und in ihrer Erinnerung an eigene Kindheitstage verklären: Die Schule mit ihren drakonischen Strafen! Die geheimnisvolle Erwachsenenwelt, durch Kinderaugen gesehen! Und natürlich die bffs (best friends forever) inklusive Blutsbrüderschaft und einer für alle, alle für einen! Aber da muß natürlich jeder durch, Stichwort coming of age und so, Charakterbildung, selbständig werden, klar, klar. Richtig aufregen könnte ich mich, je länger ich darüber nachdenke.

Möglicherweise rege ich mich auch deshalb so über diese Phantasiekinder auf, die in „Son of Rambow“ mit der Autorenfilmschablone gezeichnet worden sind, weil ich bis vor Wochenfrist noch die zweite Staffel „Outnumbered“ gesehen habe, die eindrucksvoll beweist, wie es eben auch gehen kann: Mit Kindern, die sich wie Kinder benehmen, ohne dabei in Reality TV-Verdacht zu geraten. Nein, „Outnumbered“ zeigt das Leben einer Mittelschichtsfamilie am Rande Londons in einem realistischen Stil, den es so bis dahin noch nicht gegeben hat, denn die Kinder improvisieren einen Gutteil der Szenen. Dabei ist zwar, ähnlich wie bei „Curb Your Enthusiasm“, Ausgangs- und Endpunkt jeder Szene klar, dazwischen aber und vor allem nach dem Endpunkt sind die drei fünf, sieben und elf Jahre alten Nachwuchsschauspieler frei zu improvisieren, und sie sind ganz offenbar Naturtalente.

Das Angenehmste bei „Outnumbered“ ist jedoch, wie unbekümmert hier mit der Story umgegangen wird: Es gibt nämlich kaum eine. Zwar gibt es eine gewisse Rahmenhandlung: Der Elfjährige geht auf eine neue Schule, die Eltern müssen sich zunehmend um den vergeßlichen Großvater kümmern, Konflikte mit nahen Familienmitgliedern wollen gelöst werden usw. Doch die einzelnen Folgen sind annähernd about nothing, viel mehr sogar als „Seinfeld“, das als „Show about nothing“ gehandelt wurde, es in Wirklichkeit aber nie war, denn „Seinfeld“-Folgen lassen sich ja problemlos nacherzählen, was bei z.B. „The Royle Family“ oder eben „Outnumbered“ deutlich schwerer fällt.

Es scheint eine der Freiheiten des Fernsehens zu sein, solche plotlosen Geschichten erzählen zu können und ohne Subtext auszukommen, den Spielfilme wie „Son of Rambow“ Gott weiß warum immer wie einen Rucksack voller Bedeutung mit sich herumschleppen müssen, vielleicht damit die Zuschauer etwas zum Nachdenken und Diskutieren haben, wenn sie aus dem Kino herauskommen. Statt einfach mal gut und kurzweilig unterhalten worden zu sein. Schade eigentlich.

Mehr zu „Outnumbered“ (erste Staffel auf DVD erhältlich) in der nächsten Humorkritik in TITANIC 2/2009!