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Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, letzter Teil)

1. September 2011 Keine Kommentare

Was bisher doch so alles geschah: Benny Hill wird zum Superstar der britischen Nachkriegscomedy, hat weltweit Erfolg über Erfolg — bis die Alternative Comedy seine Scherze zu rassistischem Altherren-Schmuddelhumor erklärt.

Doch es soll noch schlimmer kommen. 1989, Hill war gerade äußerst erfolgreich von einem Festival in Cannes zurückgekehrt, läßt der neue Leiter der Abteilung Leichte Unterhaltung von ITV, John Howard Davies, ihn zu sich kommen. Der festen Überzeugung, es ginge um die Einzelheiten der nächsten Staffel, erfährt Hill in einem Gespräch von nur wenigen Minuten Dauer zu seiner Überraschung: Thames Television danke ihm für alles, was sie zusammen erreicht hätten. Und seine Show sei abgesetzt.

Vom Olymp der Fernsehunterhaltung stürzt Benny Hill über Nacht ins Bodenlose. Schon Jahre zuvor hat die Yellow Press ihm Schmuddelskandälchen angehängt, die sich vorzugsweise um junge Frauen drehten, zu deren Darbietungen Hill „sich vergnügt“ habe. Ein Angebot aus den USA, für sechs Millionen Dollar 26 halbstündige Shows zu machen, nimmt er nicht mehr an, wohl weil er sich ungerne von seinem vertrauten Terrain wegbewegen will. Er zieht sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück. Während Thames mit seiner Arbeit nach wie vor Millionen verdient, täglich bergeweise Fanpost eintrudelt und sich die Schecks weiterhin auf dem Kaminsims stapeln, geht es mit seiner Gesundheit rapide bergab.

Am 11. Februar 1992 wird er mit Brustschmerzen eingeliefert, einen Bypass lehnte er aber ab. Wenige Stunden, nachdem er acht Tage später entlassen wird, hat er einen Rückfall und wird, diesmal mit Nierenversagen, abermals ins Krankenhaus gebracht. Am 18. April stirbt Benny Hill, und er wird erst Tage später gefunden: von seinem jahrzehntelangen Begleiter, Produzenten und Regisseur Dennis Kirkland. Der wundert sich zuerst, daß Hill auf seine Anrufe nicht reagiert, sucht dann Hills Wohnung auf, und als ihm die Nachbarn sagen, dort laufe seit Tagen nonstop der Fernseher, klettert er schließlich auf den Balkon im dritten Stock. Von dem aus sieht er Hill zusammengesunken in seinem Sessel sitzen. Die Polizei bricht die Tür auf, und obwohl sie Kirkland verbieten möchte, irgend etwas zu verändern, darf der schließlich wenigstens Hills zerzauste Frisur ein wenig richten; ein letzter Dienst an dem großen Solitär. Als die Todesnachricht um die Welt geht, unterbricht das chinesische Fernsehen sein Programm für diese Meldung; sogar dort hatte man den universellen Humor Hills verstanden. Hills Vermögen geht mangels eines aktuellen Testaments an Nichten und Neffen, die Hill niemals gekannt hat; die einzigen Menschen, die ihm nahestanden, wie etwa sein „Angel“ Sue Upton, gehen leer aus.

„Goodnight, mother of five.“
„Goodnight, father of three.“

Was aber ist Benny Hills Vermächtnis? Nachdem die Welle der Political Correctness der Achtzigerjahre abgeebbt ist, hat mittlerweile auch die englische Comedy nicht keine großen Probleme mehr mit Männern in Frauenkleidern. Selbst Blackfacing, die durchaus problematische, weil rassistische Tradition weißer Entertainer, sich als Negerl zu schminken, wird nicht mehr geahndet: Matt Lucas und David Walliams etwa praktizierten es wieder für „Little Britain“ wie auch für ihre neue Show „Come Fly With Me“, die beide mittlerweile zum Mainstream gerechnet werden dürfen. Sacha Baron Cohen verkleidet sich in seiner Figur des Borat als beleidigend vulgärer Südländer und spielt in der Figur des Brüno den klischeehaft effeminierten Homosexuellen – mit einer anderen Intention als Benny Hill, gewiß. Der Ansatz aber ist der gleiche. Ist es nun Fortschritt, daß Hills sexualisierte Scherze, die lange einen sensationell schlechten Ruf hatten, heute wieder „gehen“? Hat eine dialektische Weiterentwicklung stattgefunden, die heutige Usancen dieser Art von damaligen unterscheiden, indem sie quasi als Parodie empfunden werden oder als anders gewendet, nämlich (wie im Falle Borats und Brünos) gegen das Publikum statt gegen die dargestellte Figur? Oder kann man wieder einmal einfach alles der Postmoderne in die Schuhe schieben, die macht, daß heute viele verschiedene Farben auf der Palette aktueller Comedy nebeneinander existieren dürfen?

