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Artikel Tagged ‘Chris O’Dowd’

Klein, aber fein

Nachdem „State of the Union“ (Sundance, 2019) mich angenehm überrascht hatte, wollte ich „Juliet, Naked“ (2018) nun doch noch sehen: die Verfilmung von Nick Hornbys gleichnamigem Roman, in der (wie in „State of the Union“) Chris O’Dowd eine der Hauptrollen, oder eher: die zentrale Nebenrolle spielt.

Der Roman hatte mich damals eher kalt gelassen; zu konstruiert wirkte auf mich der Plot: Da ist der College-Lehrer Duncan, dessen Obsession mit einem lange untergetauchten amerikanischen Rockstar seine Beziehung zu Lebensgefährtin Annie doch einigermaßen belastet, ist sie doch beileibe nicht annähernd so ein großer Fan von Tucker Crowe und seinem Werk — einer einzigen Platte namens „Juliet“ — wie Duncan. Ein klassisches Hornby-Setup also: Popkultur-Fantum und beziehungsgestörte Männer. In einem unwahrscheinlichen Plot-Twist nimmt dann Crowe Kontakt zu Annie auf, die auf der Internetseite Duncans eine schlechte Kritik über einen neuen Release von Demos zu „Juliet“ (eben „Juliet, Naked“) hinterlassen hat — und die beiden beginnen eine Affäre, die im Schatten von Crowes extensivem Familienleben steht, denn Crowe hat fünf Kinder von vier Frauen, von denen einige in Großbritannien leben.

Was im Buch auf mich ausgedacht wirkte und wie ein Alterswerk (nun geht es also um Männer, deren Scheitern nicht unmittelbar vor ihnen liegt, sondern schon eine Weile hinter ihnen), funktioniert als Film allerdings verblüffend gut. Nicht zuletzt wegen des Casts: Chris O’Dowd als Duncan ist, wie immer, eine sichere Bank. Aber vor allem Rose Byrne („28 Weeks Later“) als Annie und Ethan Hawke als Tucker Crowe haben eine gute Chemie. Und was als Literatur einigermaßen dünn wirkt, reicht für einen Feelgood-Film, über den man anschließend zugegebenermaßen nicht lange nachzudenken braucht, allemal.

Dabei hilft vielleicht, dass Regisseur Jesse Peretz Gründungsmitglied der Lemonheads war und das Musikgeschäft also von innen kennt. Ganz sicher hilft es, dass das musikalische Werk Tucker Crowes keine zentrale Rolle spielt. Die Songs, die im Film zu hören sind, belegen in ihren Ausschnitten durchaus, warum man Fan sein kann, ohne dass ihnen eine tragende Rolle zukäme. Und beim unvermeidlichen Auftritt Crowes zum Ende des zweiten Akts greift der sicherheitshalber auf einen Klassiker von den Kinks zurück, „Waterloo Sunset“, das die melancholisch-freundliche Atmosphäre des Films nicht schlecht widerspiegelt.

Dazu kommen dann noch ein, zwei kleiner Weisheiten über Popmusik und Kunst („Art isn’t for the artist no more than water is for the plumber“) und eine große Portion britischer Charme, die darüber hinwegsehen lassen, dass die Aussagen des Films (akzeptiere deine Vergangenheit, schau nach vorne, trau dich Risiken einzugehen) wahrlich nicht sehr provokativ sind, sondern eher brav.

Ein kleiner Film also, der an die frühen Höhepunkte in Hornbys Schaffen nicht heranreichen, aber keine verschwendeten 100 Minuten.

Kurz und gut

19. Juni 2019 2 Kommentare

Sitcoms sind, seit dramaturgische Grenzen zwischen Comedy, ComedyDrama, Sitcoms ohne Pointen usw. verschwimmen, häufig vor allem an ihrer Länge als Format zu erkennen: zwischen (netto) 23 und 30 Minuten lang = Sitcom, 45 bis 60 Minuten = ComedyDrama. Und natürlich an ihrer Anzahl: sechs in Großbritannien, zehn oder zwölf bis in den mittleren Zwanzigerbereich in den USA. Wöchentlich.