Im wahren Leben nie auch nur in einer längeren Beziehung gewesen: Benny Hill auf einem Promofoto für "Who done it" (1956)

Die Shows Benny Hills von damals wirken heute jedenfalls beinah harmlos. Kaum eine Frau dürfte sich von ihnen tatsächlich noch angegriffen fühlen; genauso wenig wie von einer barbrüstigen Ingrid Steeger in einer Folge „Klimbim“ von 1974. Eher schon beschleicht einen eine gewisse Nostalgie, wenn man sich daran erinnert, daß es vielleicht ausgerechnet die „Benny Hill Show“ war, in der man mit 13 die ersten tiefen Ausschnitte und langen Frauenbeine gesehen hat, und wie unschuldig diese Kindheit und Jugend war angesichts der ubiquitären Übersexualisierung heutiger Medien. Von Internet und Youporn mal ganz abgesehen.

Wie war es nun, abschließend gefragt, um das Sexleben dieses dirty old man wirklich bestellt gewesen? Die einen behaupten, er sei sein Leben lang schwul gewesen, habe sich aber nie geoutet. Andere meinen, er hätte einfach nie wirklich Spaß am Sex gehabt, schon weil Frauen in ihm immer nur einen lustigen, dicklichen Kumpel gesehen hätten. Drei Frauen hat er Heiratsanträge gemacht, alle drei haben abgelehnt. Sein Frauentyp aber, wenn er denn einen gehabt hat, soll nie der der großen Blonden gewesen sein, sondern eher der der drallen Dunkelhaarigen. Die Reiseziele seiner Weltenbummeleien aber, Marseille, Hamburg, Bangkok, sprechen dafür, daß er es vorgezogen hat, für unverbindlichen Sex zu bezahlen, statt Beziehungen mit Frauen einzugehen, die ihn in seiner Egomanie nur eingeschränkt hätten.

Vielleicht, und das wäre eine unschuldige Erklärung, ist Benny Hill in bestimmten Entwicklungen einfach früh stehengeblieben: Seine Beziehung zu Geld in den Fünfzigern, die zu Frauen schon vor der Pubertät. Er soll, so sagen Klassenkameraden, bereits zu Schulzeiten mehr an Bildern von (glamourösen) Frauen interessiert gewesen sein als an seinen Klassenkameradinnen. „He was a watcher“, sagt Kirkland: Hill tat sein Leben lang nichts anderes, als zuzusehen — er sah fern, nichts anderes tat er sein einsames Leben lang zuhause, wo er über eine ansehnliche Sammlung früher Schwarzweiß-Comedyfilme verfügte. Und er sah sich Liveshows an, in Frankreich, Spanien, überall auf der Welt. Er wollte der lustige Dicke auf der Bühne sein, umgeben von hübschen Frauen, die ihm zu Füßen liegen, eine Figur aus dem Varieté.

Bittere Ironie dürfte für ihn gewesen sein, daß ITV ihn absetzte, weil seine Art altmodisch und überkommen wirkte — und ihn aber ausgerechnet durch eine jüngere, aktualisierte Variation seiner eigenen Bühnenfigur ersetzte. Durch eine Figur, die wie er in ihren lustigsten Sketchen ohne Dialog auskam, deren stummer, alberner Slapstick und hauptsächlich visueller Humor genau wie seiner bald einen weltweiten Siegeszug antrat, und die auch noch aus den Reihen der Alternative Comedy kam: Am 1. Januar 1990 begann die steile Karriere von Rowan Atkinson in seiner eigenen Show „Mr. Bean“.

Sacha Baron Cohen is The Dictator

Fast ein Jahr, bevor Sacha Baron Cohens „The Dictator“ in die Kinos kommen soll, hat Paramount das erste offizielle Bild veröffentlicht:

The Dictator

Neulich auf dem Opernball

Im Film soll es um einen an Saddam Hussein angelehnten Diktator gehen, der durch einen Ziegenhirten ersetzt wird (ebenfalls gespielt von Cohen) und anschließend seinem Leben neuen Sinn geben muß — in New York. Hmmmm, ein merkwürdiger Ausländer, der in New York (vermutlich halbdokumentarisch) Leute verwirrt, wo habe ich diesen Plot bloß schon mal gehört?

Aber ich will nicht spekulieren, vielleicht finden Cohen und Larry Charles, der nach „Borat“ und „Brüno“ abermals Regie führt, ja einen völlig neuen Zugang zu dem Thema. Die Tagline ist jedenfalls lustig:

„The film tells the heroic story of a dictator who risked his life to ensure that democracy would never come to the country he so lovingly oppressed.“

Mit von der Partie werden sein Ben Kingsley und Anna Faris (aus den „Scary Movies“).

Funny Money

21. Oktober 2010 1 Kommentar

The Sun hat die Top-40-Verdiener der britischen Comedy zusammengestellt und ihre Einkünfte aus dem laufenden Jahr geschätzt. Die geringste Überraschung sind natürlich die Spitzenreiter:

1. Sacha Baron Cohen: 8 Millionen Pfund (9 Mio. Euro) dank „Brüno“ und „Borat“

2. Ricky Gervais: 7 Mio. Pfund (7,9 Mio. Euro) dank der US-Lizenz für „The Office“, seiner UK-Tour „Science“ und zwei US-Live-Auftritten für geschätzte 500 000 Pfund.

2. Rowan Atkinson: dito 7 Mio. Pfund aus seiner „Mr Bean“-Rente, die ihm die permanente Ausstrahlung seiner Kultserie in Flugzeugen bringt: „Mr Bean“ ist die am häufigsten gezeigte Show auf Flügen.

2. Peter Kay: dito 7 Mio. für seine erste Stand Up-Tour seit sieben Jahren, die im nächsten Monat anläuft.

Auf Platz 6 folgt Steve Coogan, der sich mittlerweile auf dem US-Film- und -Fernsehmarkt etabliert hat, mit 5 Mio. Pfund (5,6 Mio. Euro); Platz 9 geht an Eddie Izzard (4 Mio. Pfund). Erst auf Platz 16 kommt Stephen Fry (2 Mio. Pfund), Plätze 21 resp. 24 gehen an die „Little Britain“-Stars David Walliams und Matt Lucas (1,8 bzw. 1 Mio. Pfund). John Cleese trudelt auf Rang 29 ein mit einer halben Million Pfund, dito Bill Bailey, und Mitchell & Webb haben 700 000 bzw. 400 000 Pfund eingefahren.

Was verdienen eigentlich deutsche Comedians? Ich habe mal eben schnell gegoogelt, aber offenbar sind deutsche Medien a) weniger an den Umsätzen der Comedy-Industrie interessiert oder b) ein wenig zurückhaltender mit so privaten Informationen wie Jahreseinkünften. Wer weiß was?

Ready for Take-off

Drei Piloten respektive neue Shows, auf deren Startgenehmigung spekuliert werden darf:

Sacha Baron Cohen, so berichtet Deadline, ist mit Alec Berg, David Mandel und Jeff Schaffer bei diversen Studios mit einer Serienidee vorstellig geworden. Berg, Mandel und Schaffer waren „Seinfeld“-Autoren und -Produzenten und sind es noch für „Curb“; Cohen selbst hat in der vorvergangenen Staffel mitgespielt, Schaffer war weiterhin auch Autor für „Borat“. Titel und Inhalt der Show sind allerdings noch nicht bekannt.

Etwas mehr Informationen gibt es über die neue BBC2-Serie von Ricky Gervais und Stephen Merchant: „Life’s Too Short“ wird sie heißen und mit dem knapp einen Meter kleinen Schauspieler Warwick Davis in der Hauptrolle besetzt sein. Warwick hat schon in „Extras“ mitgespielt. Der Pilot wird produziert von Charlie Hanson, der auch „Extras“ produziert hat; ausgestrahlt soll er aber nur werden, wenn die BBC auch die ganze Serie in Auftrag gibt. Das ist mal eine gute Nachricht — ich hatte schon befürchtet, Gervais‘ Karriere fände ihre Fortsetzung nur noch in mediokren US-Romcoms. Eine BBC2-Serie mit einem Zwerg in der Hauptrolle, das klingt schon ganz gut. Auch wenn Gervais und Merchant selbst nur in Cameos zu sehen sein werden.