Umso schöner, wenn auch das mal aufgebrochen wird: Gerade mal zehn Minuten kurz sind die Folgen von „State of the Union“ (Sundance; Hornbys gleichnamiges Buch erscheint im August).  Alle zehn Folgen sind vom 6. bis 17. Mai gelaufen, also (wochen-)täglich.

Nick Hornby (Autor) und Stephen Frears (Regie wie auch schon bei „High Fidelity“) wussten auch, warum sie das genau so angelegt haben: weil es sich in den zehn Minuten jeder Episode um die zehn Minuten vor einer Stunde Paar-Therapie handelt, mit der Louise und Tom (Rosamunde Pike, Chris O’Dowd) ihre Ehe retten wollen.

In diesen zehn Minuten warten sie aufeinander in einem Pub, trinken schon mal ein Pint (er) oder ein Glas Weißwein (sie) und erörtern ihren „State of the Union“. Oder reden drum herum. Oder bereiten eine Strategie vor, was sie ihrer Therapeutin erzählen möchten. Beobachten, wer vor ihnen das Haus der Therapeutin auf der Straßenseite gegenüber verlässt.

Das ist sehr lustig, selbstredend enorm dialoglastig, und lebt von den brillanten Wortwechseln, wie man sie von Nick Hornby kennt. Es leuchtet jedem schnell ein, woran die Ehe krankt: sie arbeitet, zunehmend erfolgreich, während er mehr oder weniger arbeitsloser Musikkritiker ist. Der für den Brexit gestimmt hat. Hauptsächlich um ihre Freunde (lies: einerseits ihre gemeinsamen, aber auch die Freunde von Louise) anzupissen. Was gut funktioniert, auch wenn Louise von seinem Brexit-Votum erst im Laufe der Serie erfährt. Nicht zuletzt, weil sie für den NHS arbeitet, der von den fehlenden (billigen) ausländischen Arbeitskräften erwartbar betroffen sein wird.

Ein Kammerspiel, ein Kleinod ist „State of the Union“. Schon wegen Chris O’Dowd („The IT Crowd“, „Moone Boy“), mehr aber noch wegen Rosamunde Pike („Gone Girl“, „The World’s End“). Denn wenn Nick Hornby eine Schwäche hat, dann sind es seine Frauenfiguren, die häufig ein wenig flacher sind als seine männlichen Protagonisten; hier aber schwächelt nichts, was Pike nicht mit schauspielerischem Talent zumindest ausgleichen könnte.

Ein bisschen schade, dass so eine schöne Serien-Miniatur auf Sundance doch recht zögerlich den Weg in die Öffentlichkeit findet. Eine größere wäre ihr nämlich angemessen. Selbst einen Trailer davon zu finden, ist schwierig: der hier ist von einer Seite, deren Einbettungs-Code ich Techniktrottel nicht kapiere, darum auch nur briefmarkenklein. Man kann ihn aber groß klicken.

Update: Hier ist ein Trailer in korrekter Größe.

Innes interviewt Linehan

23. Januar 2014 Keine Kommentare

Neil Innes, Musiker und Wegbegleiter der Monty Pythons, ist ein lustiger Typ. Das legt jedenfalls das Interview nahe, das er mit Graham Linehan auf BBC Radio 4 geführt hat.

Ich bewundere ja schon (mal wieder) das Format, die Idee hinter der Interview-Reihe „Chain Reaction“, die Radio 4 da ausstrahlt: nämlich dass der Interviewte der einen Sendung der Interviewer der nächsten Sendung ist — und so immer zweimal nacheinander auftritt: erst als Befragter, dann als Fragender.