Charlie Brooker zuguterletzt arbeitet ebenfalls an einer neuen Serie — und zwar einer Spielserie. Sie soll zwar gewisse Parallelen zu seiner Serie „Screenwipe“ haben, aber im Gegensatz zu dieser weitgehend gescripted sein. Genaueres verrät Brooker, der sich mit beißender Mediensatire einen Namen gemacht hat, zwar noch nicht, merkt aber an, daß seine bis dato einzige gescriptete Serie „Dead Set“ eine furchtbare Erfahrung für ihn gewesen sei. Wenn die nächste auch nur halb so gut ist wie die brillante Mischung aus „Big Brother“ und Zombies: soll er halt bitte die Zähne zusammenbeißen. Die Memme…!

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 3

23. November 2009 19 Kommentare

cringe 1 ~ (at), move (the body) back or down in fear: The dog ~d at the sight of the whip. 2 behave (towards a superior) in a way that shows lack of self-respect; be too humble: a cringing beggar; to ~ to/before a policeman.

Oxford Dictionary of Current English, 1974

Komik durch Fremdschämen, größte Verlegenheiten und peinliche soziale Situationen herbeizuführen, ist keine Idee der Nullerjahre: Schon die Pythons haben im „Flying Circus“ mit dieser Spielart der black comedy gearbeitet. Sie ist nicht einmal etwas spezifisch englisches: Auch „Frasier“ (1993 – 2004) lebte zu einem guten Teil davon, daß sich Frasier (und Niles) regelmäßig selbst in mißliche Lagen manövrierten. Doch die Peinlichkeitslust (wenn man diesen Terminus parallel zur Angstlust einführen möchte) begann im britischen Fernsehen Mitte der Neunziger mit Steve Coogans „Knowing Me, Knowing You… With Alan Partridge“ (1994), blühte Ende der Neunziger mit „I’m Alan Partridge“ auf (1. Staffel 1997, 2. Staffel 2002) und hat seitdem ein Hoch: die „Ali G Show“ (2000) und Sacha Baron Cohens anschließende Filme „Borat“ und „Brüno“, „Peep Show“ (2003 – ), viele Serien aus Coogans Baby Cow-Produktionsgesellschaft: „Human Remains“ (2000), „Marion and Geoff“ (2000 – 03), „Nighty Night“ (2004 – 05); außerdem etwa Charlie Brookers und Chris Morris‘ „Nathan Barley“ (2005).

Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, was viele dieser Produktionen eint: Sie haben auf die eine oder andere Weise postmoderne Elemente, beschäftigen sich selbstreflexiv mit den Medien, konkreter: mit dem Fernsehen, oder mit der Wirklichkeit und ihrer Konstruktion in den und durch die Medien. Cohen tut dies (zumindest semi-) dokumentarisch, wenn er mehr oder weniger unbedarfte members of the public vor die Kamera stellt und sie sich dort blamieren läßt (aber sein Material stark bearbeitet), Coogan fiktional, indem er einen Fernseh-/Radiomoderator erfindet, der sich vor uns, seinem Publikum, durch inakzeptables Sozialverhalten selbst erniedrigt, und die Serie, die es auf Platz drei der Top-10-Comedys der aktuellen Dekade gebracht hat, treibt die postmoderne Reflexion auf die Spitze, indem sie sich mit („Reality“-) TV zum einen und mit Comedy selbst zum anderen beschäftigt und so in ungeahnte Höhen (oder Tiefen?) der Peinlichkeit vorstößt:

Platz 3: „The Office“ (2001 — 2003, BBC2)topten03b

David Brent (Ricky Gervais) ist der Boß aus der Hölle: Einer ohne jegliches Einfühlungsvermögen, ohne Autorität, der nicht nur von allen gemocht und als Freund betrachtet werden möchte, sondern Anerkennung für ein Talent einfordert, dessen völliges Fehlen jedem im Großraumbüro schmerzhaft bewußt ist außer ihm selbst: das Talent, komisch zu sein. Er hält sich für einen „chilled-out entertainer“, ist Fan von Fernsehcomedy (nennt sein Pub-Quiz-Team dementsprechend „The Dead Parrots“) und möchte vor der Dokumentar-Filmcrew, die ihn und seine Angestellten begleitet, stets den besten Eindruck hinterlassen. Seine unsicheren Blicke in die Kamera, seine Angebereien betreffen uns, sie sind an uns, die Zuschauer (und Comedyfans) vor dem Fernseher gerichtet und machen „The Office“ so schmerzhaft wie kaum eine andere Sitcom davor oder danach. Die Hölle, das sind auch hier die anderen, nämlich die, von denen David Brent geliebt werden möchte, und die ihrerseits kaum herauskommen aus der Dilemma-Hölle zwischen der Verzweiflung Brents und seiner Verblendung, ein begabter Unterhalter zu sein.

Der fake documentary-Stil von „The Office“ war zunächst aus rein praktischen Erwägungen entstanden: Stephen Merchant durchlief 1998 das „Trainee Assistant Producer Scheme“ (TAPS) der BBC, in dessen Rahmen ein kurzer Feature-Film produziert werden sollte. Merchant entschied sich, mit Gervais etwas Fiktionales zu drehen anstelle der üblichen Mini-Reportagen, und da sie das Kamerateam für nur einen Tag hatten, war es das schnellste, dokumentarisch vorzugehen: Das bedeutete, daß man auf Beleuchtung, Geräusche und narrative Setups keine Rücksicht nehmen mußte. Damit hatten sie sich im wesentlichen aus den gleichen Gründen für einen Docusoap-Ansatz entschieden wie zur gleichen Zeit (und bis heute) viele Fernsehstationen: Es war billiger und ging schneller.

Bald war jedoch klar, daß genau dieser Docusoap-Stil auch das beste Transportmittel war für die desaströsen Comedyversuche Brents. Der hofft, daß seine Zitate und Verweise auf Comedy oder komisch gemeintes (wie den sprechenden Plastikfisch an der Wand) auf ihn abfärben und ihn als komischen Typen dastehen lassen; nicht selten schiebt er, um ganz sicher zu gehen, daß er richtig verstanden wird, auch noch einen Appendix an Erklärungen und Quellenangaben hinterher. Er selbst ist allerdings nie lustig, allenfalls hysterisch, wenn er etwa mit einem aufblasbaren Riesenpenis herumimprovisiert, den Tim zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, und wird sofort bitter ernst, als es um eine seiner catchphrases geht:

Brent: Remember, you’re only as old as the woman you feel.

Gareth: I say that sometimes.

Brent: Yeah, I heard you say it the other day, and I thought, „He’s using one of my catchphrases“. I dont’t mind influencing a younger comedian — you’re not a comedian — but, you know, I usually credit someone if I use their comedy.

Die Verwechslung von Comedy-Referenzen mit Comedy erreicht ihren Höhepunkt, als Brent bei seiner Motivationsrede über einen Mann aus der Papierindustrie zu reden beginnt, Eric Hitchmough, und sich diesen sowohl als Basil Fawlty wie auch als Columbo vorstellt:

Brent: Imagine if Eric was a Los Angeles detective. Be a bit weird, wouldn’t it? „Um, yeah… One final thing, my wife loves you… and I don’t agree with that in a workplace!“ What’s that, Eric? You’ve given up being a Los Angeles detective and started running a hotel in Torquay? „Yes! Don’t mention the war! I mentioned it once, but I think I got away with it and I don’t agree with that in a workplace!“

Ricky Gervais spielt David Brent, der Eric Hitchmough imitiert, wie er John Cleese als Basil Fawlty nachäfft, der Adolf Hitler darstellt — postmoderner wird’s nicht.

„The Office“ trat auf den Plan, als die Unkenrufe zum Zustand der britischen Comedy kaum noch zu überhören waren: „Is this the end for TV Sitcoms?“ fragte die Daily Mail, „Something is rotten in the state of TV comedy“, witterte der Daily Telegraph), während der Guardian Fernsehcomedy mit  „Both feet in the grave“ sah (alle zitiert nach dem empfehlenswerten „The Office“ von Ben Walters) — daß aber wenige Wochen später mit „The Office“ eine Sitcom auf den Plan treten sollte, die die Maßstäbe für Jahre setzen sollte, war auch nach der Ausstrahlung der ersten Staffel nicht sofort klar: „The Office“ hatte marginale Quoten, fuhr für BBC2 die geringste Publikums-Zustimmungsrate des Jahres 2001 ein (abgesehen von der Übertragung vom Frauen-Bowling) und wurde von vielen Zuschauern nicht einmal als Comedy erkannt. Einige Jahre später war es die meistverkaufte Britcom-DVD aller Zeiten, verkauft an Sender in sechzig Länder und in einer US-Version adaptiert, die mittlerweile in der sechsten Staffel ist.