Tatsächlich sind die Fragen von Innes, den ich schon für seine dadaistischen Arbeiten mit der Bonzo Dog Doo-Dah Band und die Beatles-Parodien der Rutles mag, allein für sich sich genommen toll: „What were your feelings when you heard the news?“ „Can you remember who was to blame?“ „What is your biggest, your funniest and your most embarassing?“

So lustig die Fragen, so hörenswert auch die Antworten von Linehan, der einerseits Bekanntes über seine Karriere erzählt, andererseits auch Neues über etwa „The IT Crowd“. Ich jedenfalls wusste noch nicht, dass Linehan die Figur des Roy einfach nach sich selbst gestaltet hatte — und damit Chris O’Dowd vor ein mittleres Problem gestellt, weil der Charakter von Moss mit „das bin halt ich“ von Linehan nicht genau genug gezeichnet war, um ihn dreidimensional darstellen zu können.

Sehr gut auch die Feststellung von Linehan, dass man sich als Autor am besten hinter seinen Werken verstecken und unsichtbar machen sollte. Anekdotische Erklärung dazu: Wie sein Co-Autor Arthur Mathews und er einst auf eine „Father Ted“-Convention gegangen seien und diese praktisch ruiniert hätten, weil sie als einzige nicht kostümiert waren und so inmitten all der Priester, Bischöfe und Mrs. Doyles wirkten wie die Eltern, die plötzlich auf der Party ihrer Kinder auftauchen und fragen: Was zum Teufel ist denn hier los?

„The IT Crowd“ zieht den Stecker

2. Oktober 2013 1 Kommentar

Am Schluss bleibt eine Frage: Warum? Warum schien es Graham Linehan und Channel 4 tunlich, eine allerletzte, finale Folge „The IT Crowd“ (seit 2006) zu produzieren? Über drei Jahre nach der letzten Folge, mit der die vierte Staffel im Juli 2010 endete? Dramaturgisch nötig wäre dieses einstündige Special eher nicht gewesen, also waren es vielleicht äußere Gründe: Linehan wollte womöglich den IT-Crowd-Afficionados doch noch etwas mitgeben, nachdem es mit der fünften Staffel ja nun offenbar nichts geworden ist, die er quasi zusammen mit den Fans schreiben wollte.

Aber gleich aus welchen Gründen: nun ist vergangenen Freitag die wirklich allerletzte Folge „The IT Crowd“ gelaufen, und es hat überraschend viel Spaß gemacht, Roy, Moss und Jen in ihrem Kellerverschlag wiederzusehen. Chris O’Dowd, Richard Ayoade und Katherine Parkinson haben, jeder in seinem Metier, seit den vier Staffeln „IT Crowd“ beachtliche Karrieren hingelegt: O’Dowd mit „Moone Boy“ (Sky 1, seit 2012), seiner ersten eigenen Sitcom, von der Sky bereits zwei weitere Staffeln bestellt hat, und zuletzt natürlich mit „Family Tree“ (HBO/BBC), Richard Ayoade mit seinem Schaffen als Regisseur von „Submarine“ (2011), dem bezaubernden Coming-of-Age-ComedyDrama, und Katherine Parkinson in „Whites“ (BBC2, 2010), das zu meinem großen Bedauern nur deswegen keine zweite Staffel erleben durfte, weil die BBC mal wieder sparen musste.

Es war also ein Vergnügen, Roy, Moss und Jen wiederzusehen, und auch Linehans Freude am Spiel mit popkulturellen Referenzen übertrug sich auf diese letzte Folge: von Anspielungen auf das seinerzeit in England Wellen schlagende Video von der Frau, die eine Katze in die Mülltonne steckte, über eine Parodie auf die albern-übertreibenden koreanischen Computeranimationen aktueller Nachrichten bis hin zu Scherzen über derzeit virulente Fernsehserien. Als Roy sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, rassistisch gegenüber Kleinwüchsigen zu sein, verteidigt er sich: „Small people are not a race! This isn’t ‚Game of Thrones‘!“

Selbstverständlich füttert Linehan ausführlich die alten Fans der Serie, indem er noch einmal die alte Schachtel herauszieht, von der Jen immer noch glaubt, sie enthielte „das Internet“, weil Roy und Moss ihr das weisgemacht haben. Und auch ein alter Sidekick, eine sympathische Nebenfigur, bekommt noch einen letzten Auftritt.

Dafür, dass ich nie ein ausgewiesener Fan von „The IT Crowd“ war, fand ich diese letzte Stunde nun doch hübsch nostalgisch. Nicht zuletzt, weil es diese Geschmacksrichtung der Sitcom im Moment kaum noch gibt: albern, chaotisch, turbulent, kindisch, silly. Das genaue Gegenteil von „Hello Ladies“ (HBO), der neuen, ersten Sitcom von Stephen Merchant, die sich auf so altbackene, tausendmal totgerittene Männer-Frauen-Klischees verlässt, dass ich bei der ersten Folge vor Wut fast eingeschlafen wäre (wenn ich die zweite durchstehe, gibt’s eine etwas ausführlichere Kritik).

Wer sich beeilt, kann die finale „IT Crowd“-Folge hier noch in voller Länge sehen.

This is Family Tree

27. September 2013 3 Kommentare

Spinal Tap, die Heavy Metal Band mit den röck döts über dem n, war bekanntlich die lauteste Band der Welt — weil sie die einzige Band mit Verstärkern war, deren Lautstärke man nicht wie üblich bis zehn, sondern sogar bis elf aufdrehen konnte. Doch trotz ihrer ungeheuren Lautstärke war der humoristische Ton von »This is Spinal Tap« (1984, Regie: Rob Reiner) eher leise. So entstand eine fein beobachtende, bisweilen sogar melancholische Doku-Parodie, die vor allem von den Hauptdarstellern und ihren improvisierten Dialogen (in einem parodierten Britisch-Englisch) lebte.

Christopher Guest, seinerzeit Leadgitarrist von Spinal Tap, hat diese komische Grundstimmung beibehalten, ebenso seine Vorliebe fürs Britische — und nun nach einigen kleinen Filmen (Titanic 5/2004) seine erste Sitcom vorgelegt: »Family Tree« (HBO/BBC). Auch hier gibt die Komik eben nicht eins auf die Zwölf, sondern, man verzeihe mir das gemopste Bild: auf die Elf. Chris O’Dowd (»The IT Crowd« und »Moone Boy«, siehe auch die »Humorkritik Spezial« in Titanic 12/2012) trägt hierzu als Tom Chadwick, Protagonist der Serie, das Seine bei, indem er den mehr oder weniger meschuggenen Menschen, auf die er trifft, stets zurückhaltende Irritation und ahnungslose Freundlichkeit entgegenbringt.

Und er trifft auf viele Meschuggene. Denn Tom, just arbeitslos geworden, erbt einen Koffer mit altem Krempel, zieht das Foto eines eindrucksvollen edwardianischen Offiziers heraus und beschließt umgehend – fasziniert von einer möglicherweise spannenden Familiengeschichte – seinen Stammbaum zu erforschen und noch lebenden Verwandten nachzuspüren.

Schnell stellt sich jedoch heraus, daß sein Vorfahr gar nicht der Porträtierte ist, sondern der Fotograf. Und natürlich war sein Urgroßvater, der neben Sir Laurence Olivier auf der Theaterbühne stand, nur Komparse und, als Teil seines eigenen Double Acts, die hintere Hälfte eines menschlichen Pferdes (die auch auf seinem Grabstein eingraviert ist). Doch Tom ist immun gegen Enttäuschungen, forscht immer weiter und gelangt in der zweiten Hälfte der Serie schließlich in die USA, wo er auf immer mehr Spinner trifft – und tatsächlich auf die komischeren. Womöglich ist die Fallhöhe in Amerika größer als in Großbritannien, wo Exzentriker förmlich zur Rudelbildung neigen; oder Christopher Guest kennt seine Landsleute doch ein bißchen genauer. Unter Umständen ist Guests amerikanischer Cast (der auch in seinen Filmen stets der gleiche ist) auch etwas besser eingespielt. Jedenfalls wird »Family Tree« nach einer eher schwachen ersten Episode von Folge zu Folge erfreulicher.