Funnyzeit mit Brüno

31. Juli 2009 5 Kommentare

„Brüno“ ist nun schon eine Weile her, TITANIC aber hat nunmal diesen langen Vorlauf; darum hier aus dem heute erschienenen August-Heft meine Humorkritik, die genaugenommen eine Humorkritikkritik ist:

War es die allzu aufdringliche PR vor dem Filmstart, die strikte Vorgabe von Sperrfristen oder die Weigerung Sacha Baron Cohens, außerhalb seiner Rolle als Brüno Interviews zu geben? Das deutsche Feuilleton jedenfalls hat »Brüno« deutlich mißmutig, ja enttäuscht besprochen. »Bemüht und konstruiert« sei der Film, der sich »kaum auf ein Thema oder einen Menschen ein(ließ)«, so der Stern: »Daß Amerika von ignoranten, bigotten Fundamentalisten nur so wimmelt, ist nicht gerade ein bahnbrechender Erkenntnisgewinn.«

Nun ist »Brüno« aber auch nicht als Dokumentation, sondern als Komödie annonciert; und wo die Kritik an Bill Mahers »Religulous« (TITANIC 3/2009, Regie hie wie da Larry Charles) noch durchaus berechtigt war, nämlich daß da jemand im Namen einer Dokumentation Menschen allzu routiniert der Lächerlichkeit preisgibt, zieht dieser Vorwurf bei »Brüno« nicht mehr. Der führt zwar ebenfalls allerhand Minderbelichtete vor, dies aber nicht zum Zwecke des Erkenntnis-, sondern des Unterhaltungsgewinns. Polemik ist naturgemäß ungerecht, in einer Komödie aber durchaus erlaubt, ja erwünscht.

Ähnlich unscharf argumentiert Tobias Kniebe in der Süddeutschen. Zwar hält er die Grausamkeit, daß die Vorgeführten keine Einspruchsmöglichkeit hätten, für den einzigen Weg, »den undurchdringlichen Schutzschild unserer Fake-Kultur noch zu durchschlagen«, weiß aber nicht, wozu: Ob Cohen ähnliche Gefahren wie die von durchgeknallten USA, die er in »Borat« aufs Korn genommen hatte, auch in den »Exzessen der Celebrity-Kultur« oder in der »immer noch real existierende(n) Schwulenfeindlichkeit« sähe? Denn auch wenn das Ende des Films diese entlarve, so müsse man doch bis dahin »jede Menge zweitklassige Inszenierungen durchstehen«. Und auch die FAZ findet erst ganz am Schluß »einen Moment, in dem die vielfachen Brechungen zwischen Beobachtungen und Identifikationen, Staunen und Ressentiment auf großartige Weise in Klarheit umschlagen« und »die wohlfeile Komik in ein echtes Experiment«.

Ich für meinen Teil habe weder jede Menge zweitklassige Inszenierungen gesehen noch echte Experimente erwartet und war dementsprechend von »Brüno« kein bißchen enttäuscht, sondern vorzüglich unterhalten: auf eine Weise, die zwischendurch sehr weh tat, gewiß – aber so tut es eben weh, wenn sich Menschen ohne Not in peinlichste Situationen bringen. Alle Forderungen nach »Entlarvung« und jede Diskussion um Echtheit oder Inszenierung einzelner Szenen aber verbitte ich mir entschieden und verweise auf die »Dokumentationen« eines Michael Moore und seiner Epigonen, deren Prinzip, Fakten und Fiktionen fröhlich zu vermischen, um an drastischere Eindrücke zu kommen, womöglich bei vielen Kritikern noch die Maßstäbe bestimmt, mit denen sie nun »Brüno« beurteilen. Dabei meint es Moore immer ernst, bierernst sogar, wohingegen Cohen nichts ernst nimmt und so die »satirischen« Dokumentationen der letzten Jahre in die Postmoderne überführt. Das mag man nihilistisch finden, aber für eine Komödie ist Nihilismus das schlechteste nicht.