Am besten gefielen mir die Miniaturen, die Guest in jeder Folge untergebracht hat: kleine Parodien auf englische Sitcoms, wie sie Toms Vater gerne sieht (»There Goes the Neighbourhood«), oder die sehr komische Mischung aus Sherlock Holmes und Star Trek, »The New Sherlock Holmes«, die sich Tom gerne reinzieht. Überhaupt scheint mir Christopher Guest im episodischen Genre viel besser aufgehoben als im Spielfilm. Hier kann er sich ganz in seine Charaktere und deren absurde kleine Geschichten verwickeln – und prompt entsteht eine Serie, die mindestens doppelt so kurzweilig ist wie seine Filme. Gerade ist sie auf DVD erschienen und via Import erhältlich.

zuerst erschienen in der Humorkritik in Titanic 10/2013.

Familienpest

28. November 2012 Keine Kommentare

Hier das Humorkritik-Spezial aus der aktuellen Titanic mit allen Kaufempfehlungen für’s Weihnachtsfest. Von einer mal abgesehen: Ich würde außer den Sitcoms natürlich jederzeit und dringlichst zu Stewart Lees neuer Stand Up-DVD „Carpet Remnant World“ raten. Ich habe das Programm im Januar in London gesehen, und es ist wieder mal sehr gut — sollte mich wundern, wenn die DVD schlechter wäre.

Es ist trüb und kalt geworden draußen vor der Tür, und das ist nicht nur der wirtschaftlichen Gesamtlage geschuldet, aber auch. Und so wie in Großbritannien das Wetter traditionell noch ein bißchen schlechter ist als hierzulande, so verhält es sich auch mit der Konjunktur: Sie ist auch auf der lustigen Insel nur noch mit viel Alkohol und einer stiff upper lip zu ertragen. Was sich durchaus in der Comedyproduktion niederschlägt.

Tatsächlich haben etliche britische Sitcoms des vergangenen Jahres die Wirtschaftskrise direkt oder indirekt thematisiert: in „The Café“ (Sky1) etwa arbeiten Großmutter, Mutter und Tochter in ihrem kleinen Promenaden-Kaffeehaus am Strand von Weston-super-Mare — bzw. arbeiten eben die meiste Zeit eher nicht, weil kaum noch Gäste kommen. Die jüngste Tochter des Café-Klans ist gerade aus London in ihre kleinstädtische Heimat zurückgekehrt, weil es als Kinderbuchautorin doch nicht geklappt hat, und genau dieses Motiv (hier bearbeitet von Craig Cash und Ralf Little, die schon mit „Royle Family“ Maßstäbe gesetzt haben) findet sich dieses Jahr in verblüffend vielen Sitcoms: die Rückkehr der Boomerang-Generation in ihr Elternhaus.

In „Parents“ (Sky1) ist es eine ganze Familie, nämlich Jenny (Sally Phillips), Nick und ihre Teenager-Kinder, die bei den Großeltern einziehen (müssen), nachdem sie ihren Job verloren hat und seine Geschäftsidee (ein Energydrink für Topmanager) nicht so richtig funktioniert, und in „Cuckoo“ (BBC3) ist es die gerade volljährige Tochter, die nach einem Gap Year aus Thailand zurückkommt — und ihren frisch angetrauten us-amerikanischen Hippiegatten Cuckoo (Andy Samberg, in den USA ein „Saturday Night Live“-Star) gleich mit einziehen lässt.

Der „IT Crowd“-Veteran Chris O’Dowd schließlich verlegt die Krise in seiner ersten eigenen Sitcom gleich dahin, wo sie historisch vertraut ist: ins Irland der späten Achtzigerjahre, wo der „Moone Boy“ (Sky1) Martin, 11, seine Kindheit mit zahllosen Geschwistern verbringt – und mit seinem unsichtbaren Freund (O’Dowd). Der gibt nicht immer kluge Ratschläge, steht Martin aber jederzeit für lange Gespräche zur Verfügung, ganz wie Martins gleichalten Nachbarskindern deren unsichtbare Freunde (u.a. Johnny Vegas als Wrestler). Eine brillante Idee, schön umgesetzt von O’Dowd als Autor, der eigenen Angaben zufolge etliche autobiographische Details verarbeitet hat, und Regisseur Declan Lowney, der mit „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) schon eine unsterbliche irisch-britische Sitcom in seinem Lebenslauf stehen hat. „Moone Boy“, mitproduziert von Steve Coogans Firma Baby Cow (Coogan hat auch einen Gastauftritt) ist herzlich warm und trotzdem höchst komisch — und hat in diesem Text die dringlichste Kaufempfehlung.

Fällt Ihnen eigentlich etwas auf? In der Tat: drei von vier Top-Sitcoms des Jahres 2012 stammen nicht von der BBC, sondern von Sky1. Tatsächlich mausert sich Rupert Murdochs Bezahlkanal in Großbritannien gerade zum Comedylieferant Nummer eins. Das dürfte vor allem auf Lucy Lumsden zurückzuführen sein, die den bis dahin praktisch gesichtslosen Sender als Head of Comedy direkt an die Spitze katapultiert hat. Lumsden war über zehn Jahre Programmchefin der BBC-Comedy, und sie hat es geschafft, überraschend viele überraschend prominente Comedians mitzunehmen, obwohl sie bei diesem bislang doch eher unsympathischen Sender nur noch von einer eingeschränkten Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Zu diesen Stars gehört auch Ruth Jones, Nebendarstellerin und Coautorin der BBC3-Erfolgssitcom „Gavin & Stacey“ (2007 – ’10). Jones hat mit „Stella“ (Sky1) das wohl beste ComedyDrama des Jahres lanciert: eine abermals von Wirschaftsdepressionen und Familienglück geprägte walisische Serie rund um eine alleinerziehende Mutter (Jones), deren Sohn (zu Beginn der Serie) im Gefängnis sitzt, deren Ex sich eine superprollige neue Flamme angelacht hat und deren beste Freundin und Schwägerin, Bestattungsunternehmerin Paula, stets ihre Blutalkoholwerte messen muß, bevor sie sich hinter das Steuer ihres Leichenwagens setzen kann. Wie „The Café“ und „Moone Boy“ zeichnet auch „Stella“ der realistische Stil und die genaue Charakterzeichnung aus; wie alle genannten Serien ist auch diese (für ComedyDramas ist das ohnehin die Regel) mit nur einer Kamera und ohne Livepublikum (also ohne Lacher) gedreht.

Daß kaum noch altmodische Multikamera-Sitcoms gedreht werden, ist fast ein bißchen schade: bei „Me And Mrs Jones“ (BBC1) hätten die Produzenten sonst vielleicht gleich gemerkt, daß die Gags längst nicht so gut sind, wie die Autoren vielleicht dachten. Diese britische Cougar-Variation spielt abermals mit einem Generationenkonflikt: die eigentlich fantastische Sarah Alexander („Coupling“, „Green Wing“) als alleinerziehende Mutter (ja, noch eine alleinerziehende Mutter) und der beste Freund ihres zwanzigjährigen Sohnes, Billy (der ebenso brillante Robert Sheehan, „Misfits“), machen das Leben vieler Menschen unnötig kompliziert, weil sie sich zueinander hingezogen fühlen. Tatsächlich aber glaubt man als Zuschauer keine Sekunde an diese Konstellation, schon weil Alexander tatsächlich alt genug sein könnte, um einen Sohn von 20 Jahren zu haben, aber viel jünger aussieht. Und so gibt es zwar einige hübsche Pointen (daß an der Schule etwa von einem alleinerziehenden Mann als „DILF“ die Rede ist), aber die Figurenzeichnung ist doch eher schwach. Und das, obwohl Autorinnen wie Produzentinnen (ja, eine rein weibliche Serie) es von „Smack The Pony“ und „Green Wing“ her noch besser wissen und können müßten.

Besser wissen und können müßte es auch Ricky Gervais: dessen Zwergen-Sitcom „Life’s Too Short“ (BBC2) mit Warwick Davis bemüht nicht nur abermals den mittlerweile wirklich antiquierten Mockumentary-Stil, sondern auch all die alten Peinlichkeits-Witze, die zwar hin und wieder noch funktionieren, meistens aber genauso flach fallen wie der kleinwüchsige Davis, wenn er aus seinem SUV steigt.

Wenn schon vorlaute Zwerge, dann doch bitte wie in „Spy“ (abermals Sky1), einer eher schnellen und schön bunten Agenten-Sitcom, in der Tim (Darren Boyd) wie die Jungfrau zum Kind plötzlich zu einem Job als Spion kommt, was er seinem äußerst dominanten zehnjährigen Sohn aber genausowenig anvertrauen kann wie seiner Ex. In der Folge darf Boyd seine bewährte John-Cleese-Komik mit viel unterdrückter Wut und Verblüffung spielen, die schon „Whites“ und „Green Wing“ sehr unterhaltsam gemacht hat, wenn er sich, seinem schwachen Charakter folgend, immer wieder der Autorität seines Bankerts unterwerfen muß. Darren Boyd ist es auch, der zusammen mit Stephen Mangan „Dirk Gently“ (BBC4) vor dem Totalreinfall bewahrt hat, obwohl aus der Douglas-Adams-Adaption von Howard Overman („Misfits“) doch etwas mehr zu machen gewesen wäre. Genau wie aus „A Touch of Cloth“ (ja doch, schon wieder Sky1), dem Versuch von Charlie Brooker, eine Art „Nackte Kanone“ auf britisch zu machen: diese zweiteilige Parodie auf praktisch alle englischen Krimiserien darf als zwar ambitioniert und streckenweise sogar recht lustig gelten, hat aber keinen so bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, daß ich sie zur Einkaufspriorität erklären würde. Ebensowenig wie Brookers zweite Serie des Jahres, „Black Mirror“ (Channel 4), die in drei Folgen (von je anderen Autoren) mediale Dystopien entwirft, finstere Science-Fiction-Medienkritik, die für Fans von Brookers bösem Humor womöglich taugen, aber eher nicht mehrheitsfähig sind.

Da würde ich doch all die Serien vorziehen, die in diesem Jahr eine schöne zweite, dritte oder vierte Staffel auf den Schirm gebracht haben: die zweite Season der Olympia-Sitcom „Twenty Twelve“ (BBC2/BBC4), der Puppen-Comedy „Mongrels“ (BBC3), der Sitcomautorensitcom „Episodes“ (BBC2/Showtime) oder die Specials des Uralt-Klassikers „Absolutely Fabulous“ (BBC1), „Ab Fab At 20“, die dieses Jahr gezeigt haben, dass das Comedykonzept von Jennifer Saunders auch zwanzig Jahre nach der ersten Folge noch tadellos funktioniert. Fast so alt ist die Figur des Alan Partridge (Steve Coogan), und auch seine neue Miniserie „Alan Partridge: Midmorning Matters“ (Sky Atlantic) macht Spaß und läßt darauf hoffen, daß der lange angekündigte Partridge-Kinofilm im nächsten Jahr endlich Formen annimmt. In diesem Sinne: Happy New Year